VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 1B_381/2011  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 1B_381/2011 vom 05.08.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1B_381/2011
 
Urteil vom 5. August 2011
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied, Bundesrichter Wiprächtiger, Eusebio,
 
Gerichtsschreiberin Gerber.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Molkenstrasse 15/17, Postfach 2251,
 
8026 Zürich.
 
Gegenstand
 
Gesuch um Entlassung aus der Sicherheitshaft,
 
Beschwerde gegen die Verfügung vom 20. Juni 2011
 
des Geschworenengerichts des Kantons Zürich.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Urteil des Geschworenengerichts des Kantons Zürich vom 26. März 2010 wurde X.________ (im Folgenden: die Beschuldigte) des mehrfachen Mordes im Sinne von Art. 112 StGB schuldig befunden und mit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe bestraft, unter Anrechnung von 823 Tagen bisher erstandener Haft.
 
Am 26. März 2010 meldete die Beschuldigte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil an.
 
B.
 
Am 24. Mai 2011 stellte der amtliche Verteidiger der Beschuldigten ein Gesuch um Entlassung aus der Sicherheitshaft. Er rügte eine massive Verfahrensverschleppung, weil die Begründung des am 26. März 2010 ergangenen Urteils noch immer nicht vorliege. Der Beschuldigten sei es nicht mehr zuzumuten, die Urteilsbegründung in Sicherheitshaft abzuwarten.
 
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies der Präsident des Geschworenengerichts das Gesuch am 20. Juni 2011 ab und verlängerte die Sicherheitshaft um sechs Monate bis zum 20. Dezember 2011.
 
C.
 
Gegen diesen Entscheid erhob die Beschuldigte Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich. Dieses trat mit Beschluss vom 18. Juli 2011 auf die Beschwerde nicht ein. Es ging davon aus, dass der Präsident des Geschworenengerichts zu Unrecht die eidgenössische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO; SR 312) angewandt habe; gemäss Art. 448 Abs. 1 i.V.m. Art. 450 StPO sei das Verfahren nach bisherigem (kantonalem) Recht zu Ende zu führen. Danach sei für den Entscheid der Präsident des Geschworenengerichts zuständig gewesen (§ 69 Abs. 1 i.V.m. § 417 der Zürcher Strafprozessordnung vom 4. Mai 1919 [StPO/ZH]). Gegen dessen Entscheid stehe weder nach altem noch nach neuem Recht (analog Art. 233 StPO) ein kantonales Rechtsmittel offen.
 
D.
 
Am 20. Juli 2011 hat die Beschuldigte gegen die Verfügung des Präsidenten des Geschworenengerichts Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und sie sei aus der Haft zu entlassen. Eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an das Geschworenengericht des Kantons Zürich zurückzuweisen.
 
Sie macht zum einen geltend, das Geschworenengericht und nicht dessen Präsident sei für die Beurteilung des Haftentlassungsgesuchs zuständig gewesen. Weiter rügt sie eine Verletzung des Beschleunigungsgebots. Insbesondere habe der Präsident des Geschworenengerichts nicht erklärt, weshalb noch immer keine Urteilsbegründung vorliege und mit welcher weiteren Verfahrensdauer zu rechnen sei.
 
E.
 
Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich beantragt die Abweisung der Beschwerde. Dass Geschworenengericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Die Beschwerdeführerin hat auf eine Replik verzichtet.
 
F.
 
Am letzten Tag der Frist zur Zahlung des Kostenvorschusses, dem 29. Juli 2011, beantragte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin eine Fristerstreckung bis zum 8. August 2011.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Haftsachen sind mit besonderer Beförderlichkeit zu entscheiden. Diesem Grundsatz würde es widersprechen, wenn das Bundesgericht die Kostenvorschussfrist weiter erstrecken und damit die Beurteilung der Sache verzögern würde. Die Frist wird der Beschwerdeführerin daher abgenommen und ausnahmsweise auf die Erhebung eines Kostenvorschusses verzichtet (Art. 62 Abs. 1 Satz 2 BGG).
 
2.
 
Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen (Art. 78 Abs. 1 BGG), zu denen insbesondere auch Entscheide über die Sicherheitshaft gehören. Die Beschwerdeführerin ist als Beschuldigte, deren Gesuch um Entlassung aus der Sicherheitshaft abgewiesen wurde, zur Beschwerde in Strafsachen befugt (Art. 81 Abs. 1 BGG).
 
Das Obergericht hat entschieden, dass gegen den angefochtenen Beschluss des Präsidenten des Geschworenengerichts kein kantonales Rechtsmittel besteht. Dieser Auffassung hat sich die Beschwerdeführerin angeschlossen. Die Frage ist als Eintretensvoraussetzung (Art. 80 Abs. 1 BGG) vom Bundesgericht von Amtes wegen zu prüfen.
 
2.1 Vorab ist das anwendbare Verfahrensrecht zu bestimmen. Am 1. Januar 2011 ist die Schweizerische Strafprozessordnung in Kraft getreten. Deren Übergangsbestimmungen basieren auf dem Grundsatz, die bisherigen Verfahrensordnungen von Bund und Kantonen möglichst rasch durch die StPO zu ersetzen (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1350 Ziff. 2.12.2.1). Art. 448 Abs. 1 StPO legt dementsprechend fest, dass Verfahren, die bei Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung hängig sind, nach neuem Recht fortgeführt werden, es sei denn, die nachfolgenden Bestimmungen sähen etwas anderes vor. Abweichende Bestimmungen enthalten insbesondere die Art. 450 und Art. 453 Abs. 1 StPO. Danach wird eine Hauptverhandlung, die bei Inkrafttreten der StPO bereits eröffnet war, nach bisherigem Recht vom bisher zuständigen erstinstanzlichen Gericht fortgeführt. Rechtsmittel gegen einen Entscheid, der vor Inkrafttreten der StPO gefällt worden ist, richten sich ebenfalls nach bisherigem Recht und werden von den bisher zuständigen Behörden beurteilt.
 
Davon zu unterscheiden sind jedoch Gesuche um Anordnung von bzw. Entlassung aus der Sicherheitshaft. Diese fallen nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht unter die Ausnahme gemäss Art. 453 StPO, sondern sind entsprechend dem Grundsatz von Art. 448 Abs. 1 StPO ab dem 1. Januar 2011 nach der Schweizerischen Strafprozessordnung zu beurteilen (vgl. Urteil 1B_99/2011 vom 28. März 2011 E. 1.2; NIKLAUS SCHMID, Übergangsrecht der Schweizerischen Strafprozessordnung, 2010, Rz. 156 ff., insbesondere Rz. 175 ff.; a.A. MARC FORSTER, Ausgewählte Fragen der strafprozessualen Haft nach neuer StPO, in: Schweizerische Strafprozessordnung und Schweizerische Jugendstrafprozessordnung, 2010, S. 186 oben). Gleiches muss auch gelten, wenn ein Gesuch um Anordnung oder um Entlassung aus der Sicherheitshaft von einem Gericht erster Instanz beurteilt wird: Auch hier ist nicht die Ausnahmebestimmung von Art. 450 StPO anwendbar, sondern der Grundsatz von Art. 448 Abs. 1 StPO, wonach Zwangsmassnahmen ab dem 1. Januar 2011 nach neuem Recht beurteilt werden.
 
Der Präsident des Geschworenengerichts hat somit das nach dem 1. Januar 2011 gestellte Haftentlassungsgesuch zu Recht nach der eidgenössischen StPO beurteilt. Diese ist auch auf die Frage anwendbar, ob ein kantonales Rechtsmittel gegen den angefochtenen Entscheid besteht.
 
2.2 Gemäss Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO ist die Beschwerde zulässig gegen die Verfügungen und Beschlüsse sowie die Verfahrenshandlungen der erstinstanzlichen Gerichte. Davon ausgenommen sind nur verfahrensleitende Entscheide, zu denen die Sicherheitshaft nicht gehört. Gemäss Art. 222 StPO kann die verhaftete Person Entscheide über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft grundsätzlich bei der Beschwerdeinstanz anfechten. Art. 231 Abs. 1 StPO enthält keine Ausnahme von diesem Grundsatz. Dies spricht dafür, dass auch gegen Haftentscheide des erstinstanzlichen Gerichts Beschwerde geführt werden kann (so auch MARKUS HUG, in: Andreas Donatsch/Viktor Lieber/Thomas Hansjakob, Kommentar zur schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich 2010, Art. 222 N. 4; 231 N. 7; MARC FORSTER, in: Basler Kommentar StPO, 2011, N. 4 Fn 6 zu Art. 220; ALICE REICHMUTH PFAMMATTER, Rechtsmittel, in: Schweizerische Strafprozessordnung und Schweizerische Jugendstrafprozessordnung, 2010, S. 120).
 
Das Obergericht wandte jedoch Art. 233 StPO analog auf das Geschworenengericht an. Dieses sei nicht mit einem erstinstanzlichen Gericht im Sinne der StPO vergleichbar, dessen Entscheid an die zweite Instanz mit einem ordentlichen und vollkommenen Rechtsmittel weitergezogen werden könne. Vielmehr handle es sich um ein höheres, auf Stufe der zweiten Instanz angesiedeltes Gericht, dessen Erledigungsentscheide bei der dritten Instanz, dem Kassationsgericht, nur in beschränktem Umfang angefochten werden könnten. Zudem sei im Strafverfahren gegen die Beschwerdeführerin die Sicherheitshaft in Anwendung von § 67 Abs. 1 Ziff. 1 StPO/ZH durch die Präsidentin der Anklagekammer des Obergerichts (quasi erstinstanzlich) angeordnet und vom Geschworenengerichtspräsidenten am 26. März 2010 bestätigt worden. Insofern sei die Verfügung vom 20. Juni 2011 vergleichbar mit der Situation, in welcher eine Erstinstanz die Sicherheitshaft angeordnet habe und im Rahmen des Verfahrens vor einer auf der zweiten Stufe angesiedelten Instanz ein Haftentlassungsgesuch gestellt werde.
 
Diese Auffassung ist nicht zu beanstanden. Die Regelung der StPO ist auf die neue Zuständigkeitsordnung zugeschnitten und berücksichtigt nicht die besondere Stellung der (in der StPO nicht mehr vorgesehenen) Geschworenengerichte. Diese entscheiden grundsätzlich als einzige kantonale Instanz (von der Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht abgesehen). Es erscheint daher sinnvoll, für diese besondere - und nur noch für eine kurze Übergangszeit mögliche - Konstellation Art. 233 StPO analog heranzuziehen.
 
2.3 Damit ist auf die Beschwerde in Strafsachen einzutreten.
 
3.
 
Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, das Geschworenengericht und nicht dessen Präsident sei für den Entscheid über das Haftentlassungsgesuch zuständig gewesen.
 
3.1 Art. 231 Abs. 1 StPO sieht vor, dass das erstinstanzliche Gericht mit dem Urteil entscheidet, ob eine verurteilte Person in Sicherheitshaft zu setzen oder zu behalten ist, sei es zur Sicherung des Straf- oder Massnahmenvollzuges oder im Hinblick auf das Berufungsverfahren; dies im Gegensatz zu Art. 231 Abs. 2, 232 f. StPO, die für das Berufungsgericht die Zuständigkeit der Verfahrensleitung (und nicht des Gesamtgerichts) festlegen. Dies spricht dafür, dass auch über Gesuche um Entlassung aus der Sicherheitshaft, die nach der Eröffnung des erstinstanzlichen Urteils, aber noch vor Übergang der Verfahrensherrschaft an das Berufungsgericht gestellt werden, vom erstinstanzlichen Gericht und nicht von dessen Verfahrensleitung entschieden wird (so auch MARKUS HUG, a.a.O., Art. 231 N. 2). Vorbehalten bleiben dringende Fälle (Art. 198 Abs. 1 lit. b StPO).
 
3.2 Allerdings ist auch diese Bestimmung nicht auf die Besonderheiten des Zürcher Geschworenengerichts zugeschnitten, das sich aus einem Präsidenten, zwei Richtern und neun Geschworenen zusammensetzt (§§ 50 ff. des Zürcher Gerichtsverfassungsgesetzes vom 13. Juni 1976 i.V.m. § 210 des Zürcher Gesetzes über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess vom 10. Mai 2010 [GOG]). Es ist klarerweise unpraktikabel, das gesamte Geschworenengericht (einschliesslich Geschworenen) über nachträgliche Haftentlassungsgesuche entscheiden zu lassen. In dieser Situation erscheint es bedenkenswert, übergangsrechtlich die Zuständigkeit für Haftentlassungsgesuche beim Vorsitzenden des Geschworenengerichts zu belassen, der nach kantonalem Recht für den Entscheid über die Fortdauer der Sicherheitshaft zuständig war und deshalb auch den Haftentscheid gegen die Beschuldigte vom 26. März 2010 getroffen hat. Ansonsten bestünde die Möglichkeit, Art. 198 Abs. 1 lit. b StPO heranzuziehen.
 
3.3 Letztlich kann die Frage offen bleiben: Die Beschwerdeführerin hat nämlich in ihrem Hauptantrag die Entlassung aus der Sicherheitshaft beantragt und verlangt somit in erster Linie eine Beurteilung in der Sache durch das Bundesgericht. Hat das Bundesgericht in der Sache entschieden, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für die (nur eventualiter beantragte) Rückweisung der Sache zu neuem Entscheid an das Geschworenengericht. Dieses Vorgehen entspricht dem Beschleunigungsgebot, würde doch die blosse Aufhebung und Rückweisung der Sache an das Geschworenengericht zu erneutem Entscheid in anderer Besetzung das Verfahren unnötig verlängern.
 
4.
 
Gemäss Art. 221 Abs. 1 StPO sind Untersuchungs- und Sicherheitshaft nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie sich durch Flucht dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion entzieht (lit. a), Personen beeinflusst oder auf Beweismittel einwirkt, um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen (lit. b), oder durch schwere Verbrechen oder Vergehen die Sicherheit anderer erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat (lit. c). Untersuchungs- und Sicherheitshaft dürfen nicht länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe (Art. 212 Abs. 3 StPO). Sie sind aufzuheben, sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind (Art. 212 Abs. 2 lit. a StPO). An Stelle der Untersuchungshaft sind Ersatzmassnahmen anzuordnen, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen (Art. 212 Abs. 2 lit. c und Art. 237 ff. StPO).
 
4.1 Vorliegend ist der allgemeine Haftgrund des dringenden Tatverdachts gegeben, wurde die Beschwerdeführerin doch erstinstanzlich des mehrfachen Mordes schuldig gesprochen. Die Beschwerdeführerin bestreitet auch die Erwägungen des angefochtenen Entscheids zur Fluchtgefahr nicht.
 
4.2 Sie rügt dagegen eine Verletzung des Beschleunigungsgebots, weil 15 Monate nach Ausfällung des Urteils immer noch keine Begründung desselben vorgelegen habe. Im angefochtenen Entscheid würden keine plausible Erklärung hierfür gegeben und keine Angabe zur weiteren Dauer des Verfahrens gemacht. Die Höhe der zu erwartenden Strafe sei irrelevant, weil das Beschleunigungsgebot ansonsten bei Verurteilung zu lebenslanger Haft wie im vorliegenden Fall überhaupt nicht mehr beachtet werden müsste. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, aufgrund der Verfahrensverschleppung müsse sie aus der Sicherheitshaft entlassen werden. Eine förmliche Feststellung der Verletzung des Beschleunigungsgebots hat sie vor Bundesgericht nicht beantragt.
 
4.3 Die Dauer der zu erwartenden Strafe ist für die Frage von Bedeutung, ob eine Überhaft i.S.v. Art. 212 Abs. 3 StPO droht. Im vorliegenden Fall wurde die Beschuldigte erstinstanzlich zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die seit 24. Dezember 2007 andauernde Haft, die im angefochtenen Entscheid bis zum 20. Dezember 2011 verlängert wurde, ist daher noch nicht in grosse zeitliche Nähe der konkret zu erwartenden Dauer der Freiheitsstrafe gerückt.
 
4.4 Dagegen ist der Beschwerdeführerin einzuräumen, dass sie Anspruch auf ein Urteil - einschliesslich Urteilsbegründung - innert angemessener Frist hat (Art. 5 Ziff. 3 EMRK; Art. 31 Abs. 3 Satz 2 BV). Zwar ist die Beschuldigte aufgrund der mündlichen Urteilseröffnung nicht mehr über den Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens im Ungewissen. Dagegen ist sie auf die Kenntnis der Urteilsgründe angewiesen, um ihre kantonale Nichtigkeitsbeschwerde gegen den erstinstanzlichen Strafentscheid zu begründen. Wird die Urteilsbegründung verschleppt, so verlängert dies die Gesamtdauer des Strafverfahrens (bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils) und damit auch die Dauer einer allfälligen Sicherheitshaft.
 
Die Verletzung des Beschleunigungsgebots führt jedoch (sofern keine Überhaft droht) nur ausnahmsweise zur Haftentlassung, wenn sie besonders schwer wiegt und zudem die Strafbehörden erkennen lassen, dass sie nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, das Verfahren nunmehr mit der für Haftfälle verfassungs- und konventionsrechtlich gebotenen Beschleunigung voranzutreiben (BGE 128 I 149 E. 2.2.1 S. 151 f.).
 
Welche Verfahrensdauer angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, die in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind (BGE 133 I 270 E. 3.4.2 S. 281 mit Hinweisen). Dabei sind insbesondere die Komplexität des Falls, das Verhalten des Angeschuldigten, die Behandlung des Falls durch die Behörden und dessen Bedeutung für den Angeschuldigten zu berücksichtigen (BGE 130 IV 54 E. 3.3.3 S. 56 f. mit Hinweisen).
 
Vorliegend geht es um einen besonders schwerwiegenden Strafvorwurf: Der Beschwerdeführerin wird mehrfacher Mord vorgeworfen und ihr droht eine lebenslängliche Freiheitsstrafe. Wie im angefochtenen Entscheid festgehalten wird und die Beschwerdeführerin nicht bestreitet, handelte es sich um einen äussert aufwendigen Indizienprozess. Die bisherige Gesamtdauer des Verfahrens (rund dreieinhalb Jahre) erscheint hierfür nicht übermässig.
 
Die Beschwerdeführerin rügt denn auch nur die übermässige Dauer des Verfahrensabschnitts zwischen Urteilsfällung und -begründung. Tatsächlich waren im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids bereits 15 Monate seit der Urteilsfällung verstrichen. Diese Dauer ist lang, kann aber per se noch nicht als übermässig erachtet werden. Hierfür kann auf die im angefochtenen Entscheid (E. 4.3) dargestellten Vergleichsfälle aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verwiesen werden. Der Beschwerdeführerin ist auch zu widersprechen, wenn sie meint, es bestehe keinerlei Zusammenhang zwischen der Komplexität des Strafverfahrens und der für die Begründung des Strafurteils angemessenen Dauer: Geht es um einen Mordvorwurf und steht eine lebenslängliche Freiheitsstrafe im Raum, gibt es aber weder ein Geständnis noch andere eindeutig für die Schuld der Beschuldigten sprechenden Beweise, sondern lediglich eine Vielzahl von Indizien, sind besonders hohe Anforderungen an die Beweiswürdigung und dementsprechend auch an die Begründung des Urteils zu stellen.
 
4.5 Insgesamt liegt jedenfalls keine schwerwiegende Verletzung des Beschleunigungsgebots vor, die eine Haftentlassung der Beschuldigten rechtfertigen würde. Immerhin wird es Aufgabe des Geschworenengerichts sein die Begründung alsbald abzuschliessen.
 
5.
 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten und hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 66 und 68 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft IV und dem Geschworenengericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 5. August 2011
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:
 
Aemisegger Gerber
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).