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Informationen zum Dokument  BGer 5A_623/2010  Materielle Begründung
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BGer 5A_623/2010 vom 26.11.2010
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5A_623/2010
 
Urteil vom 26. November 2010
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter von Werdt,
 
Gerichtsschreiber Levante.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________ und Y.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Adriano Marti,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau, Regierungsgebäude, 8500 Frauenfeld,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
unentgeltliche Verbeiständung (Obhutsentzug),
 
Beschwerde in Zivilsachen gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 23. Juni 2010.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Ehegatten X.________ und Y.________ sind die Eltern von Z.________, geboren am xxxx 2007. Am 1. November 2007 ernannte die Vormundschaftbehörde A.________ dem Kind einen Beistand und erteilte den Eltern Weisungen. Mit Beschluss vom 11. Mai 2009 entzog die Behörde ihnen die Obhut über das Kind und brachte es zur pädiatrischen und psychiatrischen Abklärung in der Klinik für Kinder und Jugendliche des Kantonspitals B.________ unter. Dagegen erhoben X.________ und Y.________ Beschwerde beim Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau (nachfolgend: DJS) und verlangten insbesondere, Z.________ für die Dauer des Obhutsentzugs bei den Grosseltern unterzubringen. Zudem ersuchten sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Mit Zwischenentscheid vom 5. Juni 2006 bewilligte das DJS den Beschwerdeführern die unentgeltliche Rechtpflege. Da ihr Rechtsvertreter nicht als Anwalt im thurgauischen Register eingetragen ist, wurde er nicht zum unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt. In der Folge nahm Rechtsanwältin W.________ bis am 27. November 2009 die Interessen der Beschwerdeführer wahr. Am 10. Oktober 2009 meldeten sich X.________ und Y.________ nach C.________ ab. Die Vormundschaftsbehörde A.________ ersuchte diejenige von C.________ am 4. Januar 2010 um Übernahme der Beistandschaft für Z.________. Durch den nunmehr bestellten Rechtsvertreter Adriano Marti zogen sie am 7. Januar 2010 die Beschwerde zurück, worauf das DJS das Verfahren mit Entscheid vom 29. Januar 2010 als erledigt abschrieb (Ziff. 1). Die Kosten für den bereits erteilten Gutachterauftrag sowie die Entscheidgebühr wurde den Beschwerdeführern auferlegt (Ziff. 2). Zudem entschädigte das DJS Rechtsanwältin W.________ für ihre unentgeltliche Rechtsvertretung mit Fr. 5'013.70 (Ziff. 3). Rechtsanwalt Adriano Marti wurde hingegen den Beschwerdeführern nicht als unentgeltlicher Rechtsvertreter bewilligt und für seine Tätigkeit nicht entschädigt (Ziff. 4).
 
B.
 
Gegen die Kosten- und Entschädigungsregelung sowie die Verweigerung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes durch das DJS gelangten X.________ und Y.________ an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau. Sie verlangten zudem für das Rechtsmittelverfahren die unentgeltliche Rechtspflege. Das Verwaltungsgericht hiess die Beschwerde teilweise gut und hob Ziff. 2 des Departementsentscheides auf. Es erhob keine Kosten und wies das Gesuch ab, Rechtsanwalt Adriano Marti zum unentgeltlichen Rechtsbeistand vor seiner Instanz zu ernennen.
 
C.
 
X.________ und Y.________ sind mit Beschwerde in Zivilsachen vom 6. September 2010 an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführer beantragen die Ernennung von Rechtsanwalt Adriano Marti zum unentgeltlichen Rechtsbeistand für das Verfahren vor dem DJS und die Rückweisung der Sache zur Festlegung seiner Entschädigung. Für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht verlangen sie die volle Prozessentschädigung von Fr. 2'400.--. Zudem stellen sie für das bundesgerichtliche Verfahren das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
 
Das DJS und das Verwaltungsgericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG) betreffend die Verweigerung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes. Dabei handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gut zu machenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131). In der Hauptsache geht es um eine vormundschaftliche Obhutsregelung, womit die Beschwerde in Zivilsachen auch gegen den Zwischenentscheid gegeben ist (Art. 72 Abs. 2 Ziff. 7 BGG; BGE 133 III 645 E. 2.2 S. 647).
 
1.2 Es können sämtliche Beschwerdegründe vorgebracht werden (Art. 95 ff. BGG). Soweit die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht wird, gilt das Rügeprinzip, demzufolge das Bundesgericht nur klar und einlässlich sowie nach Möglichkeit belegte Vorbringen prüft (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 III 589 E. 2 S. 591). Zudem ist das Bundesgericht an den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt gebunden (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Soweit die Beschwerdeführer diesen ergänzen wollen, ohne darzutun, in welcher Weise sich die tatbeständliche Grundlage in entscheidender Weise ändert und dadurch die Rechtsanwendung fehlerhaft war, sind ihre Vorbringen nicht zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für ihre Schilderungen zur Tätigkeit der Vormundschaftsbehörde und von Rechtsanwältin W.________.
 
2.
 
Wer um unentgeltliche Rechtspflege ersucht, hat grundsätzlich keinen verfassungsmässigen Anspruch auf freie Anwaltswahl. Eine Ausnahme wird in der Praxis gemacht, wenn bereits ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt besteht oder der Anwalt sich in einem vorangegangenen Verfahren bereits mit der Sache befasst hat (BGE 113 Ia 69 E. 5c S. 71). Zudem können auch sprachliche Gründe und damit die rechtsgenügliche Vertretung eine Rolle spielen (BGE 95 I 409 E. 5 S. 412; Urteil 5A_175/2008 vom 8. Juli 2008 E. 5.1 mit weiteren Hinweisen). Ob einem nicht im Register des betreffenden Kantons eingetragenen Anwalt der Zugang zu amtlichen Mandaten zu gewähren ist, wird im Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte vom 23. Juni 2000 (BGFA; SR 935.61) nicht geregelt. Insbesondere betrifft die in Art. 4 BGFA festgelegte interkantonale Freizügigkeit der Anwälte diesen Sachverhalt nicht. Auch aus der Pflicht, im eigenen Kanton amtliche Mandate übernehmen zu müssen (Art. 12 lit. g BGFA), kann kein Zugang zu solchen Mandaten in anderen Kantonen abgeleitet werden. Es bleibt damit weiterhin Sache der Kantone, die Voraussetzungen für die Ernennung eines unentgeltlichen Prozessbeistandes zu umschreiben und eine solche auf im Register ihres Kantons registrierte Anwälte zu beschränken. Dabei spielen vor allem Gründe des öffentlichen Interesses wie die bessere Gewährleistung der Aufsichts- und Disziplinargewalt eine wesentliche Rolle (Urteil 5A_175/2008 vom 8. Juli 2008 E. 5.1).
 
2.1 Die Beschwerdeführer machen eine Verletzung die Verletzung von Art. 4 BGFA und des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (recte: Vorrang des Bundesrechts nach Art. 49 Abs. 1 BV) geltend. Sie werfen der Vorinstanz zudem vor, ihre diesbezüglichen Ausführungen zur Vereinbarkeit von § 81 des kantonalen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 23. Februar 1981 (RB-Nr. 170.1; VRG/TG) mit Art. 4 BGFA nicht berücksichtigt und damit ihr rechtliches Gehör verletzt zu haben.
 
2.2 Es trifft zu, dass sich das Verwaltungsgericht im nunmehr angefochtenen Entscheid im Hinblick auf die Ernennung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes nicht mit der bundesrechtlichen Bestimmung von Art. 4 BGFA bzw. deren Vorrang gegenüber kantonalem Recht und insbesondere § 81 VRG/TG befasst hat. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer hatten sie sich in ihrer kantonalen Beschwerde dazu auch gar nicht geäussert; sie hatten einzig das Verhältnis von interkantonaler Freizügigkeit und kantonalen Anwaltsregister thematisiert. Von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) kann damit nicht die Rede sein (vgl. BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 236).
 
2.3 Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer hat das Bundesgericht im Urteil 5A_175/2008 vom 8. Juli 2008 keine Verletzung von Art. 4 BGFA durch das in § 81 Abs. 2 VRG/TG statuierte Erfordernis der Eintragung im kantonalen Anwaltsregister festgestellt. Es hat sich überdies zur Bedeutung dieses Erfordernisses - mangels Rüge - gar nicht geäussert. Auch der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden, wenn sie meint, das Bundesgericht habe ihre Praxis zu § 81 Abs. 2 VRG/TG gegenüber ausserkantonalen Anwälten geschützt. Hingegen hat es festgehalten, dass auch mit dem Inkrafttreten von Art. 4 BGFA die Kantone weiterhin die Voraussetzungen zur Ernennung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes festlegen (E. 2).
 
2.4 Nach Ansicht der Beschwerdeführer ist der Wortlaut von § 81 Abs. 2 VRG/TG klar, als dass mit der Ausdrucksweise "im kantonalen Anwaltsregister eingetragen" jedes Anwaltsregister gemeint sei. Das Gesetz erwähne nicht, dass es nur um das Anwaltsregister des Kantons Thurgau gehe. Inwieweit nur diese Auslegung einer kantonalen Bestimmung ein unhaltbares Ergebnis verhindern sollte, legen die Beschwerdeführer nicht dar. Damit kommen sie ihrer Begründungspflicht im Hinblick auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte und insbesondere des Willkürverbotes (Art. 9 BV) nicht nach. Auf die Rüge kann daher nicht eingetreten werden.
 
2.5 Damit erweist sich die Weigerung der Vorinstanz, den Anwalt der Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem DJS ab Dezember 2009 zum unentgeltlichen Rechtsbeistand zu ernennen, nicht als bundesrechtswidrig, und eine willkürliche Anwendung kantonalen Rechts konnte nicht geprüft werden.
 
3.
 
Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführern im Hinblick auf die bei ihr eingereichte Beschwerde die unentgeltliche Rechtspflege verweigert, da die Belege zur ihrer wirtschaftlichen Situation nicht vollständig seien. Zudem komme die Ernennung ihres Anwaltes zum unentgeltlichen Rechtsbeistand nicht in Frage; ein besonderes Vertrauensverhältnis, welches ausnahmsweise die Berücksichtigung eines ausserkantonalen Anwaltes nahelege, sei nicht gegeben. Mit dieser Begründung setzen sich die Beschwerdeführer mit keinem Wort auseinander. Sie bestehen lediglich auf einer Entschädigung ihres Anwaltes für die geschilderte Tätigkeit. Ob sie zu dieser Rüge berechtigt sind, kann offen bleiben, da es ohnehin an einer rechtsgenüglichen Begründung fehlt.
 
4.
 
Nach dem Gesagten ist der Beschwerde insgesamt kein Erfolg beschieden. Soweit darauf überhaupt eingetreten werden konnte, erweisen sich die Rechtsbegehren als von vornherein aussichtslos. Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann daher nicht stattgegeben werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Ausgangsgemäss sind die Kosten den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
 
3.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 26. November 2010
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
 
Hohl Levante
 
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