BGer 6B_305/2011 | |||
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BGer 6B_305/2011 vom 12.12.2011 | |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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6B_305/2011
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Urteil vom 12. Dezember 2011
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Strafrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Mathys, Präsident,
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Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger, Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Bundesrichter Denys,
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Gerichtsschreiber Näf.
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Verfahrensbeteiligte | |
1. X.________,
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2. Y.________,
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beide vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Daniel Jositsch,
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Beschwerdeführerinnen,
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gegen
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1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
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2. Stadt Zürich, Sozialdepartement, Verwaltungszentrum Werd, Postfach, 8036 Zürich, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Hohler,
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Beschwerdegegnerinnen.
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Gegenstand
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Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320 Ziff. 1 Abs. 1 StGB); Wahrung berechtigter Interessen,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 11. Januar 2011.
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Sachverhalt:
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A.
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X.________ übergab im Januar 2007 als Angestellte des Sozialdepartements der Stadt Zürich einem Zeitungsjournalisten Ausdrucke von Gesprächsnotizen, Kontoauszügen, Monatsbudgets etc. betreffend verschiedene Sozialhilfeempfänger, wobei sie die Fall- Nummern, Namen und Teile der Geburtsdaten unleserlich gemacht hatte. Y.________ übergab im Mai 2007 als Angestellte des Sozialdepartements der Stadt Zürich dem selben Journalisten zwei Polizeirapporte sowie Ausdrucke von Gesprächsnotizen, Kontoauszügen, Monatsbudgets etc. betreffend verschiedene Sozialhilfeempfänger, wobei sie diese Dokumente in keiner Art und Weise anonymisiert hatte. Die beiden Frauen nahmen in Kauf, dass der Journalist den Inhalt der Dokumente medial aufbereitet einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen würde, was tatsächlich in Form mehrerer Zeitungsartikel geschah.
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B.
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B.a Die Einzelrichterin in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich sprach X.________ und Y.________ mit Urteil vom 17. September 2009 vom Vorwurf der Verletzung des Amtsgeheimnisses frei.
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Dagegen erhoben die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und die Stadt Zürich, Sozialdepartement, Berufung mit den Anträgen, X.________ und Y.________ seien wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses zu bestrafen.
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B.b Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, sprach X.________ und Y.________ mit Urteil vom 11. Januar 2011 der Verletzung des Amtsgeheimnisses im Sinne von Art. 320 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig und bestrafte sie mit Geldstrafen von 20 Tagessätzen zu Fr. 80.--, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren.
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C.
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X.________ und Y.________ führen Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 11. Januar 2011 sei aufzuheben, und sie seien von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Erwägungen:
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1.
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Die Beschwerdeführerinnen beantragen, es sei eine mündliche Parteiverhandlung und eine mündliche Urteilsberatung durchzuführen, ohne dies näher zu begründen (vgl. Art. 42 Abs. 1 BGG). Darauf ist nicht einzutreten.
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2.
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Wer ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied einer Behörde oder als Beamter anvertraut worden ist, oder das er in seiner amtlichen oder dienstlichen Stellung wahrgenommen hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 320 Ziff. 1 Abs. 1 StGB).
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Die Beschwerdeführerinnen stellen mit Recht nicht mehr in Abrede, dass sie den Tatbestand der Verletzung des Amtsgeheimnisses erfüllt haben. Insoweit kann auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid und im erstinstanzlichen Urteil verwiesen werden.
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3.
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Die Beschwerdeführerinnen machen zurecht nicht geltend, dass ein gesetzlicher Rechtfertigungsgrund vorliege, dass ihr Verhalten etwa im Sinne von Art. 14 StGB durch das Gesetz geboten oder erlaubt und daher rechtmässig sei. Sie sind der Ansicht, ihr Vorgehen sei durch den aussergesetzlichen Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen gerechtfertigt und aus diesem Grunde nicht strafbar. Die Vorinstanz ist abweichend von der ersten Instanz der Auffassung, dass nicht alle Voraussetzungen dieses Rechtfertigungsgrundes erfüllt sind.
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3.1 Der aussergesetzliche Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass die Tat ein zur Erreichung des berechtigten Ziels notwendiges und angemessenes Mittel ist, sie insoweit den einzig möglichen Weg darstellt und offenkundig weniger schwer wiegt als die Interessen, welche der Täter zu wahren sucht (BGE 134 IV 216 E. 6.1; 127 IV 122 E. 5c, 166 E. 2b; 126 IV 236 E. 4b, je mit Hinweisen).
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3.2 Die erste Instanz erwog, sämtliche Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrundes der Wahrung berechtigter Interessen seien im konkreten Fall erfüllt. Insbesondere habe auch keine legale Alternative zur inkriminierten Tat bestanden. Der Gang in die Öffentlichkeit sei der einzig mögliche Weg zur Erreichung des berechtigten Ziels gewesen. Zwar seien die Beschwerdeführerinnen den verwaltungsinternen Weg nicht zu Ende gegangen, indem sie es unterlassen hätten, bei der Vorsteherin des Sozialdepartements vorzusprechen. Dies sei aber unter den gegebenen Umständen verständlich. Die erste Instanz befasste sich nicht explizit mit der Frage, ob die Beschwerdeführerinnen vor dem Gang in die Öffentlichkeit departementsexterne Stellen, also Ämter und Behörden ausserhalb der Hierarchie des Sozialdepartements, in dem sie tätig waren, hätten ansprechen sollen.
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3.3 Die Vorinstanz ist der Auffassung, dass die von den Beschwerdeführerinnen mit den inkriminierten Taten verfolgten Ziele der Bekämpfung des Missbrauchs im Bereich der Sozialhilfe und der Verbesserung der diesbezüglichen Kontrollen berechtigt und gewichtig sind. Sie lässt offen, ob diese Interessen im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung deutlich höher zu gewichten sind als die Interessen, die mit der Wahrung des Amtsgeheimnisses geschützt werden sollen. Der Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen sei jedenfalls deshalb nicht gegeben, weil den Beschwerdeführerinnen legale Handlungsalternativen zur Verfügung gestanden hätten Es habe objektiv zahlreiche Stellen gegeben, an welche sich die Beschwerdeführerinnen hätten wenden können, bevor sie an die Öffentlichkeit gelangten. Die Vorinstanz nennt neben der Amtsleiterin respektive der Departementsvorsteherin insbesondere den Rechtsdienst, die Ombudsfrau, die Mitglieder der Sozialbehörde sowie die Mitglieder der Geschäftsprüfungskommission, ferner den Bezirksrat als Aufsichtsbehörde der Stadt Zürich und das kantonale Sozialamt, welches die Oberaufsicht über das ganze Sozialwesen hat. Zwar sei es unter den gegebenen konkreten Umständen nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerinnen sich nicht an die Spitzen des Sozialdepartements richteten. Nicht einzusehen sei jedoch, dass sie sich - vor dem Gang in die Öffentlichkeit - nicht an den Rechtsdienst, die Ombudsfrau, die Sozialbehörde oder auch die Geschäftsprüfungskommission wandten. Alle diese Stellen stünden ausserhalb der Hierarchie, in welcher sich die Beschwerdeführerinnen allein gelassen und belastet gefühlt hätten. Für das offenbar massive Misstrauen der Beschwerdeführerinnen auch gegenüber diesen weiteren möglichen Anlaufstellen ausserhalb der Hierarchie des Departements bestünden keine objektiven Anhaltspunkte. Die Vorinstanz weist zudem darauf hin, dass, ausgelöst durch politische Vorstösse, schon vor den inkriminierten Handlungen aufgrund gewisser Aufsehen erregender Vorfälle ("Hotel-Fall", "Spanien-Fall") konkrete Schritte zur Missbrauchsbekämpfung eingeleitet worden waren. Sie erwähnt die Weisung 37 des Stadtrates betreffend Massnahmen zur Bekämpfung des Missbrauchs in der Sozialhilfe. Diese Massnahmen seien den Beschwerdeführerinnen bekannt gewesen. Nach der Auffassung der Vorinstanz ist der Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen nicht gegeben, weil die inkriminierten Handlungen insbesondere auch unter Berücksichtigung der damals bereits eingeleiteten Massnahmen zur Verbesserung der Missbrauchsbekämpfung weder nötig noch angemessen waren und die Beschwerdeführerinnen bei der ihnen bekannten Sachlage nicht in guten Treuen davon ausgehen konnten, dass der von ihnen gewählte Weg der einzig mögliche und sinnvolle sei.
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3.4 Die Beschwerdeführerinnen betrachten sich als sogenannte "Whistleblowerinnen". Sie definieren diese als Personen, die als Mitglieder einer Organisation auf Missstände aufmerksam machen, die sie innerhalb der Organisation wahrgenommen haben. Dem "Whistleblowing" komme namentlich bei sogenannten opferlosen Delikten und bei Straftaten mit Doppeltäterschaftscharakter wie etwa bei der Korruption eine erhebliche Bedeutung zu, da es bei derartigen Straftaten an einem unmittelbar betroffenen Geschädigten fehle und daher die Strafverfolgungsbehörden häufig nur durch die Informationen von "Whistleblowern" Kenntnis davon erhielten. Der "Whistleblower" werde heute im Unterschied zu früher nicht mehr als "Nestbeschmutzer" und "Verräter" betrachtet. Vielmehr sei das "Whistleblowing" zur Wahrung öffentlicher Interessen gesellschaftlich anerkannt.
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Bezogen auf den konkreten Fall machen die Beschwerdeführerinnen geltend, sie seien durch das pflichtgemässe, aber erfolglose Beschreiten des amtsinternen Weges ihrer Pflicht in erschöpfendem Masse nachgekommen. Daher sei zumindest der subjektive Unrechts- und Schuldvorwurf auszuschliessen. Es könne von ihnen nicht erwartet werden, dass sie vor dem Gang in die Öffentlichkeit auch noch alle möglichen verwaltungsexternen Stellen angingen. Solches wäre mit Risiken für ihre berufliche Zukunft verbunden gewesen. Ausserdem wären sie von den departementsexternen Stellen höchstwahrscheinlich auf den internen Dienstweg zurück verwiesen worden. Es gebe kein Reglement, welches das Vorgehen für den Fall regle, dass das amtsinterne "Whistleblowing" unmöglich beziehungsweise erfolglos sei. Der "Whistleblower" könne daher nicht wissen, an wen er sich in diesem Fall zu wenden habe. Es sei denn auch unklar, aus welchen Gründen die Vorinstanz gerade die im angefochtenen Urteil genannten Amtsstellen und Behörden als geeignete externe Ansprechpartner betrachte, und die von der Vorinstanz getroffene Auswahl sei nicht nachvollziehbar. Keine der im angefochtenen Entscheid genannten Amtsstellen und Behörden habe explizit die Aufgabe, als Meldestelle für "Whistleblower" zu fungieren. Selbst die Ombudsperson sei als Meldestelle für deliktisches Verhalten in der öffentlichen Verwaltung an und für sich ungeeignet, liege ihre Hauptfunktion doch in der Gewährung von Rechts- und Interessenschutz zugunsten des Individuums. Die Beschwerdeführerinnen halten dafür, dass nach dem erfolglosen Beschreiten des amtsinternen Weges einzig der Gang in die Öffentlichkeit übrig geblieben sei. Wollte man der vorinstanzlichen Betrachtungsweise folgen, so wäre es potentiellen "Whistleblowern" faktisch nie möglich, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, ohne dabei strafrechtliche Folgen befürchten zu müssen. Diese Konsequenz sei unhaltbar, da der "Whistleblower" öffentliche Interessen wahrnehme.
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4.
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4.1 Der aussergesetzliche Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen setzt nach der Rechtsprechung unter anderem voraus, dass die Straftat zur Erreichung des Ziels notwendig und angemessen ist und den einzig möglichen Weg darstellt (BGE 134 IV 216 E. 6.1 mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen müssen auch erfüllt sein, wenn es dem Täter nicht um die Wahrung von eigenen privaten, sondern um die Wahrnehmung öffentlicher Interessen geht. Ob die zu schützenden Interessen privater oder öffentlicher Art sind, betrifft die Abwägung respektive Gewichtung der auf dem Spiel stehenden Interessen. Dass ein Vorgehen der inkriminierten Art - neben zahlreichen anderen Verhaltensweisen, die in keinem Zusammenhang mit Amtsgeheimnissen stehen - neuerdings als "Whistleblowing" bezeichnet wird, ändert an ihrer strafrechtlichen Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des aussergesetzlichen Rechtfertigungsgrundes der Wahrung berechtigter Interessen nichts. Ob bei sog. opferlosen Straftaten und bei Delikten mit Doppeltäterschaftscharakter die Strafverfolgungsbehörden in besonderem Masse auf Informationen von "Whistleblowern" angewiesen sind, kann hier dahingestellt bleiben, da die Beschwerdeführerinnen nicht Strafanzeige erstatteten, sondern einem Journalisten Dokumente zum Zwecke der publizistischen Verwertung übergaben.
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4.2 Die inkriminierte Handlung war nicht der einzig mögliche Weg zur Erreichung des Ziels, den Kampf gegen den Sozialhilfemissbrauch und die diesbezüglichen Kontrollen deutlich zu verstärken. Die Beschwerdeführerinnen hätten sich an verschiedene Stellen ausserhalb der Hierarchie des Sozialdepartements, in dem sie tätig waren, wenden können, um über ihre Wahrnehmungen und Erfahrungen in der Praxis zu berichten. Die Vorinstanz listet im angefochtenen Urteil einige in Betracht fallende Ansprechpartner auf. Sie bringt damit zum Ausdruck, dass Alternativen zum Gang in die Öffentlichkeit bestanden. Eine geeignete Anlaufstelle war der Rechtsdienst. Dies war auch für die Beschwerdeführerinnen erkennbar, zumal sie gemäss ihren Aussagen in der Vergangenheit in einem konkreten Einzelfall mit Erfolg beim Rechtsdienst interveniert hatten. Eine geeignete Ansprechpartnerin war zudem die Ombudsstelle, zu deren Aufgaben es gemäss den Feststellungen der Vorinstanz auch gehört, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung für deren Anliegen zur Verfügung zu stehen. Als Anlaufstelle kam beispielsweise auch die Geschäftsprüfungskommission in Betracht. Dass und weshalb es den Beschwerdeführerinnen objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar gewesen sei, vor dem Gang in die Öffentlichkeit durch Übergabe von Dokumenten an einen Zeitungsjournalisten die eine oder andere genannte Stelle anzusprechen, wird in der Beschwerde nicht substantiiert dargelegt und ist nicht ersichtlich. Wohl konnte von den Beschwerdeführerinnen nicht erwartet werden, dass sie alle Ämter und Behörden kontaktierten, die als Ansprechpartner irgendwie in Betracht kommen könnten. Die Beschwerdeführerinnen sprachen indessen überhaupt keine departementsexterne Stelle an. Inwiefern eine Kontaktaufnahme mit einer solchen Stelle für ihre berufliche Zukunft riskanter gewesen wäre als die inkriminierte Übergabe von Dokumenten an einen Journalisten, ist nicht ersichtlich. Eine Kontaktaufnahme mit einer departementsexternen Stelle hätte gerade auch deshalb nahegelegen, weil die Beschwerdeführerinnen nach der Auffassung der Vorinstanz aus nachvollziehbaren Gründen davon absahen, die Departementsvorsteherin anzusprechen und den departementsinternen Weg auszuschöpfen. Aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (siehe BGE 94 IV 68; 115 IV 75 E. 4) lässt sich im Übrigen nicht ableiten, dass der Beamte vor dem Gang in die Öffentlichkeit lediglich den internen Amtsweg auszuschöpfen hat und nicht auch allenfalls vorhandene externe Stellen ansprechen muss, um sein Anliegen vorzutragen.
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4.3 Hinzu kommt im Besonderen Folgendes. Schon vor den inkriminierten Handlungen waren Schritte zur Verbesserung der Bekämpfung des Missbrauchs im Bereich der Sozialhilfe eingeleitet worden, was den Beschwerdeführerinnen bekannt war. Der Stadtrat von Zürich erliess am 6. September 2006 die Weisung 37 zur Verstärkung der Missbrauchsbekämpfung in der Sozialhilfe durch verschiedene neue Massnahmen, unter anderem den Einsatz von sog. Sozialinspektoren. Die Weisung wurde am 14. September 2006 departementsintern kommuniziert. Am 24. Januar 2007 nahm der Gemeinderat von Zürich von den Massnahmen zustimmend Kenntnis. Sie wurden auf den 1. Juli 2007 in Kraft gesetzt. Als die Beschwerdeführerin 1 im Januar 2007 und die Beschwerdeführerin 2 im Mai 2007 die inkriminierten Taten begingen, war mithin bereits ein Paket von Massnahmen zur Verstärkung der Bekämpfung des Missbrauchs in der Sozialhilfe beschlossen und departementsintern kommuniziert worden. Die Beschwerdeführerinnen setzen sich mit diesen Tatsachen nicht auseinander und legen nicht dar, dass und inwiefern die Massnahmen objektiv oder zumindest aus ihrer subjektiven Sicht nicht zielführend sein konnten. In Anbetracht der Massnahmen war jedenfalls im Zeitpunkt der inkriminierten Handlungen der Schritt in die Öffentlichkeit durch Übergabe von Dokumenten an einen Journalisten objektiv weder notwendig noch angemessen. Sollten aber die Beschwerdeführerinnen die Massnahmen aus irgendwelchen Gründen als unzureichend und nicht zielführend angesehen haben, hätte es nahegelegen, dass sie zu den mit der Ausarbeitung der Massnahmen befassten Personen Kontakt aufgenommen hätten, um diesen über ihre eigenen Wahrnehmungen und Erfahrungen in der Praxis zu berichten.
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4.4 Allerdings hätten die Beschwerdeführerinnen den Tatbestand der Amtsgeheimnisverletzung (Art. 320 Ziff. 1 Abs. 1 StGB), je nach den Umständen, möglicherweise auch erfüllt, wenn sie sich mit ihrem Anliegen an Behörden und Ämter ausserhalb des Sozialdepartements gewandt hätten. Wie es sich damit im Einzelnen verhält, muss vorliegend nicht abschliessend geprüft werden, zumal die Frage und die sich aus ihrer Beantwortung ergebenden Folgen in der Beschwerde nicht thematisiert werden. Die Verletzung des Amtsgeheimnisses durch Übergabe von Dokumenten an einen Journalisten zum Zwecke ihrer Verwertung in Zeitungsartikeln wiegt offenkundig schwerer als die möglicherweise ebenfalls tatbestandsmässige Übergabe von solchen Dokumenten an staatliche Ämter und Behörden, etwa an die Ombudsstelle oder an Mitglieder der Geschäftsprüfungskommission. Selbst wenn die Beschwerdeführerinnen mit einem Gang an die Geschäftsprüfungskommission gegen die Weisung der Direktion respektive des Departements verstossen und sich damit ebenfalls dem Vorwurf der Amtsgeheimnisverletzung ausgesetzt hätten, wäre ein solches Verhalten, wie die Vorinstanz zutreffend bemerkt, "jedenfalls verhältnismässiger", also angemessener, gewesen, zumal die Mitglieder der Geschäftsprüfungskommission ihrerseits dem Amtsgeheimnis unterworfen sind.
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4.5 Der aussergesetzliche Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen ist somit jedenfalls deshalb nicht gegeben, weil die inkriminierten Handlungen zur Erreichung des angestrebten Ziels objektiv weder notwendig und angemessen noch der einzig mögliche Weg waren und weil die Beschwerdeführerinnen subjektiv mangels diesbezüglicher konkreter Anhaltspunkte nicht in guten Treuen annehmen konnten, dass das Ziel nur durch die inkriminierten Taten erreichbar sei.
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4.6 Den Beschwerdeführerinnen ist im Übrigen darin zuzustimmen, dass eine Regelung betreffend das Vorgehen bei der Meldung von Missständen am Arbeitsplatz im Interesse aller Beteiligten und Betroffenen sinnvoll sein mag. Allerdings kann eine tatbestandsmässige Verletzung des Amtsgeheimnisses durch Meldung eines Missstandes an die Öffentlichkeit nicht schon - etwa gemäss Art. 14 StGB - gerechtfertigt sein, wenn bei der Meldung ein im Gesetz geregeltes Vorgehen eingehalten wird (vgl. auch den Vorentwurf von 2008 betreffend Teilrevision des Obligationenrechts [Schutz bei Meldung von Missständen am Arbeitsplatz], Art.321abis E-OR, betreffend "Meldung von Missständen" sowie den Erläuternden Bericht zum Vorentwurf, Ziff. 1.4 S. 26). Ob eine Amtsgeheimnisverletzung gerechtfertigt ist, bestimmt sich wesentlich auch nach den auf dem Spiel stehenden Interessen, und davon kann es abhängen, welche verwaltungsinternen und verwaltungsexternen Wege vor dem Gang in die Öffentlichkeit zu beschreiten sind.
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5.
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5.1 Die Beschwerdeführerinnen weisen in einer nachträglich eingereichten Eingabe vom 4. November 2011 auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 21. Juli 2011 in Sachen Heinisch gegen Deutschland hin, in welchem der Gerichtshof in einem Fall betreffend "Whistleblowing" eine Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 10 EMRK) bejaht hat. Sie machen geltend, der vorliegend zu beurteilende Fall stimme mit dem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entschiedenen weitgehend überein. Ihre Verurteilung verletze demnach Art. 10 EMRK.
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5.2 Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Beschwerdeführerinnen machen in ihrer Beschwerdeschrift nicht geltend, dass ihre Verurteilung Grundrechte im Allgemeinen und die Meinungsfreiheit im Besonderen verletze. Sie erheben erstmals in ihrer Eingabe vom 4. November 2011 die Rüge der Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit. Diese Eingabe ist nach Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht worden und somit verspätet. Daher ist darauf nicht einzutreten.
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6.
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Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens haben die Beschwerdeführerinnen die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 2'000.-- je zur Hälfte und unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag zu zahlen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen je zur Hälfte und unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 12. Dezember 2011
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Mathys
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Der Gerichtsschreiber: Näf
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