BGer 5A_300/2011 | |||
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BGer 5A_300/2011 vom 10.08.2011 | |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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5A_300/2011
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Urteil vom 10. August 2011
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II. zivilrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
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Bundesrichterin Escher, Bundesrichter von Werdt,
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Gerichtsschreiber Bettler.
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Verfahrensbeteiligte | |
X.________ (Ehemann),
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vertreten durch Rechtsanwalt Urs Hochstrasser,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Z.________ (Ehefrau),
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vertreten durch Rechtsanwalt Reto Leiser,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Eheschutz,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, vom 14. März 2011.
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Sachverhalt:
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A.
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X.________ (geb. 1974) und Z.________ (geb. 1983) heirateten im Oktober 2002 in Serbien. Sie wurden Eltern eines Sohnes (geb. 2003). Der Ehemann und der Sohn sind schweizerisch-serbische Staatsangehörige, die Ehefrau ist schweizerisch-montenegrinische Staatsangehörige. Die Ehegatten leben seit dem 6. Januar 2010 getrennt.
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B.
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Am 11. Januar 2010 reichte X.________ ein Eheschutzgesuch ein. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Ehefrau in Serbien, derweil der Ehemann und das Kind sich in der Schweiz aufhielten.
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Das Gerichtspräsidium C.________ stellte mit Urteil vom 15. September 2010 die Aufhebung des gemeinsamen Haushalts der Ehegatten per 6. Januar 2010 fest (Ziff. 1 des Dispositivs) und regelte das Getrenntleben. Es wies die ehelichen Wohnungen in A.________ und in B.________ X.________ zur Benützung zu (Ziff. 2 Dispositivs) und verpflichtete ihn, seiner Ehefrau persönliche Gegenstände aus der Wohnung in B.________ herauszugeben (Ziff. 3 des Dispositivs). Den Sohn stellte es unter die Obhut der Mutter (Ziff. 4 des Dispositivs), regelte das Besuchsrecht des Vaters und ordnete eine Erziehungsbeistandschaft an (Ziff. 5 des Dispositivs). Weiter verpflichtete das Gerichtspräsidium X.________ zu monatlichen Kinderunterhaltsbeiträgen von Fr. 300.-- bis Dezember 2010 und Fr. 800.-- ab Januar 2011 (Ziff. 6 des Dispositivs) und zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen an seine Ehefrau von Fr. 600.-- bis Dezember 2010 und Fr. 1'200.-- ab Januar 2011 (Ziff. 7 des Dispositivs). Schliesslich wies es X.________ zu einem Prozesskostenvorschuss von Fr. 4'000.-- an seine Ehefrau an (Ziff. 8 des Dispositivs). Die Gerichtskosten teilte es hälftig und schlug die Parteikosten wett (Ziff. 9 und 10 des Dispositivs).
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C.
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Dagegen erhob X.________ am 9. Dezember 2010 Beschwerde an das Obergericht des Kantons Aargau. Zusammenfassend verlangte er primär die Sistierung des Verfahrens (mit Ausnahme der Regelung der Kinderbelange) bis zum Abschluss des serbischen Scheidungs- beziehungsweise eines Strafverfahrens gegen Z.________, stellte eventualiter prozessuale Anträge im Zusammenhang mit der Obhutszuteilung (Kindesanhörung, Erstellung eines Gutachtens) und verlangte ebenfalls "eventualiter" die Aufhebung der Ziff. 4 - 10 des erstinstanzlichen Urteils.
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Mit Urteil vom 14. März 2011 wies das Obergericht des Kantons Aargau die von X.________ erhobene Beschwerde gegen das Urteil des Gerichtspräsidiums ab (Ziff. 1 des obergerichtlichen Dispositivs). Die Ziff. 4 - 6 des erstinstanzlichen Urteilsdispositivs hob das Obergericht von Amtes wegen auf und ersetzte Ziff. 4 insofern, als auf die Begehren der Parteien betreffend Kinderbelange nicht einzutreten sei (Ziff. 3 des obergerichtlichen Dispositivs). Es begründete dies damit, dass der Sohn nunmehr in Serbien wohne und zur Schule gehe, weshalb die schweizerische Zuständigkeit zur Regelung der Kinderbelange entfallen sei. Zudem auferlegte das Obergericht X.________ zu 9/10 die Gerichtskosten (Ziff. 4 des obergerichtlichen Dispositivs) und verpflichtete ihn zur Zahlung einer Parteientschädigung an Z.________ (Ziff. 5 des obergerichtlichen Dispositivs).
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D.
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Dem Bundesgericht beantragt X.________ (nachfolgend Beschwerdeführer) in seiner Beschwerde in Zivilsachen vom 21. April 2011 die kostenfällige Aufhebung der Ziff. 1, 4 und 5 des obergerichtlichen Urteils. Eventualiter sei die Angelegenheit zu neuer Entscheidung über die "sachliche" Zuständigkeit an das Obergericht zurückzuweisen. Subeventualiter sei ihm für die "Frage der Nebenfolgen die Gelegenheit zur Einreichung einer Rechtsvorkehr einzuräumen".
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Es sind die Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
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Erwägungen:
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1.
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Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die Anordnung von Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft (Art. 172 ff. ZGB). Dabei handelt es sich um einen Endentscheid in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 1 und Art. 90 BGG; BGE 133 III 393 E. 4 S. 395 f.). Waren vor dem Obergericht sowohl vermögensrechtliche wie auch nicht vermögensrechtliche Fragen strittig, ist die Beschwerde ohne Streitwerterfordernis gegeben (Art. 74 BGG; Urteil 5A_311/2010 vom 3. Februar 2011 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 137 III 118). Die Beschwerde in Zivilsachen ist damit grundsätzlich zulässig.
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2.
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2.1 Der Beschwerdeführer reicht dem Bundesgericht eine "Hauptwohnsitzbescheinigung" der Gemeinde A.________ vom 20. April 2011 ein, wonach er am 15. März 2011 nach B.________ weggezogen sei.
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2.2 Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). In der Beschwerde ist darzutun, inwiefern die Voraussetzung für ein nachträgliches Behaupten neuer Tatsachen oder das Einreichen neuer Beweismittel erfüllt sein soll (BGE 134 V 223 E. 2.2.1 S. 226).
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Erst nach dem angefochtenen Entscheid eingetretene Tatsachen oder erstellte Beweisurkunden sind unzulässig, da für diese von vornherein nicht der angefochtene Entscheid Anlass zur Einreichung vor Bundesgericht geben kann (BGE 135 I 221 E. 5.2.4 S. 229 f.; 133 IV 342 E. 2.1 S. 343 f.).
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2.3 Der angefochtene Entscheid erging am 14. März 2011. Die vom Beschwerdeführer eingereichte Beweisurkunde sowie die damit verbundene Tatsachenbehauptung des Wegzugs nach Serbien sind demnach unzulässig und haben unberücksichtigt zu bleiben.
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3.
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3.1 Der Beschwerdeführer beantragt, es seien die Ziff. 1 (Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist) sowie 4 und 5 (Gerichtskosten und Parteientschädigung) des obergerichtlichen Urteils aufzuheben. Eventualiter sei die Angelegenheit an das Obergericht zur Prüfung der Zuständigkeit in Bezug auf die "Nebenfolgen" zurückzuweisen.
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3.2
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3.2.1 Der Beschwerdeführer hat sich in seiner Beschwerde an das Obergericht nicht gegen die Dispositivziffern 1 - 3 des erstinstanzlichen Urteils gewendet. Das Obergericht hat deshalb im angefochtenen Entscheid festgehalten, dieser Teil des Urteils des Gerichtspräsidiums sei nicht mehr strittig (Ziff. 2.2 S. 11 des obergerichtlichen Urteils), was der Beschwerdeführer nicht bestreitet.
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3.2.2 Soweit der Beschwerdeführer mit seinen Anträgen an das Bundesgericht auch in Bezug auf die Ziff. 1 - 3 des erstinstanzlichen Urteils eine Beurteilung (im Sinne der Prüfung der Zuständigkeit) durch das Obergericht verlangt (vgl. insbesondere Ziff. 9 S. 4 der Beschwerde), ist sein Begehren neu und unzulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG), da er insoweit - wie soeben erwähnt - das Urteil des Gerichtspräsidenten vor dem Obergericht nicht angefochten hat (vgl. im Übrigen auch Art. 75 Abs. 1 BGG). Darauf ist nicht einzutreten.
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3.3
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3.3.1 Sodann wies das Obergericht die Beschwerde gegen die Dispositivziffern 4 - 6 des erstinstanzlichen Urteils ab, änderte jedoch das erstinstanzliche Dispositiv von Amtes wegen ab (Ziff. 3 des obergerichtlichen Dispositivs).
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3.3.2 Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesgericht nicht.
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3.4
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3.4.1 Die Beschwerde in Zivilsachen wendet sich damit - abgesehen von der Kostenregelung - einzig gegen den obergerichtlichen Urteilsspruch betreffend die erstinstanzlichen Dispositivziffern 7 und 8 (Ehegattenunterhalt und Prozesskostenvorschuss).
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3.4.2 Das Obergericht trat insoweit auf die kantonale Beschwerde nicht ein. Es begründete dies damit, dass die Beschwerdeanträge mit Blick auf § 333 Abs. 1 i.V.m. § 342 des Zivilrechtspflegegesetzes des Kantons Aargau vom 18. Dezember 1984 (ZPO; SAR 221.100; in Kraft bis 31. Dezember 2010) als formell ungenügend zu qualifizieren seien (Ziff. 2.2 S. 10 f. des obergerichtlichen Urteils).
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Im Dispositiv wies das Obergericht die Beschwerde gesamthaft ab und erwähnte nicht, dass darauf - wie soeben dargelegt - teilweise nicht hätte eingetreten werden können.
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3.4.3 Ob ein Sach- oder Prozessurteil vorliegt, bestimmt sich nicht nach der äusseren Bezeichnung eines Entscheides, sondern nach seinem Gehalt. Ein (teilweises) Prozessurteil ändert daher seinen Charakter nicht, wenn im Dispositiv fälschlicherweise die Beschwerde gesamthaft abgewiesen wird (BGE 116 II 196 E. 1b S. 198; zum Beizug der Urteilserwägungen zur Klärung der Tragweite des Urteilsdispositivs vgl. BGE 136 III 345 E. 2.1 S. 348).
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3.5 Richtet sich damit die Beschwerde in Zivilsachen einzig gegen das obergerichtliche Urteil, soweit es nicht auf die kantonale Beschwerde eingetreten ist, erübrigt sich insofern vor dem Bundesgericht ein materieller Antrag. Der Beschwerdeführer stellt einen Aufhebungsantrag und verlangt - im Eventualbegehren - die Rückweisung der Angelegenheit an das Obergericht zur Prüfung der "sachlichen Zuständigkeit". Es kann offen gelassen werden, ob sich dieses Begehren als rechtsgenüglich erweist (Art. 107 Abs. 2 BGG; vgl. Urteil 4A_170/2010 vom 30. Juni 2010 E. 2, nicht publ. in: BGE 136 III 523 und insbesondere Urteil 4A_330/2008 vom 27. Januar 2010 E. 2.1, nicht publ. in: BGE 136 III 102), da auf die Beschwerde ohnehin aus anderen Gründen (vgl. E. 5 unten) nicht eingetreten werden kann.
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4.
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4.1 Eheschutzentscheide sind Entscheide über vorsorgliche Massnahmen (BGE 133 III 393 E. 5 S. 396 f.). Nach Art. 98 BGG kann demnach nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Zur Anwendung gelangt das Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG), weshalb das Bundesgericht keine Rechtsanwendung von Amtes wegen vornimmt. Es muss vielmehr klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheides dargelegt werden, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen. Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 134 I 83 E. 3.2 S. 88 mit Hinweisen).
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4.2 Wird eine Verletzung des Willkürverbots geltend gemacht, muss im Einzelnen aufgezeigt werden, inwiefern der angefochtene Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246).
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Willkür in der Rechtsanwendung liegt dann vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5). Willkür liegt nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 136 I 309 E. 4.4 S. 315), was der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde aufzuzeigen hat (BGE 131 I 217 E. 2.1 S. 219).
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5.
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5.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV).
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Das Obergericht habe zwar für die Kinderbelange festgestellt, dass die Schweiz nicht (mehr) zuständig sei. Für die "weiteren Fragen der Nebenfolgen" habe das Obergericht aber schweizerisches Recht angenommen. Diese Ungleichbehandlung erweise sich als willkürlich (Ziff. 5 S. 4 der Beschwerde). Zudem sei das Obergericht nicht nur für die Kinderbelange nicht mehr international zuständig, sondern auch für die Regelung der übrigen Folgen des Getrenntlebens (Ziff. 7 ff. S. 4 der Beschwerde).
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Schliesslich habe das Obergericht in willkürlicher Weise seinen Antrag auf Sistierung des Verfahrens nicht behandelt beziehungsweise - sofern es die internationale Zuständigkeit der Schweiz bejaht hätte - ihm keine ergänzende Frist eingeräumt (Ziff. 6 S. 4 der Beschwerde).
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5.2 Die Rügen des Beschwerdeführers gehen am obergerichtlichen Entscheid vorbei und es braucht von vornherein nicht darauf eingegangen zu werden, zumal es damit auch an der Entscheidwesentlichkeit der Willkürrügen fehlt (vgl. E. 4.2 oben).
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Das Obergericht ist wie erwähnt auf die Beschwerde betreffend die Regelung des Ehegattenunterhalts und der Zusprechung eines Prozesskostenvorschusses mangels genügender Anträge nicht eingetreten (vgl. E. 3.4.2 oben). Dazu äussert sich der Beschwerdeführer nicht und bezeichnet damit ebenso wenig die kantonale Bestimmung, gegen die das Obergericht willkürlich verstossen haben soll, was bei einer Rüge der willkürlichen Anwendung von kantonalem Recht aber gerade nötig wäre (BGE 110 Ia 1 E. 2a S. 3 f.). Diese Rügen erweisen sich demnach als unzulässig.
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6.
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Aus den dargelegten Gründen ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Der Beschwerdeführer wird kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden (Art. 68 Abs. 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 10. August 2011
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Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Hohl
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Der Gerichtsschreiber: Bettler
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© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |