BGer 8C_74/2011 | |||
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BGer 8C_74/2011 vom 03.06.2011 | |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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8C_74/2011
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Urteil vom 3. Juni 2011
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I. sozialrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Ursprung, Präsident,
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Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
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Gerichtsschreiberin Berger Götz.
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Verfahrensbeteiligte | |
Dienststelle Wirtschaft und Arbeit (wira), Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern, Bürgenstrasse 12, 6005 Luzern,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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E.________,
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vertreten durch Rechtsanwältin Vroni Schwitter,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungs-gerichts des Kantons Luzern, Sozialversicherungs-rechtliche Abteilung, vom 22. Dezember 2010.
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Sachverhalt:
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A.
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E.________ war seit 1989 für die X.________ AG tätig. Ihr Ehemann, G.________, ist Geschäftsführer der Gesellschaft und als einziges Verwaltungsratsmitglied mit Einzelunterschrift im Handelsregister eingetragen. Er löste das Arbeitsverhältnis mit schriftlicher Kündigung vom 14. August 2009 per 30. November 2009 auf. Am 13. November 2009 stellte E.________ für die Zeit ab 1. Dezember 2009 Antrag auf Arbeitslosenentschädigung und gab ausserdem an, dass sie seit 12. April (recte: 14. April) 2009 von ihrem Ehemann getrennt lebe. In der Folge verneinte die Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern einen Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 1. Dezember 2009 bis 2. Februar 2010 und verwies zur Begründung auf die arbeitgeberähnliche Stellung von G.________ im Betrieb und auf dessen unternehmerische Dispositionsfähigkeit; ab 3. Februar 2010 bejahte sie einen Anspruch auf Arbeitslosentaggelder unter Hinweis auf die Vereinbarung der Ehepartner vom 3. Februar 2010 betreffend Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes und Regelung der Nebenfolgen des Getrenntlebens, welche im Rahmen des Eheschutzverfahrens vor dem Amtsgerichtspräsidenten Y.________ abgeschlossen und am 26. Februar 2010 gerichtlich genehmigt worden war (Verfügung vom 25. März 2010). Auf Einsprache hin hielt die Arbeitslosenkasse an der Ablehnung der Anspruchsberechtigung für die Zeit vom 1. Dezember 2009 bis 2. Februar 2010 fest (Einspracheentscheid vom 25. Juni 2010).
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B.
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In Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die Sache an die Arbeitslosenkasse zurück, damit sie im Sinne der Erwägungen über den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Dezember 2009 neu verfüge (Entscheid vom 22. Dezember 2010).
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C.
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Die Arbeitslosenkasse führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben.
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E.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) beantragt, in Gutheissung der Beschwerde sei der kantonale Gerichtsentscheid aufzuheben; eventualiter sei der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bis 26. Februar 2010 zu verneinen; ferner sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuschicken, damit sie über die Kostenverteilung im kantonalen Verfahren neu befinde.
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Mit Eingabe vom 25. Mai 2011 lässt E.________ eine Stellungnahme zur Vernehmlassung des SECO einreichen.
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Erwägungen:
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1.
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Beim angefochtenen Rückweisungsentscheid handelt es sich, da das Verfahren noch nicht abgeschlossen wird und die Rückweisung auch nicht einzig der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient, um einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG. Die Zulässigkeit der Beschwerde setzt somit - alternativ - voraus, dass der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit. a) oder dass die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Abs. 1 lit. b). Die Vorinstanz begründet die Aufhebung des Einspracheentscheides der Beschwerdeführerin mit der Feststellung, das Ausscheiden aus dem Betrieb des Ehemannes und die Ehetrennung seien definitiv, weshalb kein Ausschlussgrund hinsichtlich der Arbeitslosentaggelder bestehe; die Sache werde zur Prüfung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen für die Zeit ab 1. Dezember 2009 an die Verwaltung zurückgewiesen. Hätte der kantonale Gerichtsentscheid Bestand, so wäre die Arbeitslosenkasse unter Umständen gezwungen, eine ihres Erachtens rechtswidrige, leistungszusprechende Verfügung zu erlassen. Diese könnte sie in der Folge nicht selber anfechten; da die Gegenpartei in der Regel kein Interesse haben wird, den allenfalls zu ihren Gunsten rechtswidrigen Endentscheid anzufechten, könnte der kantonale Vorentscheid nicht mehr korrigiert werden und würde zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil für die Verwaltung führen (vgl. BGE 133 V 477 E. 5.2 S. 483 ff.; Urteil 8C_682/2007 vom 30. Juli 2008 E. 1.2.2, nicht publ. in: BGE 134 V 392). Auf ihre Beschwerde ist demnach einzutreten.
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2.
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Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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3.
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Das kantonale Gericht hat die Bestimmung zum Ausschluss arbeitgeberähnlicher Personen und im Betrieb mitarbeitender Ehegatten vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG) und die Rechtsprechung zur analogen Anwendung dieser Bestimmung auf arbeitgeberähnliche Personen und ihre Ehegatten, die Arbeitslosenentschädigung verlangen (BGE 123 V 234 E. 7 S. 236), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
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4.
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4.1 Die Vorinstanz ist der Ansicht, der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung könne unter den gegebenen Umständen nicht mit der Begründung verneint werden, die Beschwerdegegnerin sei im Betrieb ihres Ehemannes angestellt gewesen. Im Einzelfall sei der Nachweis des Trennungswillens, welcher eine Wiedervereinigung aller Voraussicht nach ausschliesse, namentlich durch eine gütliche Regelung der Trennungsfolgen, eigene Wohnungen, den Antritt einer Tätigkeit in einem nicht von der Dispositionsfähigkeit des Ehepartners betroffenen Betrieb oder ein hängiges Scheidungsverfahren erbringbar. In casu sei das Arbeitsverhältnis mit der Beschwerdegegnerin am 14. August 2009 ohne Begründung per 30. November 2009 ordentlich gekündigt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe die Versicherte bereits vier Monate von ihrem Ehemann getrennt gelebt. Mit der gerichtlichen Bestätigung des faktischen Trennungszeitpunkts vom 14. April 2009 liege ein eindeutiges Kriterium für die dauerhafte Trennung vor. Auch der per 1. Juli 2009 vom Ehemann auf unbestimmte Zeit eingegangene Mietvertrag sei ein untrügliches Zeichen für den definitiven Trennungswillen der Ehegatten und damit für das endgültige Ausscheiden der Beschwerdegegnerin aus dem Betrieb. Das Abstellen auf das Datum der Gerichtsverhandlung gehe fehl. Mit der tatsächlichen, dauerhaften Trennung habe die Versicherte ihre Stellung als Ehegatte einer arbeitgeberähnlichen Person faktisch bereits verloren, als ihre Stelle am 14. August 2009 per 30. November 2009 gekündigt worden sei. Sie habe keine Mitspracherechte mehr, um ihren Ehemann in seiner Dispositionsfähigkeit bezüglich ihrer Anstellung zu beeinflussen. Darum bestehe kein Missbrauchsrisiko mehr. Ein Ausschlussgrund im Sinne der Rechtsprechung liege nicht mehr vor, weshalb die Sache zur Prüfung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 8 AVIG für die Zeit ab 1. Dezember 2009 an die Kasse zurückgewiesen werde.
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4.2 Die Beschwerdegegnerin unterstützt diese Argumentation und fügt ergänzend an, gegen eine noch vorhandene enge persönliche Beziehung zwischen ihr und ihrem Ehemann - verbunden mit der Möglichkeit der gegenseitigen Einflussnahme - spreche auch, dass das Amtsgericht Y.________ per 17. September 2009 die Gütertrennung angeordnet habe. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei eine Folge der konflikthaften Trennungssituation gewesen. Das Ausscheiden aus dem Betrieb nach Ablauf der Kündigungsfrist sei formell und tatsächlich definitiv gewesen und es habe zu keiner Zeit die Gefahr eines Missbrauchs bestanden. Soweit die Kasse für das definitive Ausscheiden der Ehefrau aus dem Betrieb das Datum der Gerichtsverhandlung am 3. Februar 2010 anerkenne, so möge sich dies rechtfertigen, wenn in Bezug auf Datum oder Dauerhaftigkeit der Trennung eine unklare Situation bestehe. Werde das Trennungsdatum hingegen - wie vorliegend - nachträglich gerichtlich genehmigt, so widerspreche das Festhalten an der Schematisierung der tatsächlichen Situation, was nicht sachgerecht sei. Zudem wäre es stossend, wenn der Beginn des Anspruchs auf Taggelder letztlich davon abhinge, an welchem Datum eine Gerichtsverhandlung stattfinden könne. Ein solches Vorgehen liefe dem Gebot der rechtsgleichen Behandlung zuwider. Die Lebenslage der Beschwerdegegnerin sei vergleichbar mit der Situation von beitragsbefreiten Personen im Sinne von Art. 14 Abs. 2 AVIG. Auch sie müsse aus wirtschaftlicher Notwendigkeit heraus neu disponieren und sie habe nach der Trennung in keiner Weise davon profitieren können, dass sie die Ehefrau des Verwaltungsrates der X.________ AG sei. Das Gegenteil sei gegeben. Wäre sie nicht seine Ehefrau gewesen, hätte die Trennungssituation keinen Einfluss auf die Arbeitsstelle und, im Fall der Kündigung, auf ihre Anspruchsberechtigung gehabt. Das Datum der nachgewiesenen (durch "Wohnsitzbestätigung und Bestätigung über die Einleitung eines Gerichtsverfahrens") faktischen Trennung sei das dem Sinn und Zweck des AVIG entsprechende sachgerechte Kriterium für den Beginn der Anspruchsberechtigung.
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4.3 Demgegenüber gelangt die Beschwerdeführerin zum Ergebnis, die Gefahr des Missbrauchs sei weder durch die faktische Trennung vom 14. April 2009 noch durch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses per 30. November 2009 behoben. Das Amtsgericht Y.________ habe sich bei seinem Entscheid vom 26. Februar 2010 über die Eheschutzmassnahmen auf die gemeinsame Vereinbarung vom 3. Februar 2010 gestützt. "Ab diesem Datum" bestehe ein Anspruch auf Arbeitslosentaggelder gestützt auf Ziffer B23 des Kreisschreibens des SECO über die Arbeitslosenentschädigung, gültig ab Januar 2007 (KS ALE), weil die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes per 14. April 2009 erst mit Vereinbarung vom 3. Februar 2009 bzw. mit Entscheid des Amtsgerichts vom 26. Februar 2009 bestätigt worden sei.
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4.4 Das SECO spricht sich in seiner Vernehmlassung für ein Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts und an den Weisungen des SECO aus. Das Abstellen auf ein Gerichtsurteil habe sich bewährt. Vorliegend müsse demgemäss ein Anspruch auf Arbeitslosentaggelder entgegen der Auffassung der Kasse nicht nur bis zum 2. Februar 2010, sondern richtigerweise bis zum Entscheid des Amtsgerichts Y.________ vom 26. Februar 2010 abgelehnt werden. Deshalb sei an sich eine reformatio in peius (hinsichtlich der Stellung der Versicherten) angezeigt. Ein vollständiges Öffnen der bisherigen Praxis, indem das willkürliche Datum der behaupteten Trennung (durch Anmieten einer neuen Wohnung) für den Beginn des Taggeldanspruchs als massgebend erachtet würde, berge ein nicht zu unterschätzendes Missbrauchsrisiko. Ein kostengünstiges Studio sei schnell gemietet und die Miete könne sich angesichts der im Einzelfall beachtlichen Leistungen der Arbeitslosenversicherung als gute Investition erweisen. Ob die Trennung auch gelebt werde, könnten die Organe der Arbeitslosenversicherung gar nicht überprüfen, und ob sie definitiv sei, lasse sich erst viel später nachweisen. Als mögliche Zwischenlösung in zeitlicher Hinsicht sei vorstellbar, den definitiven Trennungswillen schon zum Zeitpunkt der gerichtlich bestätigten Prozesseinleitung (Bestätigung des Gerichts über die Einreichung der Scheidungsklage, ein gerichtliches Ladungsgesuch zur Genehmigung der Trennungsvereinbarung etc.) anzuerkennen. Die Missbrauchsgefahr lasse sich aber so nicht ausschliessen, weil ein Rückzug der Klage oder des Ladebegehrens ohne weiteres möglich sei. Zudem müssten die Vollzugsorgane bei dieser Lösung ab dem Zeitpunkt der Einreichung der Scheidungsklage gewissermassen eine Vorleistung erbringen, verbunden mit der Auflage an die versicherte Person, der Kasse das erst später ergehende Gerichtsurteil zuzustellen. Für den Fall des Klagerückzuges und der Wiedervereinigung der Ehepartner oder der allfälligen Wiederanstellung im Betrieb des andern Ehegatten müsste eine Rückforderung erfolgen. Es sei kein Problem, die Rückforderung zu verfügen, die Vollstreckung eines solchen Verwaltungsakts allerdings schon. Insgesamt müsse festgehalten werden, dass die finanziellen Bedürfnisse (der Ehepartner) in der Unterhaltsregelung während der Trennung zu berücksichtigen seien. "Allfällige Anpassungen des Scheidungsrechts an die neueren faktischen Gegebenheiten der heutigen Zivilisation" seien dort vorzunehmen und es erscheine nicht opportun, diesen Entwicklungen mittels einer unnötigen und falschen Praxisänderung im Rahmen der Arbeitslosenversicherung vorzugreifen.
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5.
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5.1 Nach dem Wortlaut von Art. 51 Abs. 2 AVIG sind die im Betrieb mitarbeitenden Ehegatten arbeitgeberähnlicher Personen vom Anspruch auf Insolvenzentschädigung ausgeschlossen, und zwar unabhängig davon, ob sie selber ebenfalls eine arbeitgeberähnliche Stellung innehaben. Die Tatsache, dass sie mit einer arbeitgeberähnlichen Person verheiratet sind und in deren Betrieb mitarbeiten, genügt für den Ausschluss vom Anspruch auf Insolvenzentschädigung. Wie die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Kurzarbeitsentschädigung, welche in Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG eine analoge Regelung kennt, mehrmals betont hat, ist dieser Ausschluss absolut zu verstehen (BGE 123 V 234 E. 7 S. 236; 122 V 270 E. 3 S. 272). Es ist somit nicht möglich, den betroffenen Personen unter bestimmten Voraussetzungen im Einzelfall Leistungen zu gewähren (THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 2316 Rz. 462). Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es nicht angezeigt, bei im Betrieb mitarbeitenden Ehegatten arbeitgeberähnlicher Personen den Anspruch auf Insolvenzentschädigung zu bejahen, falls sie getrennt leben (ARV 2003 S. 120, C 16/02). Was in ARV 2003 S. 120 zur Ausrichtung von Insolvenzentschädigung an den getrennt lebenden Ehegatten einer arbeitgeberähnlichen Person gesagt wurde, gilt analog für die Arbeitslosenentschädigung. Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG bezweckt, dem Risiko eines Missbrauchs zu begegnen, das der Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung an arbeitgeberähnliche Personen und deren Ehegatten inhärent ist (ARV 2003 S. 240, C 92/02). Dieses Risiko ist das selbe, ob es nun um Arbeitslosen-, Kurzarbeits- oder Insolvenzentschädigung geht. Daher rechtfertigt sich keine unterschiedliche Behandlung von Ehegatten arbeitgeberähnlicher Personen in Bezug auf diese drei Leistungsarten (Urteil 8C_1032/2010 vom 7. März 2011 E. 5.1).
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5.2 Das kantonale Gericht stützt seine von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende Auffassung unter anderem auf Ziffer B23 KS ALE, gültig ab Januar 2007. Nach dieser Verwaltungsweisung soll nicht nur ab Datum einer Scheidung, sondern auch bei einer richterlichen Trennung oder vom Richter verfügten Eheschutzmassnahme Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bestehen. Zudem verweist die Vorinstanz auf einen eigenen Entscheid vom 10. November 2010 (S 10 356, aufgehoben mit Urteil des Bundesgerichts 8C_1032/2010 vom 7. März 2011) und die Entscheide des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 19. März 2007 (AL.2006.00263 E. 3.4.2) sowie des Versicherungsgerichts St. Gallen vom 21. Oktober 2009 (AVI 2008/53 E. 1.4), in welchen nicht einmal mehr am Erfordernis einer richterlichen Trennung festgehalten wird.
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5.3
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5.3.1 Wie erwähnt (E. 5.1 hiervor) bildet nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Umstand, dass die Person, welche vormals im Betrieb des arbeitgeberähnlichen oder des arbeitgebenden Ehepartners mitgearbeitet hat, in Ehetrennung lebt, keinen Grund, ihren Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung zu bejahen. Ob im Sinne von Ziffer B23 KS ALE eine gerichtliche Trennung oder eine richterlich verfügte Eheschutzmassnahme - bei Erfüllung der übrigen Anspruchs-voraussetzungen - eine genügende Grundlage für die Ausrichtung von Arbeitslosentaggeldern darstellt, musste das Bundesgericht bisher nicht entscheiden. Es zeigt sich nachfolgend, dass mit Blick auf die konkreten Umstände des zu beurteilenden Falles auch an dieser Stelle offenbleiben kann, wie es sich damit verhält. Im Rahmen des Eheschutzverfahrens wurde nämlich erst am 3. Februar 2010 vor dem Amtsgerichtspräsidenten eine Vereinbarung betreffend Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes und Nebenfolgen des Getrenntlebens getroffen und am 26. Februar 2010 gerichtlich genehmigt. Die Arbeitslosenkasse bejaht einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 3. Februar 2010, dem Datum der zwischen den Ehepartnern geschlossenen Vereinbarung über das Getrenntleben. Nachdem das kantonale Gericht zur Auffassung gelangt ist, die Ehe mit einer arbeitgeberähnlichen Person stehe der Versicherten bezüglich des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung schon ab 1. Dezember 2009 nicht mehr entgegen, verlangt die Kasse die Aufhebung dieses Entscheides mit dem Ergebnis, dass ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung - wie im Einspracheentscheid vom 25. Juni 2010 vorgesehen - ab 3. Februar 2010 bejaht werden könnte. Da das Bundesgericht nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen darf (Art. 107 Abs. 1 BGG), steht in concreto nur der Taggeldanspruch vom 1. Dezember 2009 bis 2. Februar 2010 zur Debatte. Das Bundesgericht hat sich demzufolge nicht darüber zu äussern, ob der Taggeldanspruch von der Kasse ab 3. Februar 2010 zu Recht bejaht wurde. Somit muss auch unbeantwortet bleiben, ob - entsprechend der Vernehmlassung des SECO - ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung allenfalls erst ab 26. Februar 2010, dem Datum der gerichtlichen Genehmigung der Trennungsvereinbarung, entstehen konnte.
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5.3.2 Für die vorliegend massgebende Zeit vom 1. Dezember 2009 bis 2. Februar 2010 ist das faktische Getrenntleben der Ehegatten unbestritten. In diesem Zusammenhang ist auf Art. 114 ZGB zu verweisen, wonach ein Ehegatte die Scheidung verlangen kann, wenn die Ehegatten bei Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage oder bei Wechsel zur Scheidung auf Klage mindestens zwei Jahre getrennt gelebt haben. Erst nach Vorliegen dieser gesetzlich geforderten Getrenntlebensdauer wird unwiderlegbar davon ausgegangen, die Ehe sei irreversibel zerrüttet (Botschaft des Bundesrates über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 15. November 1995, BBl 1996 I 90 Ziff. 231.31; ROLAND FANKHAUSER, in: FamKommentar Scheidung, 2. Aufl. 2011, N. 3 zu Art. 114 ZGB). Da es nicht selten vorkommt, dass Trennungen von Ehegatten rückgängig gemacht und Scheidungsklagen zurückgezogen werden, kann mit Blick auf diese Vorgabe aus dem Eherecht jedenfalls bei einer unter zweijährigen faktischen Trennung nicht von einem definitiven Scheidungs- oder Trennungswillen ausgegangen werden. Ein solcher kann entgegen der Ansicht des kantonalen Gerichts und der Beschwerdegegnerin im Zusammenhang mit der Frage nach dem Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung auch nicht rückwirkend aus der erst nach dem 2. Februar 2010 erfolgten gerichtlichen Genehmigung der Trennung und deren Nebenfolgen, bezogen auf das Datum der faktischen Trennung oder auf einen anderen, in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt, abgeleitet werden. Weder kann eine erst später vollzogene Scheidung (oder, gemäss KS ALE Ziffer B23, eine gerichtliche Ehetrennung bzw. vom Gericht verfügte Eheschutzmassnahme) einen rückwirkenden Anspruch auf Arbeitslosentaggelder begründen, noch ist die Arbeitslosenkasse berechtigt oder verpflichtet, ab Anbeginn der faktischen Trennung (Vor-)Leistungen zu erbringen. Die Beschwerdegegnerin verkennt, dass ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung erst besteht, wenn alle Anforderungen erfüllt sind. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind ausdrücklich geregelt (vgl. unter anderem die in Art. 70 Abs. 2 lit. b ATSG und Art. 15 Abs. 2 AVIG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 3 AVIV geregelte Vorleistungspflicht bei fraglicher Vermittlungsfähigkeit).
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Dazu kommt, dass mannigfaltige Motivationen für ein Getrenntleben denkbar sind. Es kann nicht Aufgabe der Arbeitslosenkasse sein, abzuklären, aus welchen Gründen ein Ehepaar getrennt lebt, ob die Ehe allenfalls zerrüttet ist oder wie die Chancen für eine Aufgabe des Getrenntlebens stehen. Auch wenn die Ehepartner nicht mehr zusammenleben wollen, kann es aus finanziellen Gründen (höhere Kosten durch getrennte Haushalte) durchaus sinnvoll sein, sich (wieder) im Betrieb des Ehepartners anstellen zu lassen. Die Sichtweise der Beschwerdegegnerin, welche zum Getrenntleben unüberbrückbare Differenzen assoziiert, lässt sich jedenfalls nicht verallgemeinern, weshalb die faktische Trennung nicht generell mit einem fehlenden Missbrauchsrisiko gleichgesetzt werden kann. Die von der Versicherten erwähnte wirtschaftliche Notwendigkeit im Sinne von Art. 14 Abs. 2 AVIG steht in einem anderen Kontext (Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit für bestimmte Personen, welche gezwungen sind, eine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder zu erweitern) und es fehlt jegliche Grundlage, welche es ermöglichen würde, einen finanziellen Engpass als Grund für eine Taggeldbezugsberechtigung trotz eines weiter vorhandenen Missbrauchsrisikos zufolge der arbeitgeberähnlichen Stellung des Ehepartners im Betrieb anzuerkennen.
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Ein Missbrauchsrisiko lässt sich für die in casu einzig relevante Zeit (1. Dezember 2009 bis 2. Februar 2010) schon mit Blick auf die damals noch kurze Phase des Getrenntlebens (von sieben bis neun Monaten) nicht verneinen (vgl. Urteil 8C_1032/2010 vom 7. März 2011 E. 5.3). Ob mit zunehmender Dauer des Getrenntlebens das Missbrauchsrisiko überhaupt verringert wird oder wegfällt und, bejahendenfalls, ab welchem Zeitpunkt trotz bestehender Ehe ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung zugestanden werden könnte, ist vom Bundesgericht nicht zu prüfen (E. 5.3.1 hiervor), nachdem feststeht, dass jedenfalls im streitigen Zeitraum nicht von einer fehlenden Umgehungsgefahr ausgegangen werden kann, weshalb keine Leistungen der Arbeitslosenversicherung geschuldet sind. Damit muss es beim Einspracheentscheid der Kasse sein Bewenden haben.
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6.
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Zusammenfassend ergibt sich, dass die Verwaltung einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung mit Blick auf die Stellung der ehemals im Betrieb ihres Ehemannes tätig gewesenen Beschwerdegegnerin zu Recht abgelehnt hat.
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7.
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Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten von der Beschwerdegegnerin als unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 22. Dezember 2010 aufgehoben.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 3. Juni 2011
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
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Ursprung Berger Götz
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