BGer 6B_484/2011 | |||
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BGer 6B_484/2011 vom 13.10.2011 | |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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6B_484/2011
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Urteil vom 13. Oktober 2011
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Strafrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Mathys, Präsident,
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Bundesrichter Schneider, Denys,
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Gerichtsschreiberin Unseld.
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Verfahrensbeteiligte | |
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Yves Derendinger,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, 4502 Solothurn,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Unwahre Angaben über kaufmännische Gewerbe, ungetreue Geschäftsbesorgung; Verletzung des Anklagegrundsatzes etc.,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 23. März 2011.
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Sachverhalt:
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A.
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Das Amtsgericht Solothurn-Lebern sprach X.________ mit Urteil vom 8.-10. Juni 2009 der unwahren Angaben über kaufmännische Gewerbe, der mehrfachen qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung, der mehrfachen Unterlassung der Buchführung sowie der mehrfachen Misswirtschaft schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren.
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Gegen dieses Urteil legten X.________ Appellation und die Staatsanwaltschaft Anschlussappellation ein. Das Obergericht des Kantons Solothurn verurteilte X.________ am 23. März 2011 wegen unwahrer Angaben über kaufmännische Gewerbe, qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung, mehrfacher Unterlassung der Buchführung und Misswirtschaft zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 21 Monaten.
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Das Obergericht hält folgenden Sachverhalt für erwiesen:
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X.________ war alleiniger Geschäftsführer und ab dem 10. März 2005 zugleich einziger Verwaltungsrat der Y.________ AG, welche er seit deren Gründung faktisch nach Belieben beherrschte. Zwischen dem 22. Juli 2004 und August 2005 machte er in öffentlichen Bekanntmachungen im Internet und in der Presse wissentlich unwahre und unvollständige Angaben über die Y.________ AG. Dadurch erweckte er bewusst den Eindruck, dass die Massenproduktion von Plastikpaletten unmittelbar bevorstand und der Absatz dieser Paletten zu einem grossen Teil bereits gesichert war. Diese völlig falschen Angaben betreffend die wirtschaftliche Potenz der Y.________ AG waren geeignet, andere - durch den Kauf von Y.________ AG-Aktien - zu schädigenden Vermögensverfügungen zu veranlassen, da die Aktien der Y.________ AG keinen dem Kaufbetrag entsprechenden Wert hatten. Tatsächlich besass die Y.________ AG ausser einem Extruder und einer Maschine nichts, was eine Produktion von Paletten oder gar eine Massenproduktion hätte ermöglichen können. Die Y.________ AG hatte im August 2005 nicht nur sämtliche liquiden Mittel verbraucht, sondern auch Schulden in der Höhe von Fr. 232'000.-- bzw. unter Einbezug aller Ausstände in China von über Fr. 1 Mio.
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Zwischen dem 3. Mai 2004 und dem 17. August 2005 liessen insgesamt 57 Aktionäre der Y.________ AG Fr. 1'557'350.-- aus dem Verkauf von Y.________ AG-Aktien zukommen. Zusätzlich erhielt die Y.________ AG Darlehen. Andere Einnahmequellen, insbesondere Geschäftseinnahmen, hatte sie nicht. X.________ kümmerte sich nicht um kaufmännische und betriebswirtschaftliche Grundsätze beim Aufbau der Y.________ AG als Start-up-Unternehmung und benutzte deren finanziellen Mittel zum grossen Teil für die Finanzierung seines aufwendigen Lebensstils (Luxusautos, Wohnungsmiete etc.), teilweise auch für nutzlose Aufwendungen geschäftlicher Natur. Den Zugriff auf das Vermögen der Y.________ AG sicherte er sich beispielsweise vor der Gründung der Gesellschaft über einen Beratervertrag vom 1. Mai 2004, welcher monatliche Verpflichtungen von Fr. 27'700.-- vorsah, womit die anfänglichen Eigenmittel der Y.________ AG von Fr. 50'000.-- (ohne die Antrittsentschädigung von Fr. 200'000.--) innert knapp zwei Monaten aufgebraucht gewesen wären. Die von den Investoren überwiesenen Gelder bezog er jeweils umgehend und gab sie für die weitgehend privaten Bedürfnisse aus. Selber brachte er nie Gelder in die Y.________ AG ein.
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B.
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X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 23. März 2011 aufzuheben und ihn von sämtlichen Vorhalten freizusprechen. Zudem seien ihm für die Freisprüche eine Entschädigung von Fr. 2'126'000.-- und eine Genugtuung in richterlich zu bestimmender Höhe zuzusprechen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
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Erwägungen:
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1.
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1.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des in Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 und 3 lit. a und b EMRK verankerten Anklageprinzips. Der Anklagegrundsatz erfordere eine präzise Bezeichnung der Beweismittel. Ein Polizeibericht sei kein rechtsgenügendes Beweismittel. Der undifferenzierte Verweis auf die Akten sei ungenügend. Die teilweise, wenn auch nur rudimentär und für gewisse Sachverhalte angebrachten Verweise beträfen ganze Ordner. Die Staatsanwaltschaft habe absolut keine Gewichtung und kritische Würdigung der Akten vorgenommen, sondern sämtliche im Ermittlungsverfahren gesammelten Akten vor Gericht eingereicht. Sie habe es unterlassen, den Aktenumfang um die nicht relevanten Unterlagen zu kürzen. Für eine sachgerechte Verteidigung wäre es nötig gewesen, sämtliche 130 Ordner und über 30'000 Seiten Akten zu studieren, was nicht möglich sei.
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1.2 Am 1. Januar 2011 trat die Schweizerische Strafprozessordnung (StPO/CH; SR 312.0) in Kraft. Ist ein Entscheid vor Inkrafttreten der StPO gefällt worden, so werden Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt (Art. 453 Abs. 1 StPO/CH). Für Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Entscheide höherer Gerichtsinstanzen, die nach Inkrafttreten der StPO nach bisherigem Recht gefällt werden, gilt das bisherige Recht (Art. 454 Abs. 2 StPO). Das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Solothurn-Lebern ist im Juni 2009 ergangen. Das kantonale Verfahren einschliesslich die Berufung an das Obergericht des Kantons Solothurn und die dagegen vor Bundesgericht erhobenen Rügen richten sich daher weiterhin nach der Strafprozessordnung des Kantons Solothurn vom 7. Juni 1970 (aStPO/SO).
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1.3 Die Anforderungen an die Anklageschrift waren im Kanton Solothurn in § 100 Abs. 2 aStPO/SO geregelt. Danach hat die Anklageschrift möglichst kurz, aber genau die dem Beschuldigten vorgeworfenen Straftaten mit Beschreibung von Ort und Zeit der Tatausführung, der Verletzten sowie des täterischen Vorgehens zu bezeichnen sowie die nach Auffassung des Staatsanwalts erfüllten Straftatbestände und die Beweisanträge des Staatsanwalts anzuführen.
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Nach dem aus Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV sowie aus Art. 6 Ziff. 1 und 3 lit. a und b EMRK abgeleiteten Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens. Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe genügend konkretisiert sind. Das Anklageprinzip bezweckt zugleich den Schutz der Verteidigungsrechte der angeschuldigten Person und dient dem Anspruch auf rechtliches Gehör (BGE 126 I 19 E. 2a; 120 IV 348 E. 2b mit Hinweisen).
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Das Bundesgericht prüft die Anwendung der BV und der EMRK mit voller Kognition, das kantonale Verfahrensrecht hingegen nur auf Willkür (vgl. Art. 95 BGG). Die Rüge der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht muss in der Beschwerde vorgebracht und begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Es gelten erhöhte Begründungsanforderungen (vgl. BGE 133 IV 286 E. 1.4; 133 II 396 E. 3.2).
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1.4 Die Vorinstanz verneint eine Verletzung des Anklagegrundsatzes. Sie weist willkürfrei darauf hin (vgl. angefochtenes Urteil E. 2b S. 12 f.), dass § 100 aStPO/SO, anders als Art. 126 aBStP (vgl. BGE 120 IV 348 E. 3e), die Staatsanwaltschaft nicht verpflichtet, in der Anklageschrift die Beweismittel zu benennen. Sie führt zudem zutreffend aus, dass sich ein entsprechendes Erfordernis auch nicht aus dem übergeordneten Recht ergibt (vgl. zur Rechtslage unter der StPO/CH: NIKLAUS SCHMID, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2009, N. 1269 S. 581; STEFAN HEIMGARTNER/MARCEL ALEXANDER NIGGLI, Basler Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2011, N. 3 zu Art. 325 StPO/CH; NATHAN LANDSHUT, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch/Lieber/Hansjakob [Hrsg.], 2010, N. 2 zu Art. 325 StPO/CH). Ebenso wenig kann ihr eine Verletzung von Bundesrecht oder eine willkürliche Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts vorgeworfen werden, wenn sie davon ausgeht, es sei nicht Sache der Anklagebehörde, die Verfahrensakten auf die aus ihrer Sicht massgeblichen Akten zu reduzieren, mithin zu "verwesentlichen" (angefochtenes Urteil S. 13). § 101 Abs. 1 aStPO/SO verpflichtet die Staatsanwaltschaft, dem zuständigen Gericht die Untersuchungsakten zusammen mit der Anklageschrift zuzustellen. Eine Reduzierung auf besonders wesentliche Aktenstücke wäre damit nicht vereinbar. Dass die Ermittlungsakten für das Verfahren offensichtlich unerhebliche Unterlagen enthalten hätten, legt der Beschwerdeführer nicht dar.
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1.5 Die Vorinstanz argumentiert, die Verweise, wie sie die Staatsanwaltschaft teilweise vorgenommen habe, seien als freiwillige Dienstleistung zu verstehen. Der beanstandete Verweis auf einen ganzen Ordner betreffe Register 2.2.3., der in chronologischer Reihenfolge die jeweiligen Inhalte der in der Anklageschrift zitierten Webseiten enthalte. In der Anklageschrift werde mehrfach auf den Bericht der Buchsachverständigen der Polizei vom 13. Februar 2008 hingewiesen. Dieser enthalte auf knapp 60 Seiten sehr ausführlich die Ergebnisse der Ermittlungen und die Vorwürfe an die Beschuldigten. Dokumentiert werde der Bericht mit Kopien von wesentlichen Aktenstücken sowie der selbst nachgeführten Buchhaltung samt Belegen. Den Beschuldigten seien die wesentlichen Aktenstücke bei den zahlreichen und umfangreichen Einvernahmen vorgehalten und Kopien davon nach den jeweiligen Einvernahmeprotokollen abgelegt worden. Die Verteidiger hätten keineswegs die ganzen, tatsächlich aussergewöhnlich umfangreichen Akten studieren müssen, "um sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten". Dass sie sich - zu Recht - eingehend mit den Akten befasst hätten, zeigten die von der ersten Instanz genehmigten Honorarnoten (angefochtenes Urteil S. 13).
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Inwiefern dem Beschwerdeführer unter diesen Umständen eine effiziente Verteidigung nicht hätte möglich sei sollen, ist nicht ersichtlich und wird in der Beschwerde auch nicht ausreichend begründet. Ein Aktenumfang von 130 Ordnern mag erheblich sein, was jedoch auf die Komplexität des Verfahrens zurückzuführen ist, sowie ob und inwieweit die strafrechtlichen Vorwürfe mangels Geständnis anderweitig bewiesen werden müssen. Entscheidend ist nicht der Aktenumfang als solches, sondern dass eine korrekte Ordnung, Paginierung und Indexierung stattfindet. Dies wird vom Beschwerdeführer mit Recht nicht beanstandet.
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2.
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2.1 Der Beschwerdeführer wendet ein, die Vorinstanz nehme an, er sei faktisches Organ der Y.________ AG gewesen, obschon die Anklageschrift auf diese Behauptung nicht eingehe. Nicht aufgezeigt werde darin zudem, dass tatsächlich er für die Publikationen im Internet und den Presseportalen verantwortlich war. Das Anklageprinzip sei auch in dieser Hinsicht verletzt.
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2.2 Dem Beschwerdeführer wird in der Anklageschrift vom 4. August 2008 (S. 6; angefochtenes Urteil S. 49) vorgeworfen, er sei Geschäftsführer und ab dem 10. März 2005 einziger Verwaltungsrat der Y.________ AG gewesen. Er habe die Unternehmung faktisch nach Belieben beherrscht und insbesondere über die Verwendung der Gelder im Alleingang bestimmt. Es ergibt sich daraus zudem ohne Weiteres, dass der Beschwerdeführer die Publikation der unwahren Angaben im Internet und der Presse selber vorgenommen bzw. veranlasst haben soll (Anklageschrift S. 5; angefochtenes Urteil S. 22). Die Anklageschrift ist ausreichend präzise. Eine Verletzung des Anklageprinzips ist zu verneinen. Ob der Beschwerdeführer als (faktisches) Organ im Sinne von Art. 152 StGB zu gelten hat, ist eine Rechtsfrage. Dazu hat sich die Anklageschrift gemäss § 100 Abs. 3 und 4 aStPO/SO nicht zu äussern. Nicht erforderlich ist, wie bereits erwähnt, dass die Vorwürfe in der Anklageschrift mit Beweisen belegt werden.
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3.
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3.1 Der Beschwerdeführer beanstandet, die Vorinstanz habe verschiedentlich auf Aussagen von Belastungszeugen abgestellt, mit welchen er nie konfrontiert worden sei. Der grösste Teil dieser Aussagen sei auf dem Rechtshilfeweg erfolgt. Weder er noch sein Verteidiger oder das Gericht hätten sich ein Bild über deren Glaubhaftigkeit machen können. Die Vorinstanz hätte die Zeugen persönlich anhören sollen. Die genannten Aussagen seien weder in der Anklageschrift, in den Ausführungen der Staatsanwaltschaft vor erster und zweiter Instanz noch im erstinstanzlichen Urteil erwähnt worden. Er habe bis zum Urteil der Vorinstanz nicht ahnen können, dass diesen ausschlaggebende Bedeutung zukomme (Beschwerde S. 8 f.).
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3.2 Der in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK garantierte Anspruch des Angeschuldigten, den Belastungszeugen Fragen zu stellen, ist ein besonderer Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Eine belastende Zeugenaussage ist grundsätzlich nur verwertbar, wenn der Beschuldigte wenigstens einmal während des Verfahrens angemessene und hinreichende Gelegenheit hatte, das Zeugnis in Zweifel zu ziehen und Fragen an den Belastungszeugen zu stellen. Dieser Anspruch wird als Konkretisierung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) auch durch Art. 32 Abs. 2 BV gewährleistet (BGE 131 I 476 E. 2.2 S. 480; 129 I 151 E. 3.1 mit Hinweisen). Damit die Verteidigungsrechte gewahrt sind, muss der Beschuldigte namentlich in der Lage sein, die Glaubhaftigkeit einer Aussage prüfen und den Beweiswert in kontradiktorischer Weise auf die Probe und infrage stellen zu können (BGE 133 I 33 E. 2.2; 131 I 476 E. 2.2 S. 481; 129 I 151 E. 4.2; je mit Hinweisen).
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3.3 Das Recht, Belastungs- und Entlastungszeugen zu befragen, untersteht dem (vorliegend noch anwendbaren kantonalen) Verfahrensrecht. Entsprechende Gesuche um Zeugenbefragung sind den Behörden formgerecht einzureichen. Der Beschuldigte kann den Behörden grundsätzlich nicht vorwerfen, gewisse Zeugen nicht vorgeladen zu haben, wenn er es unterlässt, rechtzeitig und formgerecht die entsprechenden Beweisanträge zu stellen (BGE 131 I 476 E. 2.1; 125 I 127 E. 6c/bb mit Hinweisen). Ob ein Antrag auf Befragung von Belastungszeugen unter dem Aspekt von Treu und Glauben rechtzeitig vorgebracht wurde, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab (Urteile 6B_10/2009 vom 6. Oktober 2009 E. 2.2.4; 6B_521/2008 vom 26. November 2008 E. 5.3.1; 1P.285/2001 vom 9. November 2001 E. 1e). Auf das Recht der Befragung von Belastungszeugen kann verzichtet werden. Ein derartiger Verzicht führt dazu, dass die in der Untersuchung gemachten Aussagen der Zeugen verwendet werden dürfen (BGE 121 I 306 E. 1b mit Hinweisen).
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Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
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3.4 Obschon der Beschwerdeführer Kenntnis von den ihn belastenden Aussagen hatte, stellt er den Antrag auf Durchführung der Konfrontationseinvernahmen erstmals im bundesgerichtlichen Verfahren. Dass erst der angefochtene Entscheid Anlass dazu gab, zeigt er nicht auf und ist auch nicht ersichtlich. Der blosse Hinweis, diese seien erstmals im zweitinstanzlichen Urteil erwähnt worden, genügt hierfür nicht. Abgesehen davon erweist sich dieser Vorwurf, zumindest bezüglich der angeblichen Nichterwähnung im Urteil des Amtsgerichts Solothurn-Lebern, auch als teilweise unzutreffend (vgl. S. 22 f. und 25 f. des erstinstanzlichen Urteils, wo auf Aussagen von A.________, B.________, C.________ und D.________ Bezug genommen wird). Die Vorinstanz bestätigte die erstinstanzlichen Schuldsprüche, wenn auch unter Bezugnahme auf weitere Beweise in den vom Beschwerdeführer bestrittenen Punkten. Der Beschwerdeführer setzt sich mit der erst- und zweitinstanzlichen Beweiswürdigung nicht auseinander. Er stellt die betreffenden Aussagen auch nicht konkret infrage, sondern macht lediglich geltend, es habe sich bei einem Teil der "Zeugen" um Personen gehandelt, die im Zeitpunkt ihrer Aussage noch Mitbeschuldigte gewesen seien und ihre "Haut hätten retten wollen" (Beschwerde S. 9). Bei dieser Sachlage ist von einem Verzicht des Beschwerdeführers auf den Konfrontationsanspruch im kantonalen Verfahren auszugehen. Die Vorinstanz durfte auf die besagten Einvernahmen abstellen. Offen bleiben kann, ob diesen wie in der Beschwerde behauptet, ausschlaggebende Bedeutung zukommt.
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Inwiefern die Vorinstanz das kantonale Verfahrensrecht willkürlich angewendet haben soll, indem sie die auf dem Rechtshilfeweg einvernommenen Personen nicht persönlich anhörte, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Auf die Rüge ist nicht einzutreten (Art. 106 Abs. 2 BGG).
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4.
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4.1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorinstanzliche Beweiswürdigung. Die Vorinstanz berufe sich im Zusammenhang mit dem Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung mehrfach auf den Polizeibericht und die Geldflussdarstellung. Diese würden keine Beweismittel darstellen. Die Geldflussdarstellung sei zudem schlicht falsch, da nicht alle Belege berücksichtigt worden seien. Ihm werde vorgeworfen, der Geldfluss der Y.________ AG sei nicht durchsichtig. Umso mehr erstaune, dass die Staatsanwaltschaft seinem Anwalt verschiedene Akten, darunter Belege in chinesischer und russischer Sprache über Auslagen in China und Russland als ihrer Ansicht nach irrelevant zurückgegeben habe. Die retournierten Belege seien in der Folge wieder eingereicht worden. Sie hätten entgegen der Auffassung der Vorinstanz jedoch offensichtlich keinen Eingang in die Geldflussdarstellung gefunden.
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4.2 Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann nur gerügt werden, wenn sie willkürlich (Art. 9 BV) ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 134 IV 36 E. 1.4.1).
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Willkür bei der Beweiswürdigung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 134 I 140 E. 5.4 mit Hinweisen). Die Rüge der Willkür muss präzise vorgebracht und begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). In der Beschwerde muss im Einzelnen dargelegt werden, inwiefern der angefochtene Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet. Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 II 489 E. 2.8; je mit Hinweisen).
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4.3 Die vom Beschwerdeführer angesprochene Geldflussdarstellung von E.________ (kant. Akten, Rubr. 3.1.2) sowie weitere wissenschaftliche Polizeiberichte (vgl. kant. Akten, Rubr. 3.1) wurden von Mitarbeitern des auf Wirtschaftsdelikte spezialisierten Dienstes der Kriminalabteilung der Kantonspolizei Solothurn verfasst. Gutachten von dauernd bestellten Sachverständigen der kriminaltechnischen und wissenschaftlichen Dienste sind auch in Art. 183 Abs. 2 StPO/CH ausdrücklich als Beweismittel zugelassen (vgl. ANDREAS DONATSCH, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch/Lieber/Hansjakob [Hrsg.], 2010, N. 7 zu Art. 183 StPO/CH). Sie unterliegen, wie jedes andere Beweismittel, der freien richterlichen Beweiswürdigung (vgl. BGE 136 II 539 E. 3.2; 133 II 384 E. 4.2.3 mit Hinweisen). Eine willkürliche Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts ist nicht auszumachen.
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4.4 Die Vorinstanz führt zusammengefasst aus, die Behauptung des Beschwerdeführers, die von ihm bei der Staatsanwaltschaft eingereichten Belege über Auslagen in China seien in der Geldflussdarstellung ignoriert worden, sei falsch (angefochtenes Urteil S. 65 f.). Auf die Geldflussdarstellung könne abgestellt werden, auch wenn der Beschwerdeführer vor erster Instanz noch einige zusätzliche (von der Sprache her für das Gericht unüberprüfbare) Belege aus China und Russland nachgereicht habe. Dies ändere angesichts der kleinen Beträge am Gesamtbild kaum etwas. Im Übrigen sei die vom Beschwerdeführer eingereichte Aufstellung in Beilage 8 weder von der Darstellung her noch inhaltlich nachvollziehbar. Was mit den weiteren Auflistungen (Beilagen 9 bis 15) für angebliche Zahlungen nach dem 31. August 2005 Relevantes zum Verfahren beigetragen werden solle, sei nicht ersichtlich (angefochtenes Urteil S. 67).
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Der Beschwerdeführer setzt sich mit den vorinstanzlichen Ausführungen nicht auseinander. Nicht weiter begründet wird auch der Vorwurf, in der Geldflussdarstellung würden finanzielle Transaktionen der Y.________ AG und der Z.________ GmbH vermischt (vgl. Beschwerde Ziff. 12 S. 13). Auf die Rüge, die Geldflussdarstellung sei offensichtlich falsch, ist nicht einzutreten (Art. 106 Abs. 2 BGG).
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5.
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5.1 Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung von Art. 152 StGB geltend. Bei den Adressaten der unwahren Angaben entstehe die Motivation zur Fehldisposition dadurch, dass die Angaben durch ein Organ gemacht würden. Dieses sei aufgrund seiner Stellung vertrauenswürdiger. Der Tatbestand sei nur erfüllt, wenn für den Adressatenkreis ersichtlich sei, dass die Angaben durch das entsprechende Organ erfolgt bzw. diesem zuzurechnen seien. Er habe sich aufgrund einer allfälligen faktischen Organstellung daher nur nach Art. 152 StGB strafbar machen können, wenn ein Adressat der Angaben um die tatsächlichen Verhältnisse bei der Y.________ AG gewusst habe. Dies könne bezüglich der Inserate und Berichte in den Medien sowie den auf den Websites aufgeschalteten Angaben nicht nachgewiesen werden. Die Adressaten, welche davon ausgegangen seien, er habe eine faktische Organstellung inne, hätten allesamt ausgesagt, sie seien nicht getäuscht worden. Keiner von ihnen habe behauptet, er sei durch unwahre Angaben zu einer Vermögensverfügung veranlasst worden.
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5.2 Wegen unwahrer Angaben über kaufmännische Gewerbe nach Art. 152 StGB macht sich u.a. strafbar, wer als Mitglied der Geschäftsführung oder des Verwaltungsrates einer Handelsgesellschaft in öffentlichen Bekanntmachungen unwahre oder unvollständige Angaben von erheblicher Bedeutung macht oder machen lässt, die einen andern zu schädigenden Vermögensverfügungen veranlassen können.
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5.3 Art. 152 StGB ist ein Sonderdelikt. Täter können nur die in der Bestimmung aufgeführten Personen sein. Entscheidend sind nicht die formelle Organstellung, sondern die faktischen Verhältnisse (Urteil 6B_230/2011 vom 11. August 2011 E. 6.4; ANDREAS DONATSCH, Strafrecht III, Delikte gegen den Einzelnen, 9. Aufl. 2008, S. 246). Der Tatbestand setzt nicht den Nachweis voraus, dass die Adressaten (sicher) um die Sondereigenschaft wussten. Gerade bei geschäftsinternen Informationen, die auf der Internetplattform der Gesellschaft verbreitet werden, gehen die Adressaten in der Regel davon aus, dass dies auf Veranlassung der Gesellschaftsorgane geschah. Dieser Umstand bildet jedoch keine Tatbestandsvoraussetzung und ist demnach nicht Beweisgegenstand. Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzestextes. Ein solches Erfordernis lässt sich entgegen dem Einwand in der Beschwerde auch nicht aus der ratio legis der Bestimmung ableiten.
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Der Tatbestand von Art. 152 StGB ist als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Er schützt das Vermögen vor der Gefährdung durch Fehldispositionen infolge täuschender Information (Urteil 6B_25/2008 vom 9. Oktober 2008 E. 4.3 mit Hinweisen). Nicht verlangt wird, dass es aufgrund der unwahren Informationen zu einer Täuschung und einer schädigenden Vermögensverfügung gekommen ist (STRATENWERTH/JENNY/BOMMER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 7. Aufl. 2010, § 16 N. 67; PHILIPPE WEISSENBERGER, Basler Kommentar, Strafrecht II, 2. Aufl. 2007, N. 3 zu Art. 152 StGB). Es genügt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, wenn der Täter dazu Anlass gibt.
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5.4 Der Beschwerdeführer kritisiert überdies, die Informationen zu den Patenten auf der Internetseite hätten angesichts des verfügbaren Web-Links problemlos überprüft werden können. Was den angeblichen Privatjet betreffe, so sei nicht davon auszugehen, dass jemand deswegen zu Vermögensdispositionen verleitet worden sei. Damit wendet er sich gegen die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung, ohne jedoch aufzuzeigen, inwiefern diese willkürlich sein soll. Darauf ist nicht einzutreten. Im Übrigen verkennt er, dass für die Frage, ob die unwahren oder unvollständigen Angaben von erheblicher Bedeutung waren und andere zu schädigenden Vermögensverfügungen veranlassen konnten, nicht die einzelne Falschinformation für sich gesehen, sondern die auf der Internetseite der Y.________ AG (zuhanden der gleichen Adressaten) verbreiteten unwahren Angaben in ihrer Gesamtheit, d.h. das falsche Gesamtbild, entscheidend sind.
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Die Vorinstanz verurteilte den Beschwerdeführer zu Recht wegen unwahrer Angaben über kaufmännische Gewerbe im Sinne von Art. 152 StGB.
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6.
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6.1 Nach Auffassung des Beschwerdeführers ist auch der Schuldspruch wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung bundesrechtswidrig. Der Grossteil des Geldes, welches in die Y.________ AG geflossen sei, sei durch den Verkauf von Aktien generiert worden. Da das Vermögen der Y.________ AG vor dem Kauf bzw. Verkauf der Aktien nicht geringer gewesen sei als bei seiner Verhaftung, sei kein Vermögensschaden entstanden. Ein allfälliger Vermögensschaden der Aktionäre aufgrund der Abwertung der Aktien sei unbeachtlich, da diese ihm ihr Geld nicht zur Verwaltung anvertraut hätten. Es habe sich um einen reinen Aktienkauf gehandelt.
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6.2 Den Treuebruchtatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung nach Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erfüllt, wer aufgrund des Gesetzes oder eines Rechtsgeschäfts damit betraut ist, Vermögen eines andern zu verwalten oder eine solche Vermögensverwaltung zu beaufsichtigen, und dabei unter Verletzung seiner Pflichten bewirkt oder zulässt, dass der andere am Vermögen geschädigt wird.
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Der Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung ist ein Verletzungs-, nicht ein Gefährdungsdelikt. Der Tatbestand ist erfüllt, wenn der Täter in der Stellung eines Geschäftsführers treuwidrig eine Schutzpflicht zur Wahrung fremder Vermögensinteressen verletzt hat und es dadurch zu einer Schädigung des anvertrauten Vermögens gekommen ist. In subjektiver Hinsicht ist Vorsatz erforderlich, wobei Eventualvorsatz genügt. Ein Vermögensschaden liegt nach der Rechtsprechung vor bei tatsächlicher Schädigung durch Verminderung der Aktiven, Vermehrung der Passiven, Nicht-Verminderung der Passiven oder Nicht-Vermehrung der Aktiven und wenn das Vermögen in einem Masse gefährdet wird, dass es in seinem wirtschaftlichen Wert vermindert ist (BGE 129 IV 124 E. 3.1 mit Hinweisen; Urteil 6P.149/2004 vom 11. Oktober 2005 E. 13.2).
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6.3 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers erlitt die Y.________ AG sehr wohl einen Vermögensschaden. Jener soll die Y.________ AG-Aktien namens der Y.________ AG, d.h. als eigene Aktien verkauft haben. Die Gelder der Aktionäre wurden gemäss der vorinstanzlichen Feststellung in die Y.________ AG eingebracht, was vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird. Sie bildeten somit Kapital der Gesellschaft und hätten vom Beschwerdeführer entsprechend dem Gesellschaftszweck eingesetzt werden sollen. Indem er sie in Verletzung seiner Pflichten als Geschäftsführer für private und nutzlose geschäftliche Aufwendungen ausgab, schädigte er die Y.________ AG, welche durch den Verlust der Gelder eine Verminderung ihrer Aktiven erlitt. Dass das Vermögen der Y.________ AG vor den Aktienverkäufen nicht geringer war als bei seiner Verhaftung, mag zutreffen, wenn die Y.________ AG-Aktien angesichts der Überschuldung in Wirklichkeit wertlos waren und der Beschwerdeführer die von den Aktionären überwiesenen Gelder sofort abhob und für die mehrheitlich privaten oder nutzlosen geschäftlichen Aufwendungen verbrauchte. Dies ist für die rechtliche Beurteilung jedoch irrelevant.
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7.
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Der Beschwerdeführer beantragt für den Fall des Freispruchs Schadenersatz in der Höhe von Fr. 2'126'000.-- sowie die Zusprechung einer Genugtuung. Da es bei der Verurteilung bleibt, ist auf die entsprechenden Anträge nicht einzutreten.
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8.
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Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
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3.
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Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 13. Oktober 2011
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Mathys
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Die Gerichtsschreiberin: Unseld
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