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Informationen zum Dokument  BGer 9C_685/2010  Materielle Begründung
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BGer 9C_685/2010 vom 07.01.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
9C_685/2010
 
Urteil vom 7. Januar 2011
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
 
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Glanzmann,
 
Gerichtsschreiber R. Widmer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
C.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt J. Mischa Mensik,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. Juni 2010.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1958 geborene C.________ war bis 31. März 2004 bei der Firma S.________ AG als angelernter Betriebsmitarbeiter angestellt. Am 22. November 2004 meldete er sich unter Hinweis auf einen Gehörschaden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gestützt auf die in medizinischer und erwerblicher Hinsicht getroffenen Abklärungen, namentlich ein Gutachten des Zentrum X.________, vom 20. Juni 2006, sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich C.________ mit Verfügung vom 24. Oktober 2008 ab 1. Oktober 2008 bei einem Invaliditätsgrad von 43 % eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zu. Mit weiteren Verfügungen vom 3. Dezember 2008 gewährte die IV-Stelle dem Versicherten für die Zeitspanne von Dezember 2003 bis Juli 2004 eine ganze Invalidenrente, von August 2004 bis Juni 2006 eine Dreiviertelsrente sowie von Juli 2006 bis Mai 2007, in den Monaten Juli und August 2007 sowie von März bis September 2008 je eine Viertelsrente der Invalidenversicherung.
 
B.
 
C.________ liess die Verfügung vom 24. Oktober 2008 und in der Folge sämtliche Verfügungen vom 3. Dezember 2008, mit welchen ihm eine Viertelsrente zugesprochen worden war, beschwerdeweise anfechten mit dem Antrag auf Zusprechung mindestens einer halben Invalidenrente. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich vereinigte die beiden Verfahren. Mit Entscheid vom 11. Juni 2010 wies es die Beschwerden ab.
 
C.
 
C.________ liess Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem sinngemässen Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei ihm ab 1. Juli 2006 mindestens eine halbe Invalidenrente zuzusprechen; eventuell sei die Sache zu ergänzenden Abklärungen und neuer Entscheidung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
 
2.
 
In der Verfügung der IV-Stelle vom 24. Oktober 2008, auf welche die Vorinstanz Bezug nimmt, ist die Bestimmung über die Änderung des Leistungsanspruchs bei einer Verbesserung der Erwerbsfähigkeit (Art. 88a Abs. 1 IVV) wiedergegeben, welche nach der Rechtsprechung nebst der Revisionsbestimmung des Art. 17 Abs. 1 ATSG analog anzuwenden ist, wenn rückwirkend eine abgestufte oder befristete Invalidenrente zugesprochen wird, weil noch vor Erlass der ersten Rentenverfügung eine anspruchsbeeinflussende Änderung eingetreten ist mit der Folge, dass dann gleichzeitig die Änderung mitberücksichtigt wird (Urteile 9C_233/2009 vom 6. Mai 2009 und 8C_87/2009 vom 16. Juni 2009). Die Vorinstanz hat sodann die Rechtsprechung zu den anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen und den Kriterien, welche erfüllt sein müssen, damit in Ausnahmefällen auf Unzumutbarkeit einer willentlichen Schmerzüberwindung und eines Wiedereinstiegs in den Arbeitsprozess zu schliessen ist (BGE 130 V 352), zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.
 
3.
 
3.1 Gestützt auf das Gutachten des Zentrum X.________ vom 20. Juni 2006 und die Einschätzung des Dr. med. W.________, Regionaler Ärztlicher Dienst, vom 29. September 2008 stellte das Sozialversicherungsgericht fest, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Begutachtung in einer leidensangepassten Tätigkeit lediglich aus psychiatrischer Sicht noch zu 20 % eingeschränkt gewesen sei. Die Beeinträchtigung sei auf die anhaltende somatoforme Schmerzstörung und die leichte depressive Episode zurückzuführen gewesen. Die aus psychiatrischer Sicht bescheinigte Teilarbeitsunfähigkeit von 20 % vermöge jedoch keine für die Invaliditätsbemessung relevante Arbeitsunfähigkeit gleichen Ausmasses zu begründen. Aus rechtlicher Sicht sei die Arbeitsunfähigkeit von 20 % unerheblich; die praxisgemäss erforderlichen Kriterien seien nicht erfüllt. Insbesondere sei keine Komorbidität von erheblicher Schwere, Intensität, Ausprägung und Dauer ausgewiesen. Auszugehen sei daher von voller Arbeitsfähigkeit. Insgesamt erscheine die Invaliditätsbemessung der IV-Stelle, die von einer um 20 % reduzierten Arbeitsfähigkeit und einem leidensbedingten Abzug vom Tabellenlohn von 10 % ausging, woraus sich der Invaliditätsgrad von 43 % ergab, als grosszügig.
 
3.2 Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, die Arbeitsunfähigkeit betrage 50 %. Die Vorinstanz habe die nach der Begutachtung im Zentrum X.________ eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht beachtet. Ferner sei der Abzug vom Tabellenlohn zu erhöhen. Zu guter Letzt seien die Vergleichseinkommen zu parallelisieren, weil der von ihm erzielte Lohn erheblich unter dem branchenüblichen Durchschnittslohn gelegen habe.
 
4.
 
4.1 Aufgrund der vorstehend wiedergegebenen, verbindlichen Feststellungen des Sozialversicherungsgerichts ist erwiesen, dass im Gesundheitszustand des Versicherten bis zum Zeitpunkt der Begutachtung im Zentrum X.________ (Mai 2006) im Vergleich zur Situation, welche für den vorangehenden Zeitraum gemäss Verfügung vom 3. Dezember 2008 die Gewährung einer Dreiviertelsrente begründet hatte, eine erhebliche Verbesserung eingetreten war, von welcher im Sinne von Art. 88a Abs. 1 Satz 1 IVV angenommen werden kann, dass sie voraussichtlich längere Zeit dauern werde. Die Herabsetzung der Dreiviertels- auf eine Viertelsrente der Invalidenversicherung ab 1. Juli 2006 ist damit gerechtfertigt.
 
4.2 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Vorinstanz habe die nach der Begutachtung durch das Zentrum X.________ erstatteten Arztberichte nicht berücksichtigt, kann ihm nicht gefolgt werden. Das Sozialversicherungsgericht hat die nach Juni 2006 verfassten Arztberichte zitiert und in die Beurteilung miteinbezogen. Wenn es zur Hauptsache auf das Administrativgutachten des Zentrum X.________ abgestellt hat, ist dies eine Frage der Beweiswürdigung, die als Tatfrage grundsätzlich nur unter der Voraussetzung der offensichtlich unrichtigen oder sonstwie bundesrechtswidrigen Sachverhaltsfeststellung einer Überprüfung durch das Bundesgericht zugänglich ist (E. 1 hievor), was hier nicht zutrifft. Die umfangreichen Vorbringen des Beschwerdeführers, die sich mit der vorinstanzlichen Beweiswürdigung befassen, sind daher als unzulässige appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht zu beachten.
 
4.3 Die Vorinstanz hat einen leidensbedingten Abzug vom Invalideneinkommen (Tabellenlohn) von 10 % vorgenommen. Die Höhe des im konkreten Fall grundsätzlich angezeigten Leidensabzuges ist eine Ermessensfrage, deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nurmehr dort zugänglich ist, wo das kantonale Gericht das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung vorliegt (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). Da keine rechtsfehlerhafte Ermessensausübung erkennbar ist, ist eine Erhöhung des leidensbedingten Abzuges entgegen den Einwendungen des Beschwerdeführers ausgeschlossen.
 
4.4
 
4.4.1 Was schliesslich den Einkommensvergleich bei Versicherten betrifft, die vor Eintritt der Invalidität einen unterdurchschnittlichen Lohn verdient haben, kann nach der Rechtsprechung eine Abweichung des zuletzt tatsächlich erzielten Verdienstes vom branchenüblichen Tabellenlohn um mindestens 5 % eine Parallelisierung der Vergleichseinkommen rechtfertigen (BGE 135 V 297 E. 6.1.2 S. 302).
 
4.4.2 Die Vorinstanz ging für den Einkommensvergleich von einem hypothetischen Einkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen) in der Höhe von Fr. 74'339.-, einem Invalideneinkommen von Fr. 59'197.- (Tabellenlohn) sowie einem leidensbedingten Abzug von 10 % aus, woraus sich der Invaliditätsgrad von 43 % ergab. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers ist der Arbeitgeberbescheinigung der Firma S.________ AG, vom 10. Februar 2005 nicht zu entnehmen, dass er an dieser Stelle als angelernter Produktionsmitarbeiter ein unüblich tiefes Einkommen erzielt hat. Im Gegenteil: Laut Angaben der Firma S.________ AG betrug sein letzter ahv-pflichtiger Lohn im Jahr 2004 Fr. 67'340.-. Dieser wäre zusätzlich der Nominallohnentwicklung bis 2006 anzupassen, da die Invalidenrente ab 1. Juli 2006 verfügungsweise herabgesetzt wurde. Eine solche Angleichung kann indessen im vorliegenden Fall unterbleiben, ist doch das zuletzt (im Jahr 2004) tatsächlich erzielte Einkommen auch ohne eine Anpassung an die Lohnentwicklung höher als der Tabellenlohn: Der branchenübliche Jahreslohn im Papier- und Kartongewerbe belief sich gemäss Lohnstrukturerhebung 2006 des Bundesamtes für Statistik, Tabelle TA 1, für Männer bei 40 Arbeitsstunden in der Woche im Anforderungsniveau 4 (einfache und repetitive Tätigkeiten) auf durchschnittlich Fr. 62'712.- (12 x Fr. 5226.-) und umgerechnet auf eine betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit von 41,7 Stunden (Die Volkswirtschaft 2007 I Heft 9 S. 98) auf Fr. 65'377.-. Somit erreichte der Beschwerdeführer an seiner letzten Arbeitsstelle einen überdurchschnittlichen Lohn. Eine Parallelisierung der hypothetischen Einkommen entfällt unter diesen Umständen. Der Beschwerdeführer hat ab 1. Juli 2006 zufolge einer Verbesserung der gesundheitlichen Situation bei einem Invaliditätsgrad von 43 % noch Anspruch auf eine Viertelsrente der Invalidenversicherung, wie die Vorinstanz zu Recht erkannt hat.
 
5.
 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse AGRAPI und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 7. Januar 2011
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Meyer Widmer
 
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