BGer 5A_124/2012 | |||
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BGer 5A_124/2012 vom 28.03.2012 | |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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5A_124/2012
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Urteil vom 28. März 2012
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II. zivilrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
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Bundesrichter Marazzi, von Werdt,
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Gerichtsschreiber V. Monn.
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Verfahrensbeteiligte | |
X.________,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Obergericht des Kantons Bern,
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Zivilabteilung, 1. Zivilkammer,
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Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Unentgeltliche Rechtspflege (definitive Rechtsöffnung),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Zivilabteilung, 1. Zivilkammer, vom 11. Januar 2012.
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Sachverhalt:
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A.
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X.________ wurde von seiner abgeschiedenen Ehefrau für ausstehende Kinder- und Ehegattenunterhaltsbeiträge betrieben. Nachdem jener Rechtsvorschlag erhoben hatte, ersuchte diese in zwei getrennten Verfahren um definitive Rechtsöffnung. Im Zuge dieser Verfahren stellte X.________ am 1. Juni 2011 ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. Dieses wies die zuständige Gerichtspräsidentin am 2. September 2011 mangels Bedürftigkeit ab.
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B.
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Mit Entscheid vom 11. Januar 2012 wies das Obergericht des Kantons Bern die von X.________ ergriffene Beschwerde ab. Für das Verfahren vor Obergericht hatte dieser kein Rechtspflegegesuch gestellt.
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Zwischenzeitlich hatte die Rechtsöffnungsrichterin erstinstanzlich in beiden Verfahren (CIV 11 3138 und CIV 11 3146) definitiv Rechtsöffnung erteilt und das Obergericht die dagegen gerichteten Beschwerden abgewiesen (Entscheide ZK 11 581 und ZK 11 582, je vom 21. Dezember 2011). Das Bundesgericht trat schliesslich auf die dagegen ergriffenen Beschwerden im Verfahren nach Art. 108 BGG nicht ein (Urteile 5A_126/2012 und 5D_24/2012, je vom 8. Februar 2012).
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C.
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Gegen den Entscheid des Obergerichts vom 11. Januar 2012 hat X.________ (nachfolgend Beschwerdeführer) am 3. Februar 2012 eine Beschwerde in Zivilsachen eingereicht mit dem Begehren, das angefochtene Urteil aufzuheben und die obergerichtlichen Verfahren ZK 11 581 und ZK 11 582 bis zum bundesgerichtlichen Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege zu sistieren. Ausserdem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren vor Bundesgericht.
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Es wurden die Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt.
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Erwägungen:
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1.
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1.1 Die Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 Abs. 1 BGG), mit dem das Gesuch des Beschwerdeführers um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege für das erstinstanzliche Hauptverfahren abgewiesen wurde. Dieser Entscheid gilt als Zwischenentscheid, selbst wenn er - wie hier - nach dem Urteil in der Hauptsache gefällt wurde, und kann als solcher angefochten werden, zumal dem Beschwerdeführer im Hauptsacheverfahren Kosten auferlegt wurden und er insofern beschwert ist.
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Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (BGE 133 III 645 E. 2.2. S. 647 f.). Im vorliegenden Fall betrifft diese zwei Rechtsöffnungsverfahren, deren Streitwert Fr. 30'000.-- übersteigt. Mithin ist die Beschwerde in Zivilsachen gegen den Entscheid in der Hauptsache zulässig (Art. 72 Abs. 2 lit. a und Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG), womit sie auch gegen den vorliegenden Zwischenentscheid ergriffen werden kann.
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1.2 Die Beschwerde in Zivilsachen ist ein reformatorisches Rechtsmittel (Art. 107 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer muss einen materiellen Antrag stellen, das heisst angeben, inwiefern das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid abändern soll; Anträge auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung oder blosse Aufhebungsanträge genügen nicht und machen die Beschwerde unzulässig (BGE 133 III 489 E. 3.1 S. 489 f.). Nach der Begründung der Beschwerde, die für die Auslegung der Begehren beizuziehen ist (BGE 136 V 131 E. 1.2 S. 136), fordert der Beschwerdeführer die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das erstinstanzliche Verfahren. Insoweit kann auf die Beschwerde eingetreten werden.
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2.
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Vorab bemängelt der Beschwerdeführer, dass die Gerichte in der Hauptsache entschieden hätten, ohne die Erledigung des Rechtspflegegesuchs abzuwarten, und verlangt eine Sistierung der kantonalen Verfahren.
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Es trifft zu, dass in den beiden Rechtsöffnungsverfahren die Urteile ergangen sind, bevor das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege entschieden war. Der Beschwerdeführer hat diese Urteile in der Folge zunächst kantonal und schliesslich auch vor Bundesgericht angefochten. Letzteres ist auf die beiden eingereichten Beschwerden nicht eingetreten (s. Sachverhalt Bst. B hiervor). Damit sind die Entscheide in der Hauptsache rechtskräftig entschieden. Darauf kann nicht zurückgekommen werden; das Sistierungsgesuch ist gegenstandslos.
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3.
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Umstritten ist die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers.
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3.1 Das Obergericht erwog, der Beschwerdeführer sei seit dem 1. September 2011 bei der Z.________ AG angestellt, wo er netto Fr. 6'000.-- pro Monat verdiene. Zudem seien ihm formell von der X.________ AG vereinnahmte Entschädigungen für Lehrtätigkeiten bei der A.________ Fachhochschule (Fr. 1'025.--), bei zwei polnischen Universitäten (Fr. 1'069.--) und einer thailändischen Universität (Fr. 150.--) anzurechnen, so dass sich sein monatliches Einkommen auf Fr. 8'244.-- belaufe. Seinen zivilprozessualen Zwangsbedarf bezifferte das Obergericht mit Fr. 5'553.--. Daraus ergebe sich ein Überschuss von Fr. 2'691.--, womit der Beschwerdeführer die mutmasslichen Gerichtskosten der Rechtsöffnungsverfahren von voraussichtlich Fr. 5'800.-- ohne Probleme innert Jahresfrist bezahlen könne. Ein Überschuss würde im Übrigen selbst dann vorliegen, wenn nur die bei der Z.________ AG erzielten Nettoeinkünfte von Fr. 6'000.-- berücksichtigt würden.
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3.2 Der Beschwerdeführer beanstandet, dass das Obergericht für die Beurteilung der Bedürftigkeit auf sein Einkommen im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Entscheids (2. September 2011) abgestellt habe, anstatt diese im Moment der Gesuchseinreichung zu prüfen (1. Juni 2011).
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3.3 Ob die Kriterien zur Bestimmung der Bedürftigkeit gemäss Art. 117 lit. a ZPO zutreffend angewendet worden sind, prüft das Bundesgericht frei; tatsächliche Feststellungen der kantonalen Behörden überprüft es hingegen nur auf Willkür (Art. 9 BV) hin (vgl. BGE 134 I 12 E. 2.3 S. 14 mit Hinweis). Für die Geltendmachung der Verletzung verfassungsmässiger Rechte gilt das Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254). Was die Rüge willkürlicher Sachverhaltsfeststellung anbelangt, ist neben der Erheblichkeit der gerügten Feststellungen für den Ausgang des Verfahrens (BGE 135 I 19 E. 2.2.2 S. 22) im Einzelnen darzulegen, inwiefern diese offensichtlich unhaltbar sein, das heisst mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen, auf einem offenkundigen Versehen beruhen oder sich sachlich in keiner Weise rechtfertigen lassen sollen (BGE 134 V 53 E. 4.3 S. 62 mit Hinweisen).
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Als bedürftig gilt, wer für die Kosten eines Prozesses nicht aufkommen kann, ohne die Mittel anzugreifen, derer er zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts für sich und seine Familie bedarf (BGE 128 I 225 E. 2.5.1. S. 232; 127 I 202 E. 3b S. 205). In zeitlicher Hinsicht ist die wirtschaftliche Situation des Gesuchstellers im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs massgeblich. Steht aber fest, dass der Gesuchsteller im Zeitpunkt des Entscheids nicht bzw. nicht mehr bedürftig ist, kann auf diese Verhältnisse abgestellt werden. Dies ergibt sich aus Art. 123 ZPO, wonach die Partei zur Nachzahlung verpflichtet ist, sobald sie "dazu in der Lage ist". Würde der Auffassung des Beschwerdeführers gefolgt, müsste - sofern die behauptete Bedürftigkeit und das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen erstellt wären - die unentgeltliche Rechtspflege (ganz oder teilweise) gewährt und gleichzeitig durch Anordnung einer entsprechenden Rückzahlung wieder entzogen werden, was selbstverständlich nicht der Sinn der Art. 117 ff. ZPO sein kann (vgl. BGE 108 V 265 E. 4 S. 269). Aus der Rechtsprechung, auf die der Beschwerdeführer verweist, ergibt sich nichts anderes. Daher hat das Obergericht kein Bundesrecht verletzt, indem es für die Beurteilung der Bedürftigkeit des Beschwerdeführers auf den Zeitpunkt des erstinstanzlichen Entscheids abgestellt hat.
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4.
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Ausserdem erhebt der Beschwerdeführer zahlreiche Sachverhaltsrügen. Diese betreffen allerdings ausschliesslich Einkommensbestandteile, die nicht von der Z.________ AG stammen. Dass er dort ab September 2011 monatlich netto Fr. 6'000.-- verdient, bestreitet der Beschwerdeführer nicht, ebenso wenig den vom Obergericht ermittelten Zwangsbedarf oder die Feststellung, er sei nicht bedürftig, selbst wenn nur das bei der Z.________ AG verdiente Einkommen berücksichtigt werde. Daher laufen sämtliche Sachverhaltsrügen ins Leere, denn sie sind für den Ausgang des Verfahrens nicht erheblich; darauf ist nicht einzutreten.
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5.
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Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, muss die Beschwerde in Zivilsachen in jeder Hinsicht als von Anfang an aussichtslos bezeichnet werden, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt und das betreffende Gesuch abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 BGG). Damit wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
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2.
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Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.
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3.
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Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 28. März 2012
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Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Hohl
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Der Gerichtsschreiber: V. Monn
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