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Informationen zum Dokument  BGer 6B_1047/2010  Materielle Begründung
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BGer 6B_1047/2010 vom 28.02.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_1047/2010
 
Urteil vom 28. Februar 2011
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Favre, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
 
Gerichtsschreiberin Horber.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Séverine Zimmermann,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 31. August 2010.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach in Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheids X.________ mit Urteil vom 31. August 2010 der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig. Es verurteilte ihn unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft von 678 Tagen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren.
 
B.
 
Gegen dieses Urteil erhebt X.________ Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 31. August 2010 sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem sei ihm die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren und Rechtsanwältin Zimmermann als unentgeltliche Rechtsvertreterin beizuordnen.
 
C.
 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Die Vorinstanz geht von folgendem Sachverhalt aus:
 
Am 28. September 2007 nahmen Polizeibeamte A.________, B.________ und C.________ in einer Garage in Riniken/AG fest, als diese versuchten, aus einem Personenwagen Drogen - gesamthaft 24.5 kg Heroin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgrad von 55 % - auszubauen. Das Heroin stammte aus der Türkei und wurde in genanntem Personenwagen vom Kurier D.________ in die Schweiz gebracht. Der Beschwerdeführer wirkte an der Drogeneinfuhr im Hintergrund als Organisator und Koordinator mit. Insbesondere verhandelte er am 16. September 2007 telefonisch mit seinem türkischen Bekannten E.________ über die Menge, die geliefert werden sollte. Zudem erkundigte er sich am 27. und 28. September 2007 mehrmals bei A.________ über den Stand der Dinge betreffend Ausbau der Drogen aus dem Personenwagen.
 
2.
 
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe den Sachverhalt falsch erstellt, und ihr Entscheid verletze den Grundsatz "in dubio pro reo" im Sinne von Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK.
 
Insbesondere sei der Inhalt der am 16., 27. und 28. September 2007 vom Beschwerdeführer geführten Telefongespräche derart vage, dass alles hineininterpretiert werden könne. Daraus lasse sich allenfalls schliessen, der Beschwerdeführer habe von der Drogenlieferung gewusst, was jedoch nicht strafbar sei. Hinweise für eine Beteiligung an der Drogeneinfuhr seien nicht vorhanden. Daher würden nicht zu unterdrückende Zweifel daran bestehen, ob sich der Sachverhalt wie durch die Vorinstanz erstellt zugetragen habe. Diese übersehe zudem, dass es nicht Sache des Beschwerdeführers sei, seine Unschuld zu beweisen, wenn sie beanstande, er habe in seinen Aussagen keine befriedigende alternative Erklärung für die Telefongespräche abgegeben.
 
3.
 
Die Vorinstanz stützt ihre Beweiswürdigung hauptsächlich auf verschiedene vom Beschwerdeführer geführte Telefongespräche. Diese wurden im Rahmen einer bewilligten Telefonüberwachung aufgezeichnet und aus der türkischen sowie der zazaischen Sprache ins Deutsche übersetzt protokolliert.
 
Massgeblich sind gemäss Vorinstanz insbesondere drei Gespräche des Beschwerdeführers mit A.________ am 27. und am 28. September 2007, unmittelbar vor dessen Verhaftung. Der Beschwerdeführer habe sich mehrmals beim Genannten erkundigt, was sie machen würden. Dieser habe unter anderem geantwortet, sie würden es nicht schaffen, es herauszunehmen. Die Bestimmung des Antennenstandorts habe ergeben, dass A.________ sich im Zeitpunkt des Gespräches in Riniken aufgehalten habe. Der Beschwerdeführer habe daraufhin wissen wollen, ob sie nichts machen könnten und habe dies sehr schlecht gefunden. Die Vorinstanz erwägt, der Inhalt der Gespräche sei zwar sehr unbestimmt und der Gegenstand, um den es gehe, werde nie wirklich benannt. Jedoch setze ein solcher Dialog voraus, dass beide Gesprächspartner den Gesprächsgegenstand genau kennen, ansonsten eine Verständigung kaum möglich sei. Das Verhalten des Beschwerdeführers zeige zudem, dass er ein persönliches Interesse am Gelingen des Drogenausbaus habe.
 
Weiter würdigt die Vorinstanz den Inhalt eines Gesprächs vom 16. September 2007 zwischen dem Beschwerdeführer und einem türkischen Bekannten namens E.________. Dieser habe vom Beschwerdeführer wissen wollen, wie viel es denn sein solle, worauf einige Zahlen - 30, 40 und schliesslich 20 - genannt worden seien. Im selben Telefongespräch habe E.________ eine Frau erwähnt, die schätzungsweise 23.5 Jahre alt sei, worauf der Beschwerdeführer erwidert habe, jünger als 25 Jahre solle sie nicht sein. Die Vorinstanz deutet dieses Gespräch dahingehend, dass die beiden eine codierte Sprache verwenden würden. Beim genannten Alter der Frau handle es sich um die Drogenmenge, auf die sie sich geeinigt hätten. Die beschlagnahmte Menge von 24.5 kg Heroin entspreche dieser vereinbarten Menge.
 
In einem Telefongespräch am 9. August 2007 habe der Beschwerdeführer E.________ um Hilfe gebeten. Ein Kollege von ihm komme nach Istanbul und benötige ein Auto. Er wolle einen Passat Diesel, nicht älter als Baujahr 1997, und habe 15 Milliarden. Die Vorinstanz zieht in Erwägung, beim Personenwagen, in dem das Heroin in Riniken gefunden worden sei, handle es sich um einen VW Passat Diesel, Baujahr 1997. Dies sei eine auffallende Koinzidenz und spreche für eine Beteiligung des Beschwerdeführers an der Drogeneinfuhr.
 
Am 24. September 2007, am Tag an dem der Drogenkurier die Türkei mit der Lieferung verlassen habe, habe der Beschwerdeführer erneut mit E.________ telefoniert, wobei dieser gesagt habe, er zähle die Tage und hoffe, er könne seinen Militärdienst ohne Probleme abschliessen. Die Vorinstanz erwägt, gemäss Beschwerdeführer sei E.________ etwa 40 Jahre alt. In der Türkei werde der Militärdienst als junger Mann geleistet, weshalb der Inhalt des Gesprächs dahingehend zu deuten sei, E.________ habe in codierter Form vom Drogentransport gesprochen.
 
Die Vorinstanz würdigt sodann weitere Telefonate, unter anderem drei Gespräche vom 29. und 30. September 2007 zwischen dem Beschwerdeführer und E.________, in denen sie über den Verbleib der drei Kollegen werweissen.
 
In ihrer Beweiswürdigung gelangt die Vorinstanz zur Ansicht, der Beschwerdeführer nehme auf der Abnehmerseite eine entscheidende Funktion im Drogengeschäft ein. So sei er im Rahmen der arbeitsteiligen Organisation der Drogeneinfuhr als Koordinator im Hintergrund tätig gewesen.
 
3.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie willkürlich (Art. 9 BV) ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 134 IV 36 E. 1.4.1 mit Hinweis). Die Rüge der Willkür muss in der Beschwerdeschrift anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht und begründet werden, ansonsten darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 I 65 E. 1.3.1 mit Hinweisen).
 
Aus der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung wird der Grundsatz "in dubio pro reo" abgeleitet. Als Beweislastregel bedeutet die Maxime, dass es Sache der Anklagebehörde ist, die Schuld des Angeklagten zu beweisen, und nicht dieser seine Unschuld nachweisen muss. Diese Regel ist demnach verletzt, wenn der Strafrichter einen Angeklagten (einzig) mit der Begründung verurteilt, er habe seine Unschuld nicht nachgewiesen. Als Beweiswürdigungsregel besagt der Grundsatz, dass sich der Strafrichter nicht von der Existenz eines für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat (BGE 127 I 38 E. 2a).
 
3.2 Für die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat gibt es keine objektiven Sachbeweise, die dessen Täterschaft direkt belegen würden. Die Vorinstanz stützt sich in ihrer Beweiswürdigung im Wesentlichen auf Telefongespräche, in denen seine Tatbeteiligung nur indirekt zum Ausdruck kommt. Er wurde somit in einem reinen Indizienprozess verurteilt (vgl. auch vorinstanzliches Urteil, S. 14 f.). Liegen keine direkten Beweise vor, ist nach der Rechtsprechung auch ein indirekter Beweis zulässig. Beim Indizienbeweis wird aus bestimmten Tatsachen, die nicht unmittelbar rechtserheblich, aber bewiesen sind (Indizien), auf die zu beweisende, unmittelbar rechtserhebliche Tatsache geschlossen. Eine Mehrzahl von Indizien, die für sich alleine nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf die Täterschaft oder die Tat hinweisen und einzeln betrachtet die Möglichkeit des Andersseins offen lassen, können einen Anfangsverdacht verstärken und in ihrer Gesamtheit ein Bild erzeugen, das bei objektiver Betrachtung keine Zweifel bestehen lässt, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat (Urteil 6B_781/2010 vom 13. Dezember 2010 E. 3.2 mit Hinweisen).
 
Die Vorinstanz nimmt eine ausführliche Würdigung der Beweise vor. Die einzelnen Telefongespräche gewähren zwar einen weiten Interpretationsspielraum und stellen für sich alleine betrachtet keinen Beweis für die Täterschaft des Beschwerdeführers dar. In ihrer Gesamtheit lassen sie jedoch kaum Raum für eine den Beschwerdeführer entlastende Deutung der Vorkommnisse. Zu gross wären die Zufälle bezüglich Heroinmenge, Marke des Personenwagens sowie des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Telefongesprächen und Tatgeschehen, als dass eine andere Würdigung der Beweise überzeugen würde. Die Vorinstanz setzt sich zudem mit den Vorbringen des Beschwerdeführers eingehend auseinander und erläutert, weshalb dessen Darstellung des Sachverhalts nicht glaubhaft sei. So bringe er beispielsweise vor, er habe mit den Telefonaten vom 27. und 28. September 2007 bezweckt, seinen Kollegen A.________ vom Drogenhandel abzubringen. Die Vorinstanz erwägt zutreffend, diese Darstellung finde im Gesprächsprotokoll keine Stütze. Nebst den erwähnten Telefongesprächen befasst sie sich auch mit weiteren Telefonaten, die infolge der Telefonüberwachung aufgezeichnet wurden. Dabei gelangt sie zur Auffassung, es könne daraus nichts zum Nachteil des Beschwerdeführers - jedoch auch nichts zu dessen Vorteil - abgeleitet werden. Dies macht deutlich, dass die Vorinstanz die Beweise umsichtig und kritisch würdigt. So erwähnt sie nicht nur diejenigen Telefongespräche, die den Beschwerdeführer belasten und interpretiert sie in einer Weise, die seine Tatbeteiligung bezeugen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die vorinstanzliche Beweiswürdigung nicht willkürlich. Das Beweisergebnis lässt keine erheblichen Zweifel an seiner Beteiligung an der Drogeneinfuhr als Organisator und Koordinator.
 
Der Beschwerdeführer äusserte sich erstmals anlässlich der Berufungsverhandlung zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen, nachdem er bei früheren Einvernahmen die Aussage verweigert hatte. Die Vorinstanz würdigt diese Aussagen, gelangt jedoch zur Auffassung, sie würden keine befriedigende, alternative Erklärung der Gesprächsinterpretation liefern. Sie seien nicht überzeugend und widersprüchlich. Dies bedeutet nicht, dass die Vorinstanz dem Beschwerdeführer die Beweislast aufbürdet und ihm vorhält, er vermöge seine Unschuld nicht nachzuweisen. Vielmehr verurteilt sie ihn aufgrund des belastenden Beweisergebnisses.
 
Die vorinstanzliche Sachverhaltserstellung ist weder willkürlich noch verletzt sie die Unschuldsvermutung.
 
4.
 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist ebenfalls abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seiner finanziellen Lage ist bei der Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 28. Februar 2011
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
Favre Horber
 
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