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Informationen zum Dokument  BGer 6B_716/2011  Materielle Begründung
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BGer 6B_716/2011 vom 30.03.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_716/2011
 
Urteil vom 30. März 2012
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichter Schneider, Denys,
 
Gerichtsschreiberin Horber.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Strafzumessung; Grundsatz der Gleichbehandlung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
 
des Kantons Luzern, 4. Abteilung, vom 20. April 2011.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ schloss sich am 14. Dezember 1998 mit A.________ zusammen, um im Rahmen einer Vermögensverwaltung Gelder von Kunden entgegenzunehmen und gewinnbringend anzulegen. Sie tätigten ihre Geschäfte zunächst als einfache Gesellschafter der B.A.________, ab Gründung der B.B.________ AG am 5. Juli 2000 als Geschäftsführer der Gesellschaft. Sie traten als gleichberechtigte Geschäftspartner auf, wobei X.________ als "Trader" und A.________ als administrativer Leiter wirkten. In der Zeit zwischen dem 24. März 1999 und dem 31. Oktober 2001 flossen der B.A.________ bzw. der B.B.________ AG insgesamt Fr. 21'939'084.17 zu. Seit Beginn wurden Verluste erzielt, die den Kunden verheimlicht wurden. Die den Kunden zugestellten Kontoauszüge und die Performance-Listen, die bei der Akquisition verwendet wurden, wiesen fiktive Gewinnzahlen aus bzw. verschwiegen die Verluste. X.________ bezog im Zeitraum vom 24. März 1999 bis zum 31. Oktober 2001 für sich persönlich insgesamt Fr. 1'235'268.25. Ungefähr Ende Oktober 2000 schied A.________ aus der Gesellschaft aus, worauf X.________ alleine weitermachte. Bis zum 31. Oktober 2001 resultierte ein Verlust von Kundengeldern von insgesamt Fr. 9'365'904.07. Am 18. Dezember 2001 wurde auf Initiative der Revisionsstelle der Konkurs eröffnet.
 
B.
 
Das Obergericht des Kantons Luzern sprach X.________ am 20. April 2011 in Bestätigung des Urteils des Kriminalgerichts des Kantons Luzern vom 29. April 2010 des gewerbsmässigen Betrugs schuldig. Es verurteilte ihn unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft von 13 Tagen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, fünf Monaten und 15 Tagen, als Zusatzstrafe zum Urteil des Einzelrichteramts Zug vom 15. September 2005.
 
C.
 
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben, und er sei wegen gewerbsmässigen Betrugs zu einer bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu verurteilen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Es seien ihm die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren und Rechtsanwalt Dr. Stefan Suter als unentgeltlicher Rechtsvertreter beizuordnen. Der Beschwerde sei ausserdem die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Beschwerde richtet sich gegen die Strafzumessung. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots. Der Mitangeklagte A.________ sei lediglich zu einer bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe verurteilt worden, obschon dessen Tatbeitrag höher gewesen sei. Insbesondere habe ihn A.________ angestiftet, die Geschäfte alleine weiterzuführen (Beschwerde, S. 2 N. 3 und S. 4 N. 9 ff.).
 
Der Beschwerdeführer rügt überdies, die Vorinstanz verletze das Willkürverbot und seinen Anspruch auf ein faires Verfahren, indem sie seinen Beweisantrag ablehne, es sei der Psychologe C.________ als Zeuge anzuhören (Beschwerde, S. 3 N. 8). Dieser sei zum Zeitpunkt der finanziellen Probleme von A.________ damit beauftragt worden, ihn dazu zu überreden, alleine weiterzumachen. Insofern sei es willkürlich, wenn A.________ im Rahmen der Strafzumessung die kürzere Dauer des deliktischen Verhaltens und der tiefere Deliktsbetrag zu Gute gehalten werde (Beschwerde, S. 2 N. 4 ff.).
 
1.2
 
1.2.1 Der Anspruch der Parteien, mit rechtzeitig und formgültig angebotenen Beweisanträgen und Vorbringen gehört zu werden, soweit diese erhebliche Tatsachen betreffen und nicht offensichtlich beweisuntauglich sind, leitet sich aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ab. Keine Verletzung dieses Anspruchs liegt vor, wenn das Gericht darauf verzichtet, beantragte Beweise abzunehmen, weil es auf Grund der bereits abgenommenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, seine Überzeugung würde durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert (BGE 136 I 265 E. 3.2; 136 I 229 E. 5.3; je mit Hinweisen).
 
1.2.2 Der Entscheid der Vorinstanz, in antizipierter Beweiswürdigung auf weitere Beweiserhebungen zu verzichten, ist nicht zu beanstanden. Sie legt ausführlich dar, weshalb davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer als Gesellschafter der B.A.________ bzw. als Aktionär der B.B.________ AG spätestens ab 1. Juni 1999, mithin auch zum Zeitpunkt des Ausstiegs von A.________ Ende Oktober 2000, vollumfänglich über die Geschäftspraktiken innerhalb der Gesellschaft orientiert war und diese als gleichberechtigter Geschäftspartner von A.________ vollumfänglich mitgetragen hat. Dabei stützt sich die Vorinstanz massgeblich auf die Aussagen der beiden Angeklagten. Auf ihre Ausführungen kann verwiesen werden (Urteil, E. 3.3.2.2 S. 13 ff.). Insbesondere setzt sie sich mit dem Einwand des Beschwerdeführers auseinander, wonach A.________ ihn dazu angestiftet habe, das Geschäft alleine weiterzuführen. Sie erwägt, der Beschwerdeführer habe das Unternehmen nach dem Ausstieg von A.________ in vollem Bewusstsein über die Verluste weitergeführt, weshalb sein Einwand nicht massgeblich sei. Vor allem sei nicht davon auszugehen, dass er bloss als schwächerer Part bzw. als Mitläufer gehandelt habe (Urteil, E. 4.4.3.2 S. 25 f.). Insgesamt sei der relevante Sachverhalt genügend abgeklärt, weshalb sich weitere Beweiserhebungen erübrigen würden. Die Einvernahme des Psychologen C.________ als Zeuge sei in Übereinstimmung mit der ersten Instanz entbehrlich (Urteil, E. 2 S. 10; Urteil des Kriminalgerichts des Kantons Luzern vom 29. April 2010, E. 1 S. 9). Inwiefern diese Schlussfolgerung schlechthin unhaltbar ist, vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen. Er setzt sich nicht substantiiert mit den vorinstanzlichen Erwägungen auseinander (vgl. zu den Begründungsanforderungen einer Willkürrüge BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 mit Hinweis). Vielmehr beschränkt er sich darauf, weiterhin vorzubringen, er sei als ungebildeter Helfer von A.________ dazu angestiftet worden, das Geschäft alleine weiterzuführen. Darauf ist nicht einzutreten. Inwiefern die Vorinstanz den Anspruch des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren verletzt, ist nicht ersichtlich. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2 BV rügt er nicht explizit und liegt im Übrigen nicht vor.
 
1.3
 
1.3.1 Gemäss Art. 47 StGB ist das Strafmass individuell nach dem Verschulden eines Täters im Rahmen des richterlichen Ermessens festzusetzen. Hat der Sachrichter im gleichen Verfahren zwei Mittäter zu beurteilen, so ist bei der Verschuldensbewertung mit zu berücksichtigen, in welchem gegenseitigen Verhältnis die Tatbeiträge stehen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung und Gleichmässigkeit der Strafzumessung gebietet, dass sich jeder für den ihm zukommenden Anteil an der Unrechtmässigkeit der Tat zu verantworten hat. Ist der Tatbeitrag gleichwertig, so führt das zunächst zu einer gleichen (objektiven) Schuldeinschätzung. Erst wenn auch die subjektive Vorwerfbarkeit identisch ist und sich überdies namentlich die individuellen Täterkomponenten gleichmässig auswirken, drängt sich die gleiche Strafe für beide Mittäter auf. Häufig liegen jedoch ungleiche Strafzumessungsfaktoren vor, weil sich die subjektive Verschuldensbewertung oder die persönlichen Verhältnisse unterscheiden. In diesen Fällen kann es zu unterschiedlichen Strafen kommen. Der Grundsatz der Gleichmässigkeit ist nur verletzt, wenn es der Richter bei der Festlegung der einzelnen Strafen unterlässt, im Sinne einer Gesamtbetrachtung beide Strafzumessungen in Einklang zu bringen. Ist aus formellen Gründen nur über einen Mittäter zu urteilen, während die Strafe des andern bereits feststeht, so geht es darum, einen hypothetischen Vergleich anzustellen. Der Richter hat sich zu fragen, welche Strafen er ausfällen würde, wenn er beide Mittäter gleichzeitig beurteilen müsste. Dabei hat er sich einzig von seinem pflichtgemässen Ermessen leiten zu lassen. Die Autonomie des Richters kann zur Folge haben, dass die Strafen zweier Mittäter in einem Missverhältnis stehen. Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich und hinzunehmen, solange die in Frage stehende Strafe als solche angemessen ist. Ein Anspruch auf "Gleichbehandlung im Unrecht" besteht grundsätzlich nicht (BGE 135 IV 191 E. 3.1 ff. mit Hinweisen).
 
1.3.2 Die erste Instanz verurteilte den Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, acht Monaten und 15 Tagen. Sie berücksichtigte dabei die mit Urteil des Einzelrichteramts Zug vom 15. September 2005 verhängte Strafe von 20 Tagen Gefängnis und gelangte in Anwendung von aArt. 68 Abs. 2 StGB (retrospektive Konkurrenz) zu einer hypothetischen Gesamtstrafe von fünf Jahren. Der Verletzung des Beschleunigungsgebots und der langen Verfahrensdauer trug sie mit einer Reduktion von 25 % Rechnung. A.________ verurteilte sie zu einer teilbedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von drei Jahren. Dabei ging sie von einer Einsatzstrafe von viereinhalb Jahren aus, die sie ebenfalls um 25 % reduzierte. Die ungleichen Strafen der beiden Mittäter begründete sie insbesondere mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer im Gegensatz zu A.________ kaum Reue gezeigt habe. Zudem sei bei diesem aufgrund des früheren Geschäftsaustritts die kürzere Deliktsdauer zu berücksichtigen, wohingegen der Beschwerdeführer in Kenntnis des Totalverlusts während eines Jahres weiterhin Devisengeschäfte getätigt habe. Auch habe dieser letztlich den Konkurs nicht selber angezeigt (Urteil des Kriminalgerichts des Kantons Luzern vom 29. April 2010, E. 4.2.5 S. 34 ff.).
 
Die Vorinstanz erwägt, es sei aufgrund der unterschiedlichen Beurteilung massgebender Strafzumessungsfaktoren nicht zu beanstanden, dass die erste Instanz für die beiden Mittäter unterschiedliche Strafen ausgesprochen habe (Urteil, E. 4.4.3.2 S. 25 f.). Dem ist beizupflichten. In Anbetracht der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung (E. 1.2.2 hievor), wonach der Beschwerdeführer nicht als unwissender Mitläufer zu bezeichnen ist, sondern als gleichberechtigter Geschäftspartner von A.________ agiert hat, ist es angemessen, den Tatbeitrag des Beschwerdeführers aufgrund der längeren Deliktsdauer und des höheren Deliktbetrags als höher einzustufen und in der Folge eine höhere Strafe auszufällen. Darüber hinaus ist bei einem Vergleich der hypothetischen Gesamtstrafe von fünf Jahren für den Beschwerdeführer mit der Einsatzstrafe von viereinhalb Jahren für A.________ mitzuberücksichtigen, dass Erstere mehrere Taten umfasst, was die unterschiedlichen Strafen zusätzlich rechtfertigt. Dies führt dazu, dass die Strafe von A.________ in Anwendung von Art. 43 Abs. 1 StGB teilbedingt vollzogen werden kann, wohingegen die Freiheitsstrafe des Beschwerdeführers zwingend unbedingt zu vollziehen ist. Eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung liegt nicht vor.
 
2.
 
2.1 Der Beschwerdeführer beanstandet die Strafzumessung der Vorinstanz zudem insofern, als er geltend macht, diese berücksichtige den Strafmilderungsgrund gemäss Art. 48 lit. e StGB nicht, obschon zwei Drittel der Verjährungsfrist vergangen seien (Beschwerde, S. 4 N. 13).
 
2.2 Das Gericht mildert die Strafe, wenn das Strafbedürfnis in Anbetracht der seit der Tat verstrichenen Zeit deutlich vermindert ist und der Täter sich in dieser Zeit wohl verhalten hat (Art. 48 lit. e StGB). Dieser Strafmilderungsgrund ist in jedem Fall zu beachten, wenn zwei Drittel der Verjährungsfrist verstrichen sind. Der Richter kann diese Zeitspanne unterschreiten, um Art und Schwere der Tat Rechnung zu tragen (BGE 132 IV 1 E. 6.2).
 
2.3 Nachdem bereits die erste Instanz die Verletzung des Beschleunigungsgebots und die lange Verfahrensdauer mit einer Strafreduktion von 25 % berücksichtigt hat (Urteil des Kriminalgerichts des Kantons Luzern vom 29. April 2010, E. 4.2.5.1 S. 35), reduziert die Vorinstanz die Freiheitsstrafe zusätzlich um drei Monate, um der durch das Appellationsverfahren verlängerten Verfahrensdauer Rechnung zu tragen (Urteil, E. 4.4.4 S. 26). Insgesamt erfolgte demnach eine Reduktion von 30 %.
 
2.4 Indem die kantonalen Instanzen die Strafe aufgrund der langen Verfahrensdauer reduzieren, berücksichtigten sie neben der Verletzung des Beschleunigungsgebots auch den Strafmilderungsgrund gemäss Art. 48 lit. e StGB (vgl. Urteil des Kriminalgerichts des Kantons Luzern vom 29. April 2010, E. 4.2.5 S. 34). Insofern geht der Einwand des Beschwerdeführers fehl. Wenn er darüber hinaus ohne nähere Begründung geltend macht, eine Reduktion der Strafe um 25 % werde vorliegend der langen Verfahrensdauer nicht gerecht, und es sei die Freiheitsstrafe auf zwei Jahre zu reduzieren und bedingt zu vollziehen (Beschwerde, S. 5 N. 14 f.), verkennt er zum einen, dass die Strafe insgesamt um 30 % reduziert wurde. Zum anderen ist weder ersichtlich noch aufgezeigt, inwiefern eine weitergehende Strafminderung vorgenommen werden müsste, mithin die Vorinstanz ihr weites Ermessen verletzt. Die ausgefällte Freiheitsstrafe von drei Jahren, fünf Monaten und 15 Tagen ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden.
 
3.
 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist ebenfalls abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seiner finanziellen Lage ist bei der Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos geworden.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, 4. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 30. März 2012
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Die Gerichtsschreiberin: Horber
 
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