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Informationen zum Dokument  BGer 2C_442/2011  Materielle Begründung
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BGer 2C_442/2011 vom 07.07.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2C_442/2011
 
Urteil vom 7. Juli 2011
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler, Donzallaz,
 
Gerichtsschreiber Uebersax.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Advokat Niggi Dressler, Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Kantonstierarzt des Kantons Basel-Landschaft,
 
Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft.
 
Gegenstand
 
Hundehalteverbot (Rechtsverweigerung/Rechtsverzögerung),
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 20. April 2011.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Am 19. April 2010 sprach der Kantonstierarzt des Kantons Basel-Landschaft gegen X.________ in Anwendung des Tierschutzgesetzes vom 16. Dezember 2005 (TSchG; SR 455) ein Hundehalteverbot aus und ordnete an, dass ihm dessen vorsorglich beschlagnahmter Hund nicht zurückgegeben, sondern umplatziert werde. Eine dagegen erhobene Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft blieb erfolglos. Dagegen führte X.________ am 3./7. Juli 2010 Beschwerde beim Kantonsgericht Basel-Landschaft. Nach einigen verfahrensrechtlichen Zwischenschritten stellte das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, mit Beschluss vom 18. August 2010 fest, dass die Umplatzierung des Hundes von X.________ zu Recht vorsorglich angeordnet worden, dass dem Hundehalter jedoch während des hängigen Verfahrens ein begleitetes Besuchsrecht für seinen Hund einzuräumen sei. Bei der Urteilsberatung vom 20. April 2011 gelangte das Kantonsgericht zum Schluss, für die tierschutzrechtliche Beurteilung des Falles sei massgeblich, ob die Voraussetzungen einer Straftat erfüllt seien, was Gegenstand des hängigen Strafverfahrens bilde; gestützt auf die dem Gericht vorliegenden Akten bestehe keine Klarheit darüber, ob ein tatbestandsmässiges und rechtswidriges Verhalten des Beschwerdeführers vorliege. Das Kantonsgericht beschloss daher, das bei ihm hängige Beschwerdeverfahren bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren gegen X.________ wegen Verdachts des Verstosses gegen Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG (Würdemissachtung in anderer Weise) zu sistieren.
 
1.2 Dagegen führt X.________ Rechtsverweigerungs- bzw. Rechtsverzögerungsbeschwerde beim Bundesgericht mit den Anträgen, die Beschlagnahme seines Hundes sowie das Hundehalteverbot aufzuheben, eventuell die Sache an das Kantonsgericht zurückzuweisen zur raschest möglichen materiellen Behandlung. In prozessualer Hinsicht wird um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ersucht.
 
1.3 Der Kantonstierarzt und das Kantonsgericht haben auf eine Stellungnahme verzichtet.
 
2.
 
2.1 Nach Art. 94 BGG kann gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern eines anfechtbaren Entscheids Beschwerde an das Bundesgericht geführt werden. Voraussetzung ist, dass auch gegen den Entscheid in der Sache die Beschwerde offen stünde. Hier wäre in der Sache die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG zulässig. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich jedoch nicht um einen Endentscheid, wie das die Beschwerde grundsätzlich voraussetzt (vgl. Art. 90 BGG), sondern um einen Zwischenentscheid. Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig (Art. 92 Abs. 1 BGG), gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide hingegen nur, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Die zweite Variante (nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG) ist hier offensichtlich nicht erfüllt. Indessen entfällt nach der Rechtsprechung bei der Beschwerde gegen die Sistierung eines Verfahrens die Voraussetzung des nicht wieder gutzumachenden Nachteils, soweit der Beschwerdeführer wie hier rügt, die Sistierung verletze das Beschleunigungsgebot bzw. stelle eine Verfahrensverzögerung oder Rechtsverweigerung dar (BGE 134 IV 43 E. 2.5 S. 47; Urteil des Bundesgerichts 4A_542/2009 vom 27. April 2010 E. 4.2). In diesem Sinne erweist sich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mithin als zulässig. Der Beschwerdeführer ist als direkter Adressat zur Beschwerde legitimiert.
 
2.2 Ausgeschlossen ist die Beschwerde indessen, soweit der Beschwerdeführer direkt die Aufhebung der Beschlagnahme und des Hundehalteverbotes beantragt. Ein solches Begehren hat keinen Platz im Rahmen der Rechtsverweigerungs- bzw. -verzögerungsbeschwerde. Insofern liegt sodann weder ein Endentscheid vor noch ist der fragliche Beschluss des Kantonsgerichts als Zwischenentscheid anfechtbar. Überdies erscheint fraglich, ob die Vorinstanz mit dem angefochtenen Beschluss überhaupt einen eigenständigen Massnahmeentscheid getroffen hat oder ob der Beschwerdeführer in der Sache nicht eher schon den eigentlichen Massnahmeentscheid vom 18. August 2010 hätte anfechten müssen, womit der entsprechende heutige Antrag ohnehin verspätet wäre.
 
3.
 
3.1 Eine Rechtsverweigerung liegt vor, wenn es eine Behörde ausdrücklich ablehnt, eine Entscheidung zu treffen, obwohl sie dazu verpflichtet ist (BGE 124 V 130 E. 4 S. 133 mit Hinweisen; 107 Ib 160 E. 3b S. 164). Um eine Rechtsverzögerung handelt es sich dagegen, wenn sich die zuständige Behörde zwar bereit zeigt, einen Entscheid zu treffen, diesen aber nicht binnen der Frist fällt, welche nach der Natur der Sache und nach der Gesamtheit der übrigen Umstände als angemessen erscheint. Dabei ist es für die Rechtsuchenden unerheblich, auf welche Gründe - beispielsweise auf ein Fehlverhalten der Behörde oder auf andere Umstände - die Rechtsverzögerung zurückzuführen ist; entscheidend ist ausschliesslich, dass die Behörde nicht fristgerecht handelt (BGE 107 Ib 160 E. 3b S. 164; Urteile 1C_433/2008 vom 16. März 2009 E. 1.4 und 2C_244/2007 vom 10. Oktober 2007 E. 4.2).
 
3.2 Das Kantonsgericht Basel-Landschaft hat am 20. April 2011 einen Beschluss gefasst und damit einen Entscheid gefällt. Eine Rechtsverweigerung liegt mithin nicht vor, was auch der Beschwerdeführer einräumt. Es kann sich daher lediglich fragen, ob dem Kantonsgericht eine Rechtsverzögerung unterlaufen ist.
 
3.2.1 Der Beschwerdeführer sieht bereits darin eine Rechtsverzögerung, dass seine Beschwerde zwischen dem 18. August 2010 und dem 20. April 2011 unbehandelt beim Kantonsgericht Basel-Landschaft liegen geblieben sei. Die Rechtsverzögerungsbeschwerde dient jedoch einzig dazu, ein Verfahren seinem Abschluss zuzuführen bzw. die zuständige Behörde zur beförderlichen Fällung des ihr obliegenden Entscheides anzuhalten. Mit dem angefochtenen Sistierungsbeschluss vom 20. April 2011 ist dieser Entscheid im vorliegenden Fall ergangen. Insoweit besteht kein Raum mehr für eine Rechtsverzögerungsbeschwerde. Ob eine allfällige übermässige Dauer des Verfahrens bei der materiellen Beurteilung des Falles zu berücksichtigen wäre, ist hier an sich nicht zu prüfen; es kann immerhin festgehalten werden, dass eine achtmonatige Dauer, wie sie hier zur Diskussion steht, noch nicht als übermässig lang erscheint, zumal das Kantonsgericht während dieser Zeit nicht einfach untätig blieb, sondern sich wiederholt beim Bezirksstatthalteramt Arlesheim über den Stand des hängigen Strafverfahrens erkundigte.
 
3.2.2 Der Beschwerdeführer erachtet sodann den Sistierungsentscheid als Rechtsverzögerung. In der Tat wird das tierschutzrechtliche Verfahren hinausgezögert. Wie die Vorinstanz aber mit Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 122 II 211 mit Hinweisen) zu Recht ausführt, kann sich eine Sistierung auch gegen den Willen der Verfahrensbeteiligten namentlich dann rechtfertigen, wenn sie dazu dient, einen präjudiziellen Entscheid einer anderen Instanz abzuwarten. Im vorliegenden Fall geht es darum, das Ergebnis des die Grundlage für die tierschutzrechtliche Beurteilung bildenden Strafverfahrens abzuwarten. Dafür sprechen erhebliche öffentliche Interessen. Eine inhaltliche Harmonisierung der beiden Verfahren dürfte aber auch im Interesse des Beschwerdeführers selbst liegen. Dass die Fremdplatzierung des Hundes des Beschwerdeführers selbst bei einer strafrechtlichen Verurteilung von vornherein unverhältnismässig und daher unzulässig wäre, trifft entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht zu.
 
Zudem ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass das Strafverfahren bis Oktober 2011 abgeschlossen werden kann, mithin die Sistierung zeitlich massvoll sei. Das ist nicht zu beanstanden. Darüber, ob die Sistierung aufzuheben ist, wenn das Strafverfahren erheblich länger dauern sollte, als die Vorinstanz angenommen hat, ist nicht jetzt zu entscheiden.
 
3.2.3 Nur der Ergänzung halber ist darauf hinzuweisen, dass die Vorinstanz dem Beschwerdeführer bereits früher als vorsorgliche Massnahme ein begleitetes Besuchsrecht für seinen Hund zugesprochen und im Sistierungsentscheid nunmehr gegenüber der Vollzugsbehörde angeregt hat, zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer beim Vollzug weitergehend als bisher entgegengekommen werden könnte. Damit wird die Auswirkung des Sistierungsentscheides weiter abgemildert, ohne dass dies freilich für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens den Ausschlag geben würde.
 
4.
 
4.1 Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet und daher im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
 
4.2 Da sich die Begehren des Beschwerdeführers als aussichtslos erweisen, ist sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen (vgl. Art. 64 BGG). Angesichts des Verfahrensausgangs wird der unterliegende Beschwerdeführer damit kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG), wobei seinen angespannten finanziellen Verhältnissen bei der Festlegung der Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen ist (vgl. Art. 65 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kantonstierarzt und dem Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft sowie dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 7. Juli 2011
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Zünd Uebersax
 
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