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Informationen zum Dokument  BGer 9C_47/2012  Materielle Begründung
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BGer 9C_47/2012 vom 27.03.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
9C_47/2012
 
Urteil vom 27. März 2012
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
 
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Glanzmann,
 
Gerichtsschreiber Schmutz.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
M.________, vertreten durch
 
Rechtsanwalt Dr. Peter F. Siegen,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Aargau,
 
Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
 
vom 17. November 2011.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.a Der 1962 geborene M.________ war bis 1998 als Bauhandlanger/Bauarbeiter tätig. Unter Angabe von Rückenbeschwerden meldete er sich am 23. September 1998 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Basel-Stadt klärte die medizinischen und wirtschaftlichen Verhältnisse ab. Sie beauftragte die Abklärungsstelle E.________ mit der Erstattung eines interdisziplinären Gutachtens (vom 22. Mai 2000). Mit Verfügung vom 24. November 2000 und Wirkung ab 1. März 1999 sprach die IV-Stelle M.________ eine halbe Invalidenrente zu (Invaliditätsgrad von 50 %).
 
A.b Mit Verfügung vom 7. Oktober 2002 und Mitteilungsschreiben vom 6. Dezember 2006 bestätigte die IV-Stelle revisionsweise den Anspruch auf die halbe Rente.
 
A.c Nach dem Zuzug des Versicherten in den Kanton Aargau überprüfte die dortige IV-Stelle im Oktober 2009 den Leistungsanspruch. Mit Vorbescheid vom 21. Juli 2010 stellte sie die Aufhebung der Rente in Aussicht, weil der Gesundheitszustand sich gebessert habe und der Invaliditätsgrad nur noch 10 % betrage. M.________ erhob Einwand und forderte, der Anspruch auf die halbe Rente sei zu bestätigen. Mit Verfügung vom 2. Dezember 2010 hob die IV-Stelle des Kantons Aargau den Rentenanspruch auf den 31. Januar 2011 auf.
 
B.
 
Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 17. November 2011 ab.
 
C.
 
M.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten; er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und der Verfügung vom 2. Dezember 2010; die halbe Invalidenrente sei ihm nach 2010 weiterhin auszurichten.
 
Das Bundesgericht weist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mit Verfügung vom 29. Februar 2012 ab.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Der Beurteilung von Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) liegt der Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesen kann das Bundesgericht von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Zu den Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 lit. a BGG gehören auch die unvollständige Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen und die Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes als einer wesentlichen Verfahrensvorschrift (Urteil 9C_53/2008 vom 18. Februar 2009 E. 1.3 mit Hinweisen).
 
1.2 Die gesetzliche Kognitionsbeschränkung gilt namentlich für die Einschätzung der gesundheitlichen und leistungsmässigen Verhältnisse (Art. 6 ATSG), wie sie sich bei der revisionsweisen Anpassung einer Invalidenrente nach Art. 17 ATSG wegen Tatsachenänderungen (Gesundheitszustand, Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit usw.) im revisionsrechtlich massgeblichen Vergleichszeitraum (BGE 133 V 108; Urteil I 692/06 vom 19. Dezember 2006 E. 3.1) entwickelt haben.
 
2.
 
Die Vorinstanz hat die massgebenden Bestimmungen und die Rechtsprechung zur Invalidität erwerbstätiger Versicherter (Art. 8 Abs. 1 ATSG, Art. 4 Abs. 1 IVG), zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 2 IVG), zur Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28a Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG) und zur revisionsweisen Anpassung der Invalidenrente nach Art. 17 ATSG zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
 
3.
 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Aufhebung der ab 1. März 1999 zugesprochenen halben Invalidenrente auf Ende Januar 2011 rechtmässig erfolgte. Sachverhaltlich umstritten geblieben sind nur medizinische Aspekte.
 
3.1 Laut dem Gutachten der Abklärungsstelle E.________ von 2000 war der Beschwerdeführer "aus rein psychiatrischer Sicht" in seiner Arbeitsfähigkeit zu rund 25 %, max. 50 %, eingeschränkt. Die entsprechende Diagnose lautete auf "Angst und depressive Störung gemischt" (ICD-10 F41.2). Es wurde die Weiterführung der begonnenen antidepressiven Basisbehandlung, gegebenenfalls kombiniert mit einer Psychotherapie, empfohlen. Der im Revisionsverfahren 2002 beigezogene Administrativexperte Dr. med. C.________, FMH Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie, attestierte dem Versicherten noch eine "leichte depressive Störung". "Aus rein psychiatrischer Sicht" sei die Arbeitsfähigkeit mindestens ebenso hoch wie in der Beurteilung der Abklärungsstelle E.________ zwei Jahre zuvor. Unter Berücksichtigung sowohl der somatischen, als auch der psychiatrischen Pathologie betrage die Arbeitsfähigkeit mindestens 50 %. Anlässlich der Revision 2006 gab Dr. med. K.________, Rheumatologie FMH, im Verlaufsbericht vom 24. November 2006 an, es bestehe unverändert ein depressives Syndrom. "Aus rheumatologischer Sicht" erachte er den Patienten weiterhin lediglich zu 50 % arbeitsfähig. Nach dem Zuzug des Beschwerdeführers in den Kanton Aargau gab der neue Hausarzt Dr. med. Z.________, Allgemeine Medizin FMH, im Verlaufsbericht vom 21. Januar 2010 an, für eine mittelschwere bis schwere körperliche Arbeit bestehe zurzeit eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit. Der Einsatz in einer körperlich leichten Tätigkeit in wechselnder Position müsste jedoch medizinisch-theoretisch möglich sein und hange vor allem von der Motivation des Versicherten ab. In der internen Stellungnahme vom 28. April 2010 ging der RAD-Arzt Dr. med. H.________ davon aus, die psychiatrische Diagnose könne nun nicht mehr gestellt werden, da der Versicherte sich nicht in regelmässiger psychotherapeutischer Behandlung befinde/befunden habe und eine solche offensichtlich nicht erforderlich sei. In einer angepassten wechselbelastenden Tätigkeit (...) bestehe eine 50%ige Arbeitsfähigkeit mit Steigerung auf 100 % innert vier Wochen.
 
3.2 Die Vorinstanz sah aus psychiatrischer Sicht eine wesentliche Verbesserung des Gesundheitszustandes als ausgewiesen. Nach der Feststellung des Gutachters Dr. med. C.________ sei 2002 keine - auch nicht eine medikamentöse - psychotherapeutische Behandlung erfolgt. Dies habe sich seitdem nicht geändert. Offenbar sei in den Jahren seit dieser letzten psychiatrischen Begutachtung jeglicher Leidensdruck im psychischen Bereich verloren gegangen. Dr. med. Z.________ habe im Verlaufsbericht vom 21. Januar 2010 solche Probleme mit keinem Wort erwähnt. Ein mangelnder Leidensdruck gehe ebenso aus dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 7. April 2010 hervor, in dem er darauf beharrte, er habe keinerlei psychiatrische Behandlung nötig. Offensichtlich habe also die sich schon 2002 abzeichnende Besserung des psychischen Gesundheitszustandes sich so fortentwickelt, dass 2010 von keinem Krankheitsgeschehen mehr gesprochen werden konnte. Von einer anderen Würdigung eines unveränderten Sachverhaltes könne keine Rede sein (vorinstanzliche E. 5.1). In somatischer Hinsicht sei die Diagnose seit der Berentung im Wesentlichen unverändert geblieben. Aus Anlass der Rentenrevision 2002 sei man von einer organisch bedingten Arbeitsunfähigkeit von 50 % in leichten Tätigkeiten ausgegangen. Der Hausarzt Dr. med. Z.________ habe 2010 für ebendiese Verrichtungen medizinisch-theoretisch eine volle Arbeitsfähigkeit bestätigt. Demnach sei auch in körperlicher Hinsicht in einer leidensangepassten Beschäftigung von einer uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit auszugehen (vorinstanzliche E. 5.2). Die Vorinstanz sah mit dieser Entwicklung einen Revisionsgrund gegeben.
 
3.3 Der Beschwerdeführer hält dagegen, die Vorinstanz habe ihre Feststellungen zur wiedererlangten Arbeitsfähigkeit nicht gestützt auf ein Gutachten getroffen, sondern aufgrund eigener Überlegungen bzw. in antizipierter Beweiswürdigung. Es liege jedoch medizinisch noch der gleiche Sachverhalt vor wie 2002, was bedeute, dass kein Raum gegeben sei für eine Revision der Rente. Denn es lägen keine neuen Tatsachen vor, sondern aufgrund der gleichen Befunde sei lediglich eine neue Beurteilung vorgenommen worden. Dem Beschwerdeführer werde infolge der heute generell härteren Haltung der Sozialversicherungen, Ärzte und Gerichte einfach mehr zugemutet als bei der Rentenzusprache.
 
4.
 
4.1 Entgegen den Vorbringen in der Beschwerde kann die vorinstanzliche Feststellung eines verbesserten Gesundheitszustandes weder als offensichtlich unrichtig, geschweige denn willkürlich bezeichnet werden (vorne E. 1). Es liegt medizinisch kein unveränderter Sachverhalt vor, da wie gezeigt (E. 3.1 und 3.2) eine Verbesserung in psychischer Hinsicht ausgewiesen ist. Entgegen der Angabe in der zum Bestandteil des letztinstanzlichen Rechtsmittels erklärten vorinstanzlichen Beschwerde erfolgte in dem im aktuellen Revisionsverfahren zu beurteilenden Zeitraum keine psychiatrische Behandlung. Für den Vergleich massgebend sind die Verhältnisse anlässlich der Revision von 2002, weil damals mit der Einholung des Gutachtens C.________ letztmals eine umfassende materielle Prüfung des Anspruchs stattfand. Was den Verweis des Beschwerdeführers auf das Bundesgerichtsurteil 9C_994/2010 vom 12. April 2011 E. 3.2.2 betrifft, bleibt anzufügen, dass es zumindest nicht direkt einschlägig ist; denn es ging dort um die Frage einer wiedererwägungsweisen Rentenaufhebung (wegen zweifelloser Unrichtigkeit der ursprünglichen Rentenzusprechung) und nicht wie hier um eine spätere revisionsweise Aufhebung einer unbestrittenermassen zu Recht zugesprochenen Rente.
 
4.2 Es trifft nicht zu, dass nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung für Altrenten "weiterhin ein subjektiver Krankheitsbegriff massgeblich" sein soll und darum Renten, die vor 2006 zugesprochen worden sind, nicht aufgehoben werden können, selbst wenn keine psychische Komorbidität gegeben ist. Das Bundesgericht hat jedoch erkannt, dass die Wiedereingliederung von Versicherten im fortgeschrittenen Alter oder nach invaliditätsbedingt langjährigem Fernbleiben von der Arbeitswelt oftmals schwierig ist. Die Verwaltung muss sich vor der Herabsetzung oder Aufhebung einer Invalidenrente vergewissern, ob sich ein medizinisch-theoretisch wiedergewonnenes Leistungsvermögen ohne Weiteres in einem entsprechend tieferen Invaliditätsgrad niederschlägt oder ob dafür ausnahmsweise im Einzelfall eine erwerbsbezogene Abklärung und/oder die Durchführung von Eingliederungsmassnahmen im Rechtssinne vorausgesetzt ist. Dies ist grundsätzlich auf Fälle zu beschränken, in denen die revisions- oder wiedererwägungsweise Herabsetzung oder Aufhebung der Invalidenrente eine versicherte Person betrifft, welche das 55. Altersjahr zurückgelegt oder die Rente seit mehr als 15 Jahren bezogen hat (vgl. Urteil 9C_376/2011 vom 17. November 2011 E. 6.1 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer stand demgegenüber im Zeitpunkt der Rentenaufhebung erst im 49. Altersjahr und hatte knapp 12 Jahre eine halbe Rente bezogen, womit über die Jahre hin beträchtliche arbeitsmarktlich verwertbare Teilerwerbstätigkeit erhalten blieb. Jedoch war die Beschwerdegegnerin bereit, ihm im Rahmen einer beruflichen Eingliederungsmassnahme eine Angewöhnungszeit in Form eines Arbeitstrainings von sechs Monaten in einer leidensadaptierten Tätigkeit zu finanzieren (Verfügung vom 28. September 2010). Dies scheiterte an der Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich subjektiv nur als teilweise eingliederungsfähig erachtete (Schreiben vom 21. Juni 2010), weshalb auch unter diesem Gesichtswinkel die Rentenaufhebung Bundesrecht nicht verletzt.
 
5.
 
Die Beschwerde hatte keine Aussicht auf Erfolg, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG als offensichtlich unbegründet (Abs. 2 lit. a) und ohne Durchführung des Schriftenwechsels erledigt wird.
 
6.
 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 27. März 2012
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Meyer
 
Der Gerichtsschreiber: Schmutz
 
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