BGer 8C_985/2010 | |||
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BGer 8C_985/2010 vom 02.05.2011 | |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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8C_985/2010
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Urteil vom 2. Mai 2011
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I. sozialrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichterin Leuzinger, präsidierendes Mitglied,
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Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
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Gerichtsschreiberin Polla.
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Verfahrensbeteiligte | |
Unfallversicherung Stadt Zürich, Stadelhoferstrasse 33, 8001 Zürich,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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S.________,
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vertreten durch Rechtsanwältin Tiziana Bänninger-Guidi,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Unfallversicherung (Prozessvoraussetzung),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Oktober 2010.
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Sachverhalt:
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A.
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Die 1945 geborene S.________ war als Krankenschwester im Heim X.________ tätig und dadurch bei der Unfallversicherung Stadt Zürich (UVZ) obligatorisch gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 12. Oktober 2001 stürzte sie bei der Arbeit und erlitt eine commotio cerebri und eine Kontusion der Halswirbelsäule. Sie litt hernach an weitgehend therapieresistenten Kopf- und Nackenschmerzen, Schwindel, beidseitigem Tinnitus sowie an einer depressiven Störung. Die UVZ erbrachte die gesetzlichen Leistungen in Form von Heilbehandlung und Taggeld. Gestützt auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten des Instituts Y.________ vom 9. September 2005 stellte die Unfallversicherung sämtliche Leistungen für das Ereignis vom 12. Oktober 2001 ab sofort ein (Verfügung vom 17. Juli 2008). Die dagegen erhobene Einsprache wies sie ab, wobei sie eine Leistungspflicht für die psychischen Beschwerden mangels adäquater Unfallkausalität verneinte (Entscheid vom 10. Dezember 2008).
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B.
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Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 29. Oktober 2010 in dem Sinne gut, als es den angefochtenen Einspracheentscheid aufhob und die Sache an die UVZ zurückwies, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Leistungsanspruch ab 17. Juli 2008 neu befinde.
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C.
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Die UVZ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids.
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Während S.________ auf Abweisung der Beschwerde schliessen lässt, hat das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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Erwägungen:
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1.
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Da die Vorinstanz die Sache zu weiteren (medizinischen) Abklärungen und neuer Verfügung an die Verwaltung zurückgewiesen hat, liegt ein Zwischenentscheid vor, der nicht im Sinne von Art. 92 BGG die Zuständigkeit oder den Ausstand betrifft und somit nur unter den Voraussetzungen des Art. 93 BGG selbstständig anfechtbar ist. Voraussetzung für die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden ist gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG zunächst, dass sie selbstständig eröffnet worden sind, was hier zutrifft. Erforderlich ist sodann alternativ, dass der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder dass die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Eine Gutheissung der Beschwerde würde zwar einen sofortigen Endentscheid herbeiführen; durch die Aufhebung kantonaler Rückweisungsentscheide, mit denen einzig eine ergänzende Sachverhaltsabklärung angeordnet wird, kann indessen nach ständiger Rechtsprechung kein bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG erspart werden, zumal auch insoweit die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden aus prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme darstellt, die restriktiv zu handhaben ist und die Parteien keiner Rechte verlustig gehen, da sie die mit dem Zwischenentscheid zusammenhängenden Fragen mit dem Endentscheid anfechten können (Urteile 8C_778/2010 vom 18. Oktober 2010, 8C_593/2008 vom 4. August 2008 E. 4, 8C_742/2007 vom 4. April 2008 E. 3, 8C_222/2007 vom 5. Mai 2008 E. 3, 8C_222/2008 vom 13. Juni 2008 E. 3 und 8C_575/2008 vom 24. Juli 2008 E. 4; vgl. statt vieler nunmehr Urteil 8C_1038/2008 vom 20. April 2009 E. 2.2 mit Hinweisen).
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2.
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Zu prüfen bleibt, ob der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken kann.
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2.1 Massgebend dafür ist, ob der Nachteil auch mit einem für die Beschwerdeführerin günstigen Entscheid in Zukunft nicht behoben werden kann. Rechtsprechungsgemäss bewirkt ein Rückweisungsentscheid in der Regel keinen irreversiblen Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, da der Rechtsuchende ihn später zusammen mit dem neu zu fällenden Endentscheid wird anfechten können (vgl. Art. 93 Abs. 3 BGG). Anders verhält es sich allerdings für die Verwaltung bzw. den Versicherungsträger, wenn diese durch den Rückweisungsentscheid gezwungen werden, eine ihres Erachtens rechtswidrige Verfügung zu treffen. Diesfalls kann bereits dieser Entscheid angefochten und braucht nicht der Endentscheid abgewartet zu werden (BGE 133 V 477 E. 5.2, 5.2.1 - 5.2.4 S. 483 ff.; Urteile 8C_531/2008 vom 8. April 2009 E. 1.2.1 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 135 V 279, aber in: SVR 2009 UV Nr. 40 S. 137, und 8C_682/2007 vom 30. Juli 2008 E. 1.2.1, nicht publ. in: BGE 134 V 392, aber in: SVR 2008 UV Nr. 31 S. 115).
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2.2 Grundsätzlich ist nur das Dispositiv, nicht aber die Begründung eines Entscheides anfechtbar. Verweist das Dispositiv eines Rückweisungsentscheides ausdrücklich auf die Erwägungen, werden diese zu dessen Bestandteil und haben, soweit sie zum Streitgegenstand gehören, an der formellen Rechtskraft teil. Dementsprechend sind die Motive, auf die das Dispositiv verweist, für die Behörde, an welche die Sache zurückgewiesen wird, bei Nichtanfechtung verbindlich. Beziehen sich diese Erwägungen auf den Streitgegenstand, ist somit auch deren Anfechtbarkeit zu bejahen (BGE 113 V 159). Die Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden wurde im BGG zwar neu geregelt; an der Verbindlichkeit des auf die Erwägungen verweisenden kantonalen Rückweisungsentscheides für die Verwaltung im Falle der Nichtanfechtung hat sich mit dem Inkrafttreten des BGG am 1. Januar 2007 indessen nichts geändert (Urteil 9C_703/2009 vom 30. Oktober 2009 E. 2.2 mit Hinweisen).
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2.3 Dispositiv-Ziffer 1 des vorinstanzlichen Entscheids weist die Sache an die Unfallversicherung Stadt Zürich zurück, "damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen über den Leistungsanspruch ab 17. Juli 2008 neu verfüge."
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Der Entscheid verweist zwar auf die Erwägungen, bezieht sich damit aber einzig auf die angeordnete Durchführung weiterer, sich zum Vorliegen und Dauer der unfallkausalen Folgen, insbesondere zur Persistenz allfälliger unfallursächlicher psychischer Beschwerden äussernder medizinischer Abklärungen. Dass das kantonale Gericht in den Entscheidmotiven zur notwendigen erneuten Abklärung auch zur Frage der anwendbaren Kriterien bei der Prüfung der adäquaten Kausalität Bezug nimmt, indem es ausführte, die Versicherte mache zu Recht geltend, dass die Adäquanzprüfung nach den in BGE 134 V 109 präzisierten Kriterien zu erfolgen habe, da nicht auszuschliessen sei, dass sie ein Schädelhirntrauma, ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule (ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle) oder einen äquivalenten Verletzungsmechanismus erlitten habe, macht den Entscheid höchstens schwer lesbar. Dadurch wurde der Unfallversicherer jedoch nicht dazu verhalten, nach den Abklärungen zur natürlichen Kausalität der allenfalls noch bestehenden gesundheitlichen Beschwerden die Beurteilung der adäquaten Unfallkausalität nach der sogenannten Schleudertrauma-Praxis mit einem Verzicht auf eine Differenzierung zwischen physischen und psychischen Komponenten (zum Ganzen: BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 112 mit Hinweisen) vorzunehmen. Denn für die Beantwortung der Frage, ob die Adäquanzprüfung nach der für Folgen eines Schleudertraumas oder einer diesem adäquanzrechtlich äquivalenten Verletzung in BGE 117 V 359 entwickelten und in BGE 134 V 109 präzisierten Weise zu erfolgen hat, muss die Zuordnung der geklagten Beschwerden insoweit geklärt sein, bevor entschieden werden kann, nach welcher Methode sich die Adäquanzprüfung richtet. Davon kann nur abgesehen werden, wenn sich zeigt, dass die Adäquanzkriterien selbst unter Annahme der für einen Versicherten in aller Regel günstigeren Variante nach BGE 134 V 109 nicht erfüllt sind (SVR 2009 UV Nr. 29 S. 101, 8C_669/2008 E. 4.2), was die Vorinstanz gerade verneint hat. Die Frage der massgebenden Methode zur allenfalls anschliessenden Adäquanzbeurteilung (Anwendung der "Schleudertrauma-Praxis" [BGE 134 V 109] oder der Praxis zu den psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall [BGE 115 V 133]) wird sich demnach erst nach den näheren Abklärungen zur natürlichen Unfallkausalität abschliessend beantworten lassen. Damit droht der Beschwerdeführerin durch den Rückweisungsentscheid des kantonalen Gerichts kein nicht wieder gutzumachender Nachteil.
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3.
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Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden UVZ aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat der Beschwerdegegnerin überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3.
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Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1000.- zu entschädigen.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 2. Mai 2011
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:
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Leuzinger Polla
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