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Informationen zum Dokument  BGer 6B_699/2010  Materielle Begründung
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BGer 6B_699/2010 vom 13.12.2010
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_699/2010
 
Urteil vom 13. Dezember 2010
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Favre, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
 
Gerichtsschreiber Briw.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________, vertreten durch Advokat Dr. Luc Saner,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001 Basel,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Strafzumessung (Widerhandlung gegen das BetmG),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 30. April 2010.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die aus Nigeria stammenden X.________, A.________ und B.________ reisten in den Jahren 2001/2002 in die Schweiz ein und stellten unter falschem Namen Asylgesuche. Auf zwei Asylgesuche wurde nicht eingetreten und das dritte abgewiesen, jeweils mit Wegweisungsverfügung. Nach der Anklageschrift hielten sie sich bis zu ihrer Festnahme am 19. Juli bzw. 9. August 2006 rechtswidrig in der Schweiz auf und ergaben sich dem schweren Kokainhandel.
 
B.
 
Das Strafgericht Basel-Stadt bestrafte am 7. März 2008 X.________ wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das BetmG und mehrfacher Geldwäscherei mit 9 ½ Jahren Freiheitsstrafe, A.________ wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das BetmG und mehrfacher Geldwäscherei mit 9 ½ Jahren Freiheitsstrafe und B.________ wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das BetmG mit 8 Jahren Freiheitsstrafe, jeweils unter Anrechnung der Untersuchungshaft.
 
Gegen dieses Urteil appellierten die Staatsanwaltschaft und alle drei Beschuldigten. Infolge einer psychiatrischen Begutachtung von A.________ wurde das Strafverfahren aufgeteilt und zunächst nur gegen die beiden anderen Appellanten weitergeführt.
 
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt verurteilte am 30. April 2010 X.________ wegen qualifizierter Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 1 und 2 lit. a, b und c BetmG sowie mehrfacher Geldwäscherei zu 11 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe (unter Anrechnung der seit dem 19. Juli 2006 erstandenen Haft) und B.________ wegen qualifizierter Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 1 und 2 lit. a, b und c BetmG zu 10 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe (unter Anrechnung der seit dem 19. Juli 2006 erstandenen Haft).
 
C.
 
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das appellationsgerichtliche Urteil aufzuheben, ihn zu 3 ½ Jahren Freiheitsstrafe zu verurteilen (unter Anrechnung der seit dem 19. Juli 2006 erstandenen Haft), eventuell die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, und ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Auf die umfangreichen Vorbringen von Tatsachen, rechtspolitischen Ansichten und Meinungen zum internationalen Drogenhandel ist nicht einzutreten.
 
2.
 
Der Beschwerdeführer will die "Illusion der Repression" aufzeigen. Die Vorinstanz gehe aber auf die beantragte Praxisänderung bei der Strafzumessung in schweren Fällen nicht ein und verletze damit Art. 50 StGB. Sie habe weder seine Kritik berücksichtigt, die zu repressive Drogenpolitik sei illusorisch und wirkungslos, noch seinen Vorschlag, die hierarchische Stellung eines Drogenhändlers als zentrales Kriterium für die Strafzumessung einzuführen. Damit übersehe sie, dass illusorisches und wirkungsloses staatliches Handeln ebenso unverhältnismässig sei wie die drakonische Bestrafung einer untergeordneten Person in einer gigantischen Maschinerie (mit Hinweis auf Art. 5 BV). Diese beiden Argumente müssten zu seinen Gunsten im Rahmen von Art. 19 BetmG in Konkretisierung von Art. 47 Abs. 2 StGB berücksichtigt werden. Bei einem Handel mit 70 kg Kokain werde bereits von enormen Mengen gesprochen, obwohl das Volumen des schweizerischen Kokainmarktes in der Grössenordnung von 10 Tonnen pro Jahr liege. Es handle sich bei ihm um einen Händler im Promillebereich des in der Schweiz gehandelten Kokains. Er sei ein kleines, unbedeutendes Rädchen in einer riesigen Maschinerie gewesen. Die Strafbestimmungen des BetmG bildeten eine Sonderjustiz: Nach dem bürgerlichen Strafrecht wäre Drogenhandel eine straflose Teilnahme an einer bewussten Selbstschädigung. Eine Praxisänderung sei angezeigt.
 
3.
 
Die Vorinstanz stellt fest, die Kritik an der erstinstanzlichen Strafzumessung sei im Wesentlichen rechtspolitisch begründet und könne daher in dieser Form nicht berücksichtigt werden. Die Drogenmenge bilde nicht das alleinige Kriterium. Ein Handel im zweistelligen Kilobereich müsse sich aber verschuldensmässig erheblich auswirken. Es sei von einem ausserordentlich schweren Verschulden auszugehen. Der Beschwerdeführer habe in dem von Nigerianern in Holland organisierten Kokainring hierarchisch wohl nicht der obersten Führungsebene angehört, sei aber auch kein reiner Befehlsempfänger gewesen, der beliebig austauschbar gewesen wäre. Die Angeklagten seien offenkundig Dreh- und Angelpunkt zwischen den ausländischen Organisatoren und den Verkäufern des Stoffes in der Schweiz gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich für rund 70 kg zu verantworten.
 
4.
 
In Fällen schwerer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss der Strafzumessungsregel von Art. 19 Ziff. 2 BetmG (vgl. BGE 129 IV 188 E. 3.3) reicht der Strafrahmen der Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr bis zu 20 Jahren (Art. 19 Ziff. 1 BetmG i.V.m. Art. 40 StGB). Ein mengenmässig schwerer Fall ist bei 18 g Kokain gegeben (BGE 109 IV 143). Der Drogenmenge kommt zwar keine vorrangige Bedeutung zu. Sie ist eine Strafzumessungstatsache neben anderen. Dem Ausmass eines qualifizierenden Umstandes ist aber Rechnung zu tragen (BGE 118 IV 342 E. 2c). Auch ein banden- oder gewerbsmässiges Verhalten erhöht das Verschulden in der Regel ganz erheblich. Qualifizierter Drogenhandel im Mehrkilobereich indiziert regelmässig einen intensiveren verbrecherischen Willen und damit ein entsprechend schwereres Verschulden (Art. 47 StGB). Das rechtfertigt erhöhte Strafen.
 
Der Beschwerdeführer hat sich in mengen-, banden- und gewerbsmässig qualifizierter Form des schweren Betäubungsmittelhandels strafbar gemacht (Art. 19 Ziff. 2 lit. a, b und c BetmG). Diese Strafzumessungsgründe und das Ausmass der mengenmässigen Qualifikation bewirken eine massive Erhöhung des Strafmasses. Er handelte nicht als "unbedeutendes Rädchen in einer riesigen Maschinerie", wie er geltend macht, sondern in der von ihm individuell zu verantwortenden Stellung als Dreh- und Angelpunkt zwischen den ausländischen Organisatoren und den Verkäufern des Stoffes in der Schweiz. Diese hierarchische Stellung ist zusätzlich straferhöhend zu gewichten. Die Strafe ist weiter infolge des Schuldspruchs wegen Geldwäscherei zu schärfen (Art. 49 Abs. 1 StGB). Die angefochtene Strafzumessung hält sich im Rahmen des der Vorinstanz bundesrechtlich zustehenden Strafzumessungsermessens (BGE 134 IV 17 E. 2.1). Sie ist hinreichend begründet und verletzt kein Bundesrecht.
 
Zu einer Praxisänderung gibt dieser Fall keinen Anlass. Die beantragte Unterschuldstrafe wäre mit Art. 19 BetmG in Verbindung mit Art. 47 StGB nicht vereinbar. Es wird auch nicht einsichtig, wie sich eine massiv mildere Bestrafung des schweren Betäubungsmittelhandels als wirkungsvoller erweisen sollte. Selbst wenn das Strafrecht Straftaten nicht verhindern könnte, zeigt es als ultima ratio die Grenzen des Verhaltens auf und erzwingt die individuelle strafrechtliche Verantwortung.
 
5.
 
Die Beschwerde ist unbegründet und abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG) ist wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsbegehrens abzuweisen. Entsprechend sind dem Beschwerdeführer die Kosten aufzuerlegen. Der finanziellen Lage ist mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 und Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 13. Dezember 2010
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Favre Briw
 
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