BGer 8C_262/2012 | |||
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BGer 8C_262/2012 vom 08.06.2012 | |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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8C_262/2012
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Urteil vom 8. Juni 2012
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I. sozialrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Ursprung, Präsident,
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Bundesrichterinnen Leuzinger, Niquille,
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Gerichtsschreiber Lanz.
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Verfahrensbeteiligte | |
R.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Altermatt,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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IV-Stelle des Kantons Graubünden,
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Ottostrasse 24, 7000 Chur,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung
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(vorinstanzliches Verfahren; Prozessvoraussetzung),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden
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vom 29. November 2011.
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Sachverhalt:
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Am 31. Mai 2011 erliess die IV-Stelle des Kantons Graubünden eine Verfügung betreffend die Berechtigung der R.________ auf eine Invalidenrente.
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R.________ erhob hiegegen mit Eingabe vom 22. Juli 2011 (Poststempel) Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Dieses trat mit Entscheid vom 29. November 2011 auf die Beschwerde nicht ein, da sie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht worden sei.
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Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt R.________ beantragen, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und das kantonale Gericht anzuweisen, auf die Beschwerde vom 22. Juli 2011 einzutreten.
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Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
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Erwägungen:
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1.
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Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz können nur berichtigt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2.
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Das kantonale Gericht ist zum Ergebnis gelangt, die uneingeschrieben versandte Verwaltungsverfügung vom 31. Mai 2011 sei der Versicherten spätestens am 10. Juni 2011 zugegangen. Die 30tägige Beschwerdefrist gemäss Art. 60 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 52 Abs. 1 des bündnerischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege habe daher spätestens am 10. Juli 2011 geendet. Demnach sei die Beschwerde vom 22. Juli 2011 verspätet eingereicht worden, zumal in der massgeblichen Zeitspanne kein Fristenstillstand gemäss Art. 38 Abs. 4 lit. b ATSG zu berücksichtigen sei. Auf die Beschwerde könne daher nicht eingetreten werden.
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3.
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Umstritten ist einzig der - die Beschwerdefrist auslösende - Zeitpunkt, in welchem die Verwaltungsverfügung vom 31. Mai 2011 der Versicherten zugegangen ist.
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Wann dies erfolgte, ist Tatfrage und daher nur auf offensichtliche Unrichtigkeit und auf Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG überprüfbar. Wie das kantonale Gericht zutreffend dargelegt hat, gilt der Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit und liegt die (objektive) Beweislast für den Zeitpunkt der Zustellung einer Verfügung bei der Verwaltung, wobei im Falle der Bestreitung des Zustellungsdatums einer uneingeschriebenen Sendung im Zweifel auf die Darstellung des Empfängers abgestellt werden muss (BGE 136 V 295 E. 5.9 S. 309 mit Hinweisen; vgl. auch SVR 2011 IV Nr. 32 S. 93, 9C_791/2010 E. 4.1; je mit Hinweisen).
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3.1 Das kantonale Gericht hat erwogen, die Beschwerdeführerin habe auf seine Aufforderung hin, mitzuteilen, wann sie die Verwaltungsverfügung von der Post in Empfang genommen habe, ohne Kommentar eine Kopie des Briefumschlages eingereicht. Die Versicherte habe nicht einmal in der Replik Ausführungen zum Zeitpunkt des Verfügungsempfanges gemacht, obschon sie aufgrund der Anträge und Argumentation in der Vernehmlassung der Verwaltung Anlass dazu gehabt hätte und gewusst habe, dass dieser Zeitpunkt für die Eintretensfrage von entscheidender Bedeutung sei. Es gebe demnach bezüglich Datum der Verfügungszustellung keine Darstellung der Beschwerdeführerin, auf welche abgestellt werden könnte. Demnach seien die Umstände gesamthaft zu würdigen. Die angefochtene Verfügung sei unbestrittenermassen am 31. Mai 2011, einem Dienstag, per B-Post versandt worden. Gemäss Auskunft der Post würden B-Post-Briefe spätestens am dritten Arbeitstag nach der Aufgabe zugestellt. Es sei daher mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Zustellung durch die Post bereits am 2. oder 3. Juni 2011 erfolgte. Hinweise für eine aussergewöhnliche Verzögerung gebe es nicht, und die Beschwerdeführerin mache, wie dargelegt, selber keine solche Verzögerung geltend. Zudem gebe es einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Zustellung spätestens am 10. Juni 2011 erfolgt sei. Der Hausarzt der Versicherten habe nämlich an diesem Tag zu deren Handen einen Arztbericht verfasst. Dies sei mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit so zu interpretieren, dass die Beschwerdeführerin nach dem Erhalt der Verfügung ihren Hausarzt um einen Bericht gebeten habe, um gegen die Verfügung vorgehen zu können. Ein anderer Grund, weshalb der Hausarzt ausgerechnet in diesem Zeitpunkt und zuhanden der Versicherten einen solchen Bericht hätte verfassen sollen, sei nicht ersichtlich. Aufgrund einer Gesamtwürdigung könne somit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die fristauslösende Mitteilung bis spätestens am 10. Juni 2011 erfolgt sei.
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3.2 In der Beschwerde werden verschiedene Einwände erhoben. Bei einzelnen erscheint fraglich, ob es sich nicht um unzulässige Noven im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG handelt. Das muss aber nicht abschliessend beantwortet werden, da sämtliche Vorbringen nicht geeignet sind, den vorinstanzlichen Entscheid in Frage zu stellen. Im Einzelnen ergibt sich Folgendes:
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3.2.1 Vorgebracht wird, das Zustellcouvert weise lediglich den von der IV-Stelle angebrachten, mit 31. Mai 2011 datierten Frankaturaufkleber auf und sei nicht von der Post abgestempelt worden. Die Versicherte bestreite denn auch, dass die IV-Stelle die Verfügung in dem von der Vorinstanz angenommenen Zeitpunkt der Post übergeben habe.
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Es kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die IV-Stelle, wenn sie einen solchen Frankaturaufkleber anbringt, die Postaufgabe an dem darauf vermerkten Tag oder jedenfalls kurz danach vornimmt. Ansonsten hätte die Verwaltung wohl auch eine entsprechende Beanstandung der Post bei der Postaufgabe zu gewärtigen. Das kann zumindest dann angenommen werden, wenn Frankaturdatum und tatsächlicher Aufgabetermin um rund zwei Wochen differieren, wie dies hier zur Stützung der beschwerdeführerischen Position erforderlich wäre. Der Einwand der Versicherten ist daher nicht geeignet, die vorinstanzliche Beurteilung als offensichtlich unrichtig oder sonst wie bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen.
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3.2.2 Geltend gemacht wird weiter, die Beschwerdeführerin habe sich zwar das Zustelldatum nicht gemerkt oder notiert. Aus diesem Grund sei sie auch der entsprechenden Aufforderung der Vorinstanz nicht nachgekommen. Die Versicherte habe sich aber genau gemerkt, dass sie die Beschwerde spätestens nach Ende des vom 15. Juli bis 15. August dauernden Fristenstillstandes gemäss Art. 38 Abs. 4 lit. b ATSG einreichen müsse, um die Rechtsmittelfrist zu wahren. Mit der Postaufgabe am 22. Juli 2011 sei diese Frist gewahrt worden.
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Dieser Einwand wirkt nach Lage der Dinge konstruiert. Er überzeugt auch deshalb nicht, weil damit in keiner Weise erklärt ist, weshalb sich die Versicherte im vorinstanzlichen Verfahren überhaupt nicht zur Fristwahrung äusserte, obschon sie durch die prozessleitende Verfügung des kantonalen Gerichts und durch die Vernehmlassung der Verwaltung unzweideutig auf die diesbezügliche Problematik aufmerksam gemacht worden war.
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3.2.3 Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung vermögen weder der Inhalt des hausärztlichen Berichtes vom 10. Juni 2011 noch der Umstand, dass dieser an die Adresse der Versicherten gerichtet wurde, die vorinstanzliche Beurteilung in Frage zu stellen.
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3.2.4 Der Beschwerdeführerin kann auch nicht gefolgt werden, soweit sie vorbringt, die Vorinstanz verlange von ihr zu Unrecht den Nachweis für den Zeitpunkt der Entgegennahme der Verwaltungsverfügung. Das kantonale Gericht hat den Umstand, dass keine Darstellung der Versicherten zu diesem Zeitpunkt vorlag, im Lichte der dargelegten Grundsätze (E. 3 Ingress in fine hievor) rechtskonform gewürdigt. Eine Verletzung von Beweisregeln liegt nicht vor. Die Beschwerde ist somit auch diesbezüglich unbegründet, was zu ihrer Abweisung führt.
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4.
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Die Kosten des Verfahrens sind von der unterliegenden Beschwerdeführerin zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 8. Juni 2012
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Ursprung
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Der Gerichtsschreiber: Lanz
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