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Informationen zum Dokument  BGer 1B_314/2011  Materielle Begründung
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BGer 1B_314/2011 vom 20.09.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1B_314/2011
 
Urteil vom 20. September 2011
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Merkli, Eusebio,
 
Gerichtsschreiber Mattle.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft,
 
Hauptabteilung OK/WK, Rheinstrasse 12,
 
Postfach, 4410 Liestal, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
X.________, Beschwerdegegnerin,vertreten durch Rechtsanwalt Rudolf Kunz,
 
weitere Beteiligte:
 
Y.________,
 
Z.________.
 
Gegenstand
 
Strafverfahren; Nichtanhandnahmeverfügung,
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 26. April 2011 des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Eingabe vom 19. August 2010 erstattete X.________ Strafanzeige gegen Y.________ und Z.________ wegen Veruntreuung, Betrugs, ungetreuer Geschäftsbesorgung und Urkundenfälschung. Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft erliess am 21. Januar 2011 eine Nichtanhandnahmeverfügung betreffend das Strafverfahren gegen Y.________ und Z.________.
 
B.
 
Eine von X.________ gegen die Nichtanhandnahmeverfügung erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Beschluss vom 26. April 2011 gut. Es hob die Nichtanhandnahmeverfügung auf und wies die Staatsanwaltschaft an, eine Untersuchung zu eröffnen sowie die weiteren erforderlichen Abklärungen durch Vornahme geeigneter Beweiserhebungen zu treffen.
 
C.
 
Gegen den Entscheid des Kantonsgerichts gelangt die Staatsanwaltschaft mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht. Sie beantragt, der angefochtene Beschluss sei abzuändern und ihre Nichtanhandnahmeverfügung vom 21. Januar 2011 zu bestätigen. Eventualiter sei der angefochtene Beschluss aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
D.
 
Die Vorinstanz und die Beschwerdegegnerin beantragen die Abweisung der Beschwerde. Y.________ und Z.________ liessen sich nicht vernehmen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Mit dem angefochtenen Entscheid wurde die Staatsanwaltschaft angewiesen, eine Strafuntersuchung zu eröffnen. Er betrifft damit eine Strafsache im Sinne von Art. 78 Abs. 1 BGG. Das Kantonsgericht ist Vorinstanz des Bundesgerichts im Sinne von Art. 80 BGG. Beim angefochtenen Rückweisungsentscheid handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der das Strafverfahren nicht abschliesst. Gegen Vor- und Zwischenentscheide, die weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betreffen (vgl. Art. 92 BGG), ist die Beschwerde ans Bundesgericht gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG zulässig, wenn der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Die Eintretensvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG sollen das Bundesgericht entlasten. Dieses soll sich möglichst nur einmal mit einer Sache befassen und sich überdies nicht bereits in einem frühen Verfahrensstadium ohne genügend umfassende Sachverhaltskenntnis teilweise materiell festlegen müssen. Können allfällige Nachteile in verhältnismässiger Weise auch noch mit einer bundesgerichtlichen Beurteilung nach Ausfällung des Endentscheids behoben werden, so tritt das Bundesgericht auf gegen Vor- und Zwischenentscheide gerichtete Beschwerden nicht ein (BGE 135 II 30 E. 1.3.2 S. 34 f.).
 
2.
 
2.1 Die Beschwerdeführerin bringt vor, in der ihr auferlegten Pflicht, eine Strafuntersuchung zu eröffnen, liege ein nicht wieder gutzumachender Nachteil. Sinngemäss macht sie geltend, ihr sei nicht zuzumuten, der von ihr als falsch erachteten Weisung Folge zu leisten. Einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil erblickt die Beschwerdeführerin sodann darin, dass der Staat nach Art. 429 StPO im Falle der Einstellung einer Strafuntersuchung oder eines Freispruchs gegenüber der beschuldigten Person grundsätzlich entschädigungspflichtig werde. Beim Recht des Beschuldigten auf eine solche Entschädigung handle es sich um einen rechtlichen Nachteil, den die Staatsanwaltschaft erleide, wenn eine Strafuntersuchung zunächst eröffnet und schliesslich eingestellt werde.
 
2.2 Von einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG wird gesprochen, wenn dieser auch durch ein nachfolgendes günstiges Urteil nicht oder nicht mehr vollständig behoben werden kann (BGE 135 I 261 E. 1.2 S. 263 mit Hinweisen). Im Verfahren der Beschwerde in Strafsachen muss der nicht wieder gutzumachende Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht bloss tatsächlicher, sondern rechtlicher Natur sein (BGE 136 IV 92 E. 4 S. 95; 133 IV 139 E. 4 S. 141). Kein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist anzunehmen, wenn es einer Partei bloss darum geht, eine Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens zu verhindern (BGE 135 II 30 E. 1.3.4 S. 36). Ein Rückweisungsentscheid, mit dem eine Sache zur neuen Abklärung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, bewirkt in der Regel keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil, führt er doch bloss zu einer (dieses Kriterium nach dem Gesagten nicht erfüllenden) Verlängerung des Verfahrens (BGE 133 V 477 E. 5.2.1 S. 483).
 
2.3 Vorliegend wurde die Beschwerdeführerin von der Vorinstanz angewiesen, eine Strafuntersuchung zu eröffnen und die weiteren erforderlichen Abklärungen durch Vornahme geeigneter Beweiserhebungen zu treffen. Allein in der Anweisung, eine Strafuntersuchung zu eröffnen bzw. in der damit verbundenen Verteuerung und Verlängerung des Verfahrens, ist ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG für die Beschwerdeführerin nach dem Gesagten nicht zu erblicken (vgl. Urteil 1B_265/2011 vom 22. Juli 2011 E. 1.4 mit Hinweis). Daran ändert auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Praxis des Bundesgerichts nichts, wonach einer Gemeinde, die durch einen Rückweisungsentscheid gezwungen wird, entgegen ihrer Auffassung eine neue Anordnung zu erlassen, nicht zuzumuten ist, einer von ihr als falsch erachteten Weisung Folge zu leisten, um alsdann ihren eigenen Entscheid anzufechten (vgl. BGE 133 V 477 E. 5.2.2 S. 483 f. mit Hinweisen). Dies weil die Beschwerdeführerin von der Vorinstanz zwar angewiesen wurde, eine Strafuntersuchung zu eröffnen und die erforderlichen Abklärungen zu treffen, nicht jedoch, eine unerwünschte Anordnung zu erlassen, um in der Folge den eigenen Entscheid anfechten zu müssen.
 
2.4 Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil für die Beschwerdeführerin lässt sich sodann auch nicht daraus ableiten, dass eine beschuldigte Person nach Art. 429 ff. StPO unter Umständen Anspruch auf eine Entschädigung hat, wenn sie ganz oder teilweise freigesprochen wird oder das Verfahren gegen sie eingestellt wird. Der Anspruch der beschuldigten Person auf eine Entschädigung nach Art. 429 ff. StPO ist zwar eine mögliche Folge einer Verfahrenseinstellung oder eines Freispruchs, welche das Gemeinwesen treffen kann. Es handelt sich hierbei aber nicht um einen konkreten rechtlichen Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG für die vorliegend beschwerdeführende Staatsanwaltschaft. Daran ändert auch deren Einwand nichts, sie sei gestützt auf Art. 381 StPO i.V.m. Art. 81 BGG berechtigt, letztinstanzliche kantonale Entscheide in Strafrechtssachen auf ihre Kostenfolgen überprüfen zu lassen.
 
3.
 
Weiter macht die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG geltend, die Gutheissung ihrer Beschwerde würde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit aufwendige Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft sowie den damit verbundenen Kosten- und Zeitaufwand ersparen. Eine Anfechtung des vorinstanzlichen Zwischenentscheids gestützt auf Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt indessen ebenfalls ausser Betracht, zumal das Bundesgericht die Voraussetzung, wonach die Gutheissung der Beschwerde einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen muss, im Strafverfahren restriktiv auslegt (Urteil 1B_155/2011 vom 14. Juni 2011 E. 1.4 mit Hinweis). Zwar hat die Vorinstanz die Beschwerdeführerin angewiesen, ein Strafverfahren zu eröffnen und die weiteren erforderlichen Abklärungen durch Vornahme geeigneter Beweiserhebungen zu treffen. Ein bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ist aber nicht notwendigerweise Folge des vorinstanzlichen Zwischenentscheids. Dieser verhindert nämlich nicht, dass die Beschwerdeführerin nach Eröffnung der Strafuntersuchung und den erforderlichen Abklärungen das Verfahren einstellt, sofern sie dannzumal zum Schluss kommt, dass die Voraussetzungen für eine Einstellung nach Art. 319 StPO erfüllt sind.
 
4.
 
Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unzulässig, weshalb darauf nicht einzutreten ist. Damit erübrigt sich die Prüfung allfälliger weiterer Eintretenshindernisse. Der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen, weil sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis und nicht im eigenen Vermögensinteresse handelt (vgl. Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Basel-Landschaft hat der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (vgl. Art. 68 Abs. 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Der Kanton Basel-Landschaft hat der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- zu bezahlen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, den weiteren Beteiligten und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 20. September 2011
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Mattle
 
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