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Informationen zum Dokument  BGer 2C_437/2011  Materielle Begründung
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BGer 2C_437/2011 vom 24.02.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2C_437/2011
 
Urteil vom 24. Februar 2012
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler, Stadelmann,
 
Gerichtsschreiber Errass.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. X1.________,
 
2. X2.________,
 
Beschwerdeführerinnen,
 
beide vertreten durch Klausfranz Rüst-Hehli,
 
gegen
 
Bundesamt für Migration,
 
Quellenweg 6, 3003 Bern.
 
Gegenstand
 
Datenschutz: Nichteintreten auf Gesuch um Erlass einer Feststellungsverfügung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung IV, vom 20. April 2011.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Am 7. Februar 2006 wies das Bundesamt für Migration das Asylgesuch von X1.________ ab und verfügte ihre Wegweisung. Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies die Schweizerische Asylrekurskommission am 11. April 2006 ab. Offenbar wurde auch ein Wiedererwägungsverfahren erfolglos durchlaufen.
 
Am 20. Mai 2010 fand im Hinblick auf den Vollzug der Wegweisung von X1.________ und ihrer Tochter X2.________ im Zusammenhang mit der Staatsangehörigkeitsabklärung (vgl. Art. 3 der Verordnung vom 11. August 1999 über den Vollzug der Weg- und Ausweisung von ausländischen Personen [VVWA; SR 142.281]) in Anwendung der Vereinbarung vom 23. Februar 2008 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Demokratischen Republik Kongo über die Steuerung der illegalen Migration (Vereinbarung CH/DRK; SR 0.142.112.739) ein Treffen mit einer Expertendelegation der Demokratischen Republik Kongo statt.
 
1.2 Am 14. Juli 2010 machten X1.________ und ihre Tochter beim Bundesamt für Migration geltend, anlässlich der Staatsangehörigkeitsabklärung sei durch die Art der Fragestellung bzw. diesbezüglich fehlende Intervention des Vertreters des Bundesamtes Art. 6a lit. b und c der Asylverordnung 3 vom 11. August 1999 über die Bearbeitung von Personendaten (AsylV 3; SR 142.314) in Verbindung mit Art. 102c des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG; SR 142.31) verletzt worden. Sie ersuchten deshalb um Feststellung der Widerrechtlichkeit der Datenverarbeitung anlässlich der Staatsangehörigkeitsabklärung. Das Bundesamt trat auf das Begehren, welches es als Gesuch um Erlass einer Feststellungsverfügung im Sinne von Art. 25 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) betrachtete, mit Entscheid vom 3. März 2011 nicht ein, weil schweizerisches Recht nicht anwendbar gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde ab.
 
Am 4. Mai 2011 hat X1.________ zusammen mit ihrem Ehemann und ihrer gemeinsamen Tochter X2.________ ein zweites Asylgesuch gestellt, weshalb die Wegweisung sistiert wurde.
 
1.3 Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 24. Mai 2011 beantragen X1.________ und ihre Tochter dem Bundesgericht, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. April 2011 aufzuheben, das Bundesamt für Migration anzuweisen, auf das Feststellungsbegehren vom 14. Juli 2010 einzutreten, sowie unentgeltliche Rechtspflege.
 
1.4 Das Bundesverwaltungsgericht beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventualiter implizit sie abzuweisen, während das Bundesamt für Migration beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne.
 
Die Beschwerdeführerinnen bringen mit Schreiben vom 17. Juli 2011 dem Bundesgericht einen Schriftenwechsel mit dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten zur Kenntnis.
 
Am 31. Januar 2012 reichen die Beschwerdeführerinnen ein aufgrund verschiedener Aufsichtsbeschwerden veranlasstes Schreiben des EJPD samt einer durch dieses angestossenen Weisung zu Art. 3 VVWA ein.
 
2.
 
Ob auf die Beschwerde überhaupt eingetreten werden kann (Art. 83 lit. d BGG), kann hier offenbleiben; sie ist in jedem Fall offensichtlich unbegründet, weshalb sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG mit summarischer Begründung zu erledigen ist.
 
2.1 Fehl geht zunächst die Rüge, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von einem unzuständigen Spruchkörper (Zweier- statt Dreierorgan) gefällt worden sei. Nach Art. 111 lit. e AsylG entscheidet der Einzelrichter mit Zustimmung eines zweiten Richters bei offensichtlich begründeten oder unbegründeten Beschwerden. Die Hinweise der Beschwerdeführerinnen betreffen das Bundesgericht und sind nicht auf das Bundesverwaltungsgericht übertragbar.
 
2.2 Auch die Rüge, dass Art. 102c AsylG und Art. 6a lit. b und c AsylV 3 durch das Verhalten der Schweizer Delegation verletzt worden wäre, ist nicht begründet. Art. 102c AsylG ist zwar mit "Bekanntgabe von Personendaten an einen Staat, der durch keines der Dublin-Assoziierungsabkommen gebunden ist" überschrieben, findet aber nur im Rahmen der Dublin-Assoziierungsabkommen (dazu Anh. 1 AsylG) Anwendung (vgl. dazu Überschrift des 2. Abschnitts des 7. Kapitels des AsylG). Art. 102c AsylG bezieht sich auf den Fall, wonach in der Schweiz vorhandene Daten aus "Dublin-Staaten" aufgrund einer Anfrage eines Drittstaates von der Schweiz an diesen weitergegeben werden sollen (vgl. Botschaft zur Genehmigung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union, einschliesslich der Erlasse zur Umsetzung der Abkommen ["Bilaterale II"] vom 1. Oktober 2004, BBl 2004 5965, 6252). Insofern ist - wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat - die von den Beschwerdeführerinnen angesprochene Situation gar nicht durch diese Bestimmungen geregelt. Anwendbar sind stattdessen die Grundsätze des 1. Abschnitts des 7. Kapitels (Art. 96 - 99 AsylG).
 
2.3 Art. 97 AsylG regelt ausführlich die Bekanntgabe von Personendaten an den Heimat- oder Herkunftsstaat. Die Beschwerdeführerinnen vertreten die Auffassung, dass das Untätigsein der Schweizer Delegation unter den Begriff "Bekanntgeben" fällt.
 
2.3.1 Der Begriff "Bekanntgeben" wird im AsylG nicht definiert; er ist deshalb aufgrund des querschnittsbezogenen DSG zu bestimmen (dazu etwa BRUNO BAERISWYL, Datenschutz, in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/ Geiser, vor Rz. 13.11; ASTRID EPINEY, Allgemeine Grundsätze, in: Belser/Epiney/Waldmann, Datenschutzrecht, 2011, S. 516 ff.). Nach Art. 3 lit. e DSG stellt das Bearbeiten jeden Umgang mit Personendaten, insbesondere das Beschaffen, Aufbewahren, Verwenden, Umarbeiten, Bekanntgeben, Archivieren oder Vernichten von Daten dar; nicht relevant ist, welche Mittel ver- und welche Verfahren angewendet worden sind. Der Begriff des Bearbeitens ist umfassend: Jeder Umgang mit Daten und alle Phasen der Bearbeitung fallen darunter; damit wird selbst das blosse Aufbewahren oder Archivieren umfasst, weil auch in diesem Bearbeitungsstadium, etwa durch Mängel der Datensicherung, noch Persönlichkeitsverletzungen möglich sind (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über den Datenschutz vom 23. März 1988, in: BBl 1988 II 413 ff. [nachfolgend Botschaft DSG], 447). Das Bekanntgeben meint das Zugänglichmachen von Personendaten wie das Einsichtgewähren, Weitergeben oder Veröffentlichen (Art. 3 lit. f DSG). Als Bekanntgeben gelten dabei jede aktive Weitergabe und jedes passive Zugänglichmachen von Personendaten (z.B. durch Herumliegenlassen vertraulicher Akten, durch leichten Zugriff auf nicht passwortgeschützte Daten auf elektronischen Datenträgern), die es einem Dritten ermöglichen, vom Inhalt personenbezogener Informationen Kenntnis zu nehmen (vgl. BGE 127 III 482 E. 3 S. 492 ff.; YVONNE JÖHRI, in: Handkommentar DSG, N 75 ad Art. 3 lit. f DSG; PHILIPPE MEIER, Protection des données, 2011, S. 230 Rz. 522).
 
Ein solches durch Art. 3 lit. e und lit. f DSG gedecktes passives Verhalten liegt hier indes nicht vor. Die schweizerischen Behörden haben nicht Daten, für die sie aufgrund ihrer Zuständigkeit verantwortlich sind, bekannt gegeben - auch nicht durch Passivität. Die Daten, die die Beschwerdeführerinnen selbst der kongolesischen Delegation mitgeteilt haben, unterlagen nicht der Herrschaftsgewalt des Bundesamtes für Migration und somit auch nicht dem Begriff des Bearbeitens bzw. Bekanntgebens nach Art. 3 lit. e bzw. lit. f DSG. Personen mit eigenem Willen können nicht mit einem herumliegenden und zu wenig gesicherten Datenträger gleichgesetzt werden, denn sie können autonom entscheiden, ob sie Daten bekannt geben wollen oder nicht. Das Bundesamt für Migration konnte und durfte deshalb gestützt auf das DSG auch nicht eingreifen.
 
3.
 
Dem Verfahrensausgang entsprechend haben die unterliegenden Beschwerdeführerinnen grundsätzlich die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen, da dem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege vor Bundesgericht infolge Aussichtslosigkeit nicht zu entsprechen ist (Art. 64 BGG). Angesichts der besonderen Umstände wird auf eine Erhebung der Gerichtskosten verzichtet (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine geschuldet.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung IV, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. Februar 2012
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Errass
 
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