VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 6B_336/2011  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 6B_336/2011 vom 10.01.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_336/2011
 
Urteil vom 10. Januar 2012
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichter Schneider, Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Bundesrichter Denys, Schöbi,
 
Gerichtsschreiber Näf.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Emma Herwegh-Platz 2a, 4410 Liestal,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Y.________,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Verabreichen gesundheitsgefährdender Stoffe an Kinder (Art. 136 StGB); Alkoholtestkäufe durch Jugendliche, Verdeckte Ermittlung (aBVE),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 8. März 2011.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Y.________ verkaufte am 19. März 2009 im Betrieb "C.________" in Augst/BL einem Jugendlichen von zirka 15 1/3 Jahren (geboren am 15. November 1993) zwei Flaschen Smirnoff (zu 275ml, ca. 5,5 % Vol. Alkohol). Er fragte den Jugendlichen nicht nach dem Alter und verlangte auch keinen Ausweis. Der Jugendliche agierte als so genannter "Testkäufer" im Auftrag des Pass- und Patentbüros des Kantons Basel-Landschaft. Dieses erstattete gegen Y.________ Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft erhob gegen Y.________ Anklage wegen Verabreichens gesundheitsgefährdender Stoffe an Kinder im Sinne von Art. 136 StGB.
 
B.
 
B.a Das Strafgerichtspräsidium Basel-Landschaft sprach Y.________ mit Urteil vom 17. August 2010 von der Anklage des Verabreichens gesundheitsgefährdender Stoffe an Kinder frei.
 
B.b Das Kantonsgericht Basel-Landschaft wies mit Urteil vom 8. März 2011 die Appellation der Staatsanwaltschaft ab und bestätigte vollumfänglich den erstinstanzlichen Entscheid.
 
C.
 
Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft sei abzuändern und die beschuldigte Person sei des Verabreichens gesundheitsgefährdender Stoffe an Kinder gemäss Art. 136 StGB sowie eventualiter der Widerhandlung gegen das Gastgewerbegesetz des Kantons Basel-Landschaft schuldig zu sprechen. Insbesondere sei festzustellen, dass es sich bei den im Kanton Basel-Landschaft eingesetzten jugendlichen Alkoholtestkäufern nicht um verdeckte Ermittler im Sinne der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) beziehungsweise des früheren Bundesgesetzes über die verdeckte Ermittlung (aBVE) handle. Eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache sei zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Subeventualiter seien die sich stellenden Rechtsfragen mittels "obiter dictum" zu erläutern.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Im Auftrag des Pass- und Patentbüros Basel-Landschaft, einer Dienststelle der Sicherheitsdirektion (vormals Justiz-, Polizei- und Militärdirektion) führen zu diesem Zwecke instruierte Jugendliche im Alter unter 16 Jahren von Zeit zu Zeit Testkäufe von alkoholischen Getränken in Verkaufsläden und Restaurants durch. Mittels dieser Testkäufe soll die Einhaltung der dem Jugendschutz dienenden Vorschriften kontrolliert werden, die unter anderem bestimmen, dass gebrannte Wasser nicht an Personen unter 18 Jahren und gegorene Getränke nicht an Personen unter 16 Jahren abgegeben werden dürfen. Die Testkäufe stützen sich auf § 26 Abs. 4 Satz 1 des Gastgewerbegesetzes des Kantons Basel-Landschaft vom 5. Juni 2003 (GgG/BL), wonach die zuständigen Behörden - im Rahmen des Vollzugs des Gesetzes (siehe Randtitel von § 26 GgG/BL) - "verdeckte Testkäufe" vornehmen können. Im Falle einer verbotenen Alkoholabgabe an einen Jugendlichen wird gemäss der Darstellung der Beschwerdeführerin gegen den fehlbaren Verkäufer jedoch nur Strafanzeige erstattet, wenn dieser weder den Jugendlichen nach dem Alter gefragt noch dessen Ausweis verlangt hat oder wenn der Verkäufer trotz Ausweiskontrolle dem zufolge des jugendlichen Alters nicht bezugsberechtigten Kunden alkoholische Getränke abgegeben hat. Wenn hingegen der Jugendliche dem Verkäufer auf dessen Frage hin ein falsches Alter angegeben und gestützt hierauf der Verkäufer ihm ohne Überprüfung der Altersangabe mittels Ausweiskontrolle alkoholische Getränke verkauft hat, wird nach der Darstellung der Beschwerdeführerin zwar der Verkäufer und der betroffene Betrieb durch ein Informationsschreiben auf die widerrechtliche Alkoholabgabe hingewiesen, doch unterbleibt eine Strafanzeige beziehungsweise wird, falls Anzeige erstattet wird, das Verfahren eingestellt.
 
2.
 
Die Zulässigkeit des vorliegend in Frage stehenden Einsatzes eines jugendlichen Alkoholtestkäufers bestimmt sich, soweit die daraus gewonnenen Erkenntnisse zur Strafverfolgung verwendet werden, nach dem im Zeitpunkt des Einsatzes geltenden Recht. Im Strafprozess gebietet das Legalitätsprinzip, die Beweise nach dem jeweils gültigen Recht zu erheben, so dass sie nicht durch eine Gesetzesänderung nachträglich mangelhaft werden können (Urteile 6B_141/2011 vom 23. August 2011 E. 2.1; 6B_568/2009 vom 8. Oktober 2009 E. 4.1; 6P.109/2003 vom 16. Januar 2004 E. 6).
 
Zu prüfen ist, ob Alkoholtestkäufe durch Jugendliche insoweit, als die dadurch gewonnenen Erkenntnisse zur Strafverfolgung verwendet werden, als verdeckte Ermittlung im Sinne des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über die verdeckte Ermittlung (AS 2004 4589; nachfolgend aBVE) zu qualifizieren sind, das bis zum Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung und der darin enthaltenen Bestimmungen betreffend die verdeckte Ermittlung (Art. 286 ff. StPO) am 1. Januar 2011 gegolten hat. Nicht zu prüfen ist im vorliegenden Verfahren, wie Alkoholtestkäufe unter dem Geltungsbereich der Schweizerischen Strafprozessordnung zu beurteilen sind. Nicht zu prüfen ist ferner, ob und unter welchen Voraussetzungen die durch Testkäufe gewonnenen Erkenntnisse im Verwaltungsverfahren verwertet werden dürfen.
 
3.
 
3.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, es sei zwischen einer "qualifizierten" verdeckten Ermittlung einerseits und einer "einfachen" verdeckten Ermittlung respektive einer verdeckten Fahndung andererseits zu unterscheiden. Nur die "qualifizierte" verdeckte Ermittlung falle unter den Anwendungsbereich des aBVE. Die "einfache" verdeckte Ermittlung etwa durch Schein- und Testkäufe aller Art bewege sich ausserhalb des Anwendungsbereichs dieses Gesetzes. Bei isolierten, einfachen, schnell abgeschlossenen Scheingeschäften sei der Zielperson die Identität des Gegenübers egal und bestehe keinerlei Vertrauensverhältnis. Das aBVE sei nicht anwendbar, wenn die ermittelnde Person lediglich ihre wahre Funktion verschweige. Die Anwendung des aBVE komme nur in Betracht, wenn die ermittelnde Person die Zielperson durch gewisse Vorkehrungen aktiv über ihre Identität täusche. Die strengen Verfahrens- und Formvorschriften des aBVE rechtfertigten sich nur, wenn durch die verdeckte Ermittlungstätigkeit stark in die Persönlichkeitssphäre der Zielperson eingegriffen werde, was nur zur Aufklärung von relativ schwerwiegenden Straftaten zulässig sei. Durch Schein- und Testkäufe als solche werde jedoch höchstens geringfügig in die Persönlichkeitssphäre der Zielperson eingegriffen. Insoweit seien die strengen Form- und Verfahrensvorschriften des aBVE nicht gerechtfertigt und könne daher dieses Gesetz nicht anwendbar sein.
 
3.2 Gemäss Art. 1 aBVE hatte die verdeckte Ermittlung nach diesem Gesetz zum Zweck, mit Angehörigen der Polizei, die nicht als solche erkennbar sind, in das kriminelle Umfeld einzudringen und damit beizutragen, besonders schwere Straftaten aufzuklären. Eine verdeckte Ermittlung konnte gemäss Art. 4 Abs. 1 aBVE angeordnet werden, wenn (a) bestimmte Tatsachen den Verdacht begründeten, besonders schwere Straftaten seien begangen worden oder sollten voraussichtlich begangen werden und (b) andere Untersuchungshandlungen erfolglos geblieben waren oder die Ermittlungen sonst aussichtslos wären oder unverhältnismässig erschwert würden. Eine verdeckte Ermittlung durfte gemäss Art. 4 Abs. 2 aBVE nur zur Verfolgung der darin aufgeführten Straftaten eingesetzt werden. Die Ernennung des verdeckten Ermittlers und der Einsatz des verdeckten Ermittlers im Strafverfahren bedurften der richterlichen Genehmigung (Art. 7 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 1 aBVE). Bei deren Fehlen durften die durch die verdeckte Ermittlung gewonnenen Erkenntnisse weder für weitere Ermittlungen noch zum Nachteil einer beschuldigten Person verwendet werden (Art. 18 Abs. 5 Satz 2 aBVE).
 
3.2.1 Der Anwendungsbereich des aBVE war unter anderem mangels einer gesetzlichen Definition des Begriffs der verdeckten Ermittlung unklar. In der Lehre wurden zur Bestimmung des Anwendungsbereichs verschiedene Lösungen vorgeschlagen, die auf unterschiedliche Kriterien (Legende, zeitliche Dauer, Eingriffs-, Handlungs- und/ oder Täuschungsintensität etc.) abstellten. Aus der Sicht des Bundesgerichts lässt sich durch solche Kriterien der Anwendungsbereich des aBVE jedoch nicht hinreichend klar bestimmen. Massgebend ist insoweit unter der gebotenen Berücksichtigung des Schutzzwecks der Bestimmungen des aBVE nicht der betriebene Täuschungsaufwand, sondern der Umstand, dass der Verdächtige überhaupt getäuscht wird, weil der mit ihm zu Ermittlungszwecken kommunizierende Polizeiangehörige nicht als solcher erkennbar ist. Allein schon wegen dieser Täuschung bedarf die verdeckte Ermittlung in jedem Fall einer besonderen gesetzlichen Regelung, ganz unabhängig davon, welche Eingriffsintensität die verdeckte Ermittlung im konkreten Einzelfall aufweist (BGE 134 IV 266 E. 3.6). Aus diesem Grund ist nach der Rechtsprechung mangels einer klaren, abweichenden Regelung im Gesetz im Zweifelsfall davon auszugehen, dass jedes Anknüpfen von Kontakten mit einer verdächtigen Person zu Ermittlungszwecken durch einen nicht als solchen erkennbaren Polizeiangehörigen ungeachtet des Täuschungsaufwandes und der Eingriffsintensität als verdeckte Ermittlung im Sinne des aBVE zu qualifizieren ist und unter dessen Anwendungsbereich fällt (BGE 134 IV 266 E. 3.7). Somit sind auch kurzzeitige verdeckte Kontakte, die in der Lehre etwa als "verdeckte Fahndung" bezeichnet werden, als "verdeckte Ermittlung" im Sinne des aBVE anzusehen. Das Kriterium des "Anknüpfens von Kontakten" nimmt Bezug auf die Ausführungen in der bundesrätlichen Botschaft zum BVE (BBl 1998 4241 ff., 4283), wonach verdeckte Ermittlung das Anknüpfen von Kontakten zu verdächtigen Personen ist, die darauf abzielen, die Begehung von strafbaren Handlungen festzustellen und zu beweisen. Das Kriterium des "nicht als solcher erkennbaren Polizeiangehörigen" entspricht der Formulierung in Art. 1 aBVE.
 
3.2.2 Diese weite Auslegung des Begriffs der verdeckten Ermittlung im Sinne des aBVE ist in der Lehre auf Kritik gestossen (siehe THOMAS HANSJAKOB, Verdeckte Ermittlung - Gesetz und Rechtsprechung, forumpoenale 2008, S. 361 ff.; NIKLAUS SCHMID, Handbuch des Schweizerischen Strafprozessrechts, 2009, N 1183; DERSELBE, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2009, N 3 f. vor Art. 286 - 298; BEAT RHYNER/DIETER STÜSSI, in: Polizeiliche Ermittlung, Ein Handbuch der Vereinigung der Schweizerischen Kriminalpolizeichefs zum polizeilichen Ermittlungsverfahren gemäss der Schweizerischen Strafprozessordnung, 2008, S. 498 ff.; DANIEL JOSITSCH/ANGELIKA MURER MIKOLÁSEK, Wenn polizeiliche Ermittler im Chatroom in Teufels Küche kommen - oder wie das Bundesgericht neue Probleme geschaffen hat, AJP 2011 S.181 ff., 185 f.). Sie hat aber auch Zustimmung gefunden (siehe MARK PIETH, Schweizerisches Strafprozessrecht, 2009, S. 134; LUZIA VETTERLI, Verdeckte Ermittlung und Grundrechtsschutz, forumpoenale 2008, S. 367 ff.). Die Kritik wird unter anderem damit begründet, dass "nach der bisher vorherrschenden Auffassung eher ein qualifiziert täuschendes Verhalten (Verwenden einer Legende, eigentliches Einschleichen in ein kriminelles Umfeld und eine länger dauernde Aktivität) verlangt wird" (NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar 2009, N 3 vor Art. 286 bis 289). Erforderlich sei ein Mindestmass an aktiver Täuschung, im Regelfall der Aufbau eines gewissen Vertrauensverhältnisses zur Zielperson (NIKLAUS SCHMID, Handbuch des Schweizerischen Strafprozessrechts, 2009, N 1182 f.).
 
3.2.3 Trotz dieser Kritik hat das Bundesgericht an der durch BGE 134 IV 266 begründeten Rechtsprechung festgehalten. Dem Gesetz lässt sich keine hinreichend klare Grundlage für die Auffassung entnehmen, dass eine verdeckte Ermittlung nur bei einer (wie auch immer zu definierenden) gewissen Täuschungs- und/oder Eingriffsintensität beziehungsweise Dauer des Einsatzes respektive bei einer daraus resultierenden gewissen Schwere des Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre der Zielperson angenommen werden kann. Diese Kriterien sind im Übrigen zu vage und daher für eine Abgrenzung und Unterscheidung zwischen "qualifizierten" und "einfachen" verdeckten Ermittlern und somit für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des Gesetzes ungeeignet. Das Bundesgericht hat klargestellt, dass das als wesentlich erkannte Kriterium des "Anknüpfens von Kontakten" das Element eines aktiven, zielgerichteten Verhaltens enthält (Urteile 6B_141/2011 vom 23. August 2011 E. 2.2; 6B_743/2009 vom 8. März 2010 E. 3.1 und E. 3.3; 6B_837/2009 vom 8. März 2010 E. 3.2 und E. 3.4; 6B_207/2010 vom 22. April 2010 E. 3.2).
 
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist daher auch etwa der polizeiliche Scheinkauf von Betäubungsmitteln als verdeckte Ermittlung im Sinne des aBVE zu qualifizieren, und zwar auch der einfache, isolierte, nur wenige Sekunden dauernde Scheinkauf (Urteile 6B_207/ 2010 vom 22. April 2010; 6B_743/2010 und 6B_837/2009 vom 6. März 2010). Voraussetzung ist, dass der Polizeiangehörige aktiv und zielgerichtet den Kontakt anknüpft.
 
3.3 Die Beschwerdeführerin bringt keine neuen Argumente vor, die Anlass geben könnten, die Rechtsprechung zu überprüfen.
 
3.4 Sollte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Bestimmungen betreffend die verdeckte Ermittlung (siehe nun Art. 286 ff. der Schweizerischen Strafprozessordnung) auf verdeckte Ermittlungen beschränken wollen, die eine gewisse Täuschungs- und/oder Eingriffsintensität etc. aufweisen, hätte er dies - wie das Bundesgericht bereits in BGE 134 IV 266 E. 3.7 betont hat - durch entsprechende Vorschriften zum Ausdruck zu bringen, aus welchen sich ein diesbezüglich eingeschränkter Anwendungsbereich klar ergibt. In diesem Fall wäre im einschlägigen Gesetz auch zu regeln, unter welchen Voraussetzungen und Umständen verdeckte Ermittlungstätigkeiten, welche das umschriebene Mass an Täuschungs- und/oder Eingriffsintensität etc. nicht erreichen, zulässig sind. Denn wegen der jeder verdeckten Ermittlungstätigkeit durch Anknüpfen von Kontakten innewohnenden Täuschung der Zielperson reichen insoweit die allgemeinen Bestimmungen über die polizeiliche Ermittlungstätigkeit nicht aus (BGE 134 IV 266 E. 3.7). Dies gilt sowohl für verdeckte Ermittlungstätigkeiten zur Aufklärung von Straftaten, die nach der Verdachtslage bereits begangen worden sind, als auch für verdeckte Ermittlungstätigkeiten, welche der Erkennung von Straftaten dienen, die erst begangen werden könnten. Diesbezügliche gesetzgeberische Bemühungen sind denn auch zurzeit im Gange (siehe die von Nationalrat Daniel Jositsch am 29. September 2008 eingereichte parlamentarische Initiative betreffend "Präzisierung des Anwendungsbereichs der Bestimmungen über die verdeckte Ermittlung" sowie den diesbezüglichen Bericht der nationalrätlichen Kommission für Rechtsfragen vom 12. Mai 2011).
 
4.
 
4.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, Alkoholtestkäufe durch Jugendliche, wie sie im Kanton Basel-Landschaft durchgeführt werden, seien keine verdeckten Ermittlungen im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum aBVE. Alkoholtestkäufe unterschieden sich aus mehreren Gründen etwa von Betäubungsmittelscheinkäufen. Die Testkäufe würden grundsätzlich nicht auf einen konkreten Verdacht hin vorgenommen, sondern erfolgten vielmehr gleichmässig und in zufälliger Reihenfolge auf die betroffenen Geschäftsstellen verteilt. Die Testkäufe seien ein Instrument der Verwaltungskontrolle. Sie würden vom Generalsekretariat der Sicherheitsdirektion Basel-Landschaft (vormals Justiz-, Polizei- und Militärdirektion) beziehungsweise in Delegation vom Pass- und Patentbüro Basel-Landschaft gestützt auf § 26 des kantonalen Gastgewerbegesetzes selbständig durchgeführt. Sie erfolgten zwar - allerdings bloss grundsätzlich und nicht einzelfallbezogen - im Wissen der Untersuchungsbehörden beziehungsweise der Polizei, doch bedürften sie nicht deren Zustimmung. Es sei üblich und auch sinnvoll, dass in speziellen Bereichen des (Neben-)Strafrechts nicht Polizeiangehörige, sondern entsprechende Fachstellen gesetzlich mit Kontroll- und Ermittlungsaufgaben betraut würden, zumal für diese Bereiche ein besonderes Fachwissen erforderlich sei und das Strafverfahren eher einen Nebenschauplatz des Verwaltungsverfahrens bilde. Aus diesen Gründen seien die Alkoholtestkäufer auch nicht als Polizeiangehörige im Sinne des aBVE anzusehen. Die Testkäufer seien das, als was sie erkennbar seien, nämlich jugendliche Käufer von alkoholischen Getränken. Im Kanton Basel-Landschaft werde seit Jahren in verschiedenen Formen öffentlich darüber informiert, dass Alkoholtestkäufe durchgeführt werden. Dies sei den Betroffenen bekannt. Das Verkaufspersonal müsse deshalb jederzeit damit rechnen, dass es sich bei einem jugendlichen Käufer von alkoholischen Getränken um einen Testkäufer handeln könnte. Es werde deshalb im konkreten Einzelfall eines Testkaufs nicht getäuscht.
 
4.2 Diese Vorbringen sind unbegründet. Der Umstand, dass Testkäufe ohne Vorliegen eines Verdachts durchgeführt werden, lässt nicht den Schluss zu, es handle sich dabei nicht um eine verdeckte Ermittlung im Sinne des aBVE. Er bedeutet vielmehr, dass auch die Voraussetzung eines Verdachts für die Anordnung einer verdeckten Ermittlung (Art. 4 Abs. 1 lit. a aBVE) nicht erfüllt ist. Unerheblich ist auch, dass die Testkäufe nicht im Auftrag der Polizei respektive der Strafbehörden, sondern im Auftrag des Pass- und Patentbüros und somit der Sicherheitsdirektion vorgenommen werden. Massgebend ist insoweit allein, dass die durch die Testkäufe gewonnenen Erkenntnisse auch zur Strafverfolgung verwendet werden. Unerheblich ist deshalb, dass die Testkäufe allenfalls als ein Instrument der Verwaltungskontrolle in erster Linie im Hinblick auf die Anordnung von Verwaltungsmassnahmen vorgenommen werden und das Strafverfahren nur einen Nebenschauplatz bildet. Soweit die aus den Alkoholtestkäufen gewonnenen Erkenntnisse in einem Strafverfahren verwendet werden, sind die Testkäufe als verdeckte Ermittlung im Sinne des aBVE anzusehen. Die durch die Alkoholtestkäufe erlangten Erkenntnisse dürfen daher in einem Strafverfahren nur verwertet werden, wenn die diesbezüglichen Voraussetzungen gemäss den Vorschriften des aBVE erfüllt sind. Wollte man anders entscheiden, könnten die Vorschriften des aBVE leicht umgangen und unterlaufen werden, soweit es um Straftaten geht, die in Betrieben beziehungsweise bei Ausübung von Tätigkeiten verübt werden, welche einer gewerbepolizeilichen respektive verwaltungsrechtlichen Kontrolle unterliegen, in deren Rahmen nach dem einschlägigen Spezialgesetz auch verdeckte Kontrollen beispielsweise in der Form von verdeckten Testkäufen durchgeführt werden können.
 
4.3 Ob § 26 Abs. 4 Satz 1 GgG/BL, wonach die zuständigen Behörden "verdeckte Testkäufe vornehmen" können, als gesetzliche Grundlage für Alkoholtestkäufe durch Jugendliche im Rahmen gewerbepolizeilicher Aufgaben genügt und ob die durch solche Testkäufe gewonnenen Erkenntnisse zur Anordnung von Verwaltungsmassnahmen - wie etwa persönliche und betriebliche Auflagen oder den Entzug der Bewilligung (siehe § 28 Abs. 1 lit. a und lit. d GgG/BL) - verwendet werden dürfen, ist hier nicht zu prüfen. Selbst wenn man die Frage bejahen wollte, folgte daraus nicht, dass die aus den Testkäufen gewonnenen Erkenntnisse auch in einem Strafverfahren verwertbar wären. Insoweit müssen die Voraussetzungen gemäss aBVE erfüllt sein, das Vorrang vor der genannten Bestimmung des kantonalen Gastgewerbegesetzes hat.
 
4.4 Allerdings bestehen zwischen dem Testkauf von alkoholischen Getränken durch Jugendliche einerseits und dem Betäubungsmittelscheinkauf andererseits gewisse Unterschiede. Der Betäubungsmittelscheinkäufer erfüllt durch den Kauf, auch wenn dieser nur zum Schein erfolgt, grundsätzlich einen Straftatbestand, und er bewegt sich in der Regel in einem illegalen (kriminellen) Umfeld. Der jugendliche Alkoholtestkäufer demgegenüber erfüllt durch den Kauf als solchen keinen Straftatbestand, und er bewegt sich in einem an sich legalen Umfeld. In zahlreichen Verkaufsstellen sind die alkoholischen Getränke in den Regalen zum Verkauf bereitgestellt, so dass der Käufer sie durch Selbstbedienung selber in die Hand nehmen kann und daher sein Kontakt mit der Zielperson sich auf den Vorgang der Zahlung an der Kasse unter Vorweisung der Ware beschränkt. Diese Unterschiede zwischen Betäubungsmittelscheinkäufen und Alkoholtestkäufen sind indessen hinsichtlich der Frage des Anwendungsbereichs des aBVE nicht relevant. Der Alkoholtestkäufer nimmt wie der Betäubungsmittelscheinkäufer aktiv und zielgerichtet zum Zwecke des Abschlusses eines Geschäfts Kontakt mit der Zielperson auf. Der Testkauf unterscheidet sich daher von dem im Urteil 6B_141/2011 vom 23. August 2011 beurteilten Fall betreffend eine sog. "Veruntreuungsfalle", in welchem keinerlei Interaktion zwischen den beiden Beteiligten im Hinblick auf die Begehung einer strafbaren Handlung stattfand. Beim Alkoholtestkauf durch Jugendliche wird die Zielperson genauso wie beim Betäubungsmittelscheinkauf aufgrund des Verhaltens des Kaufinteressenten zu einer konkreten Straftat veranlasst, die sie ohne das Verhalten des Kaufinteressenten nicht verübt hätte, und überführt sich die Zielperson, da der Kaufinteressent ihr seine tatsächliche Funktion verschweigt, unwissentlich gleich selber dieser konkreten Straftat, indem sie das Geschäft abschliesst.
 
4.5 Alkoholtestkäufe durch Jugendliche haben als Präventionsmassnahmen im Interesse des Jugendschutzes eine gewisse Bedeutung (vgl. den Erläuternden Bericht von 2010 zum Vorentwurf eines totalrevidierten Alkoholgesetzes, S. 18 f., 31; siehe auch das von der Eidgenössischen Alkoholverwaltung im April 2011 herausgegebene Dokument "Alkoholabgabe an Jugendliche - Rechtliche Grundlagen und Hintergründe"). Ob sich daher eine spezielle Regelung von Alkoholtestkäufen in den einschlägigen Gesetzen rechtfertigt, hat der Gesetzgeber zu entscheiden (siehe dazu Art. 9 des Vorentwurfs eines totalrevidierten Alkoholgesetzes von 2010; vgl. auch die von Nationalrätin Maja Ingold am 17. Juni 2011 eingereichte Motion "Gesetzliche Grundlage für Alkoholtestkäufe"). Die gesetzliche Regelung betreffend Scheinkäufe im Allgemeinen und Alkoholtestkäufe im Besonderen hat allerdings nicht nur die Voraussetzungen und Modalitäten der Schein- beziehungsweise Testkäufe festzulegen, sondern auch zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen die dadurch gewonnenen Erkenntnisse zur Strafverfolgung respektive in einem Strafverfahren verwendet werden dürfen.
 
5.
 
Der hier zur Diskussion stehende Alkoholtestkauf durch einen Jugendlichen ist demnach als verdeckte Ermittlung im Sinne des aBVE zu qualifizieren. Da die Voraussetzungen für eine gemäss diesem Gesetz zulässige verdeckte Ermittlung unstreitig nicht erfüllt sind, dürfen die aus dem Testkauf direkt und in Form eines Geständnisses der Zielperson indirekt gewonnenen Erkenntnisse im Strafverfahren nicht verwertet werden. Damit ist die eingeklagte strafbare Handlung nicht bewiesen und erfolgte der Freispruch zu Recht. Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen.
 
6.
 
Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob auch die - in der Beschwerde ebenfalls angefochtene und offenbar als Alternativbegründung verstandene - Auffassung der Vorinstanz vor Bundesrecht standhält, dass die durch den Alkoholtestkauf direkt und indirekt gewonnenen Erkenntnisse im Strafverfahren auch deshalb nicht verwertbar seien, weil der Alkoholtestkäufer als "agent provocateur" zu qualifizieren sei, der durch sein Verhalten den Tatbestand der Anstiftung zur Straftat der Zielperson erfülle, und weil deshalb der Testkauf eine unerlaubte Tatprovokation und daher eine ohnehin unerlaubte Beweiserhebungsmethode sei.
 
7.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dem Beschwerdegegner ist keine Entschädigung zuzusprechen, da ihm im bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe erwachsen sind.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 10. Januar 2012
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Der Gerichtsschreiber: Näf
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).