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Informationen zum Dokument  BGer 8C_907/2011  Materielle Begründung
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BGer 8C_907/2011 vom 30.07.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_907/2011
 
Urteil vom 30. Juli 2012
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
 
Gerichtsschreiberin Schüpfer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Helsana Unfall AG,
 
Recht, 8081 Zürich
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
N.________, vertreten durch Procap für Menschen mit Handicap,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Rente; Invalideneinkommen),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 29. September 2011.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1952 geborene N.________ war seit 1996 als ausgebildete Krankenschwester in der Klinik R.________ tätig und dadurch bei der Helsana Versicherungen AG (Helsana) u.a. gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 2. Juli 2005 verspürte sie beim Anheben eines Patienten einen einschiessenden Schmerz im Oberarm/Schultergelenk. Mittels Arthroskopie wurde eine inkomplette Ruptur der langen Bicepssehne sowie eine Verletzung der Rotatorenmanschette festgestellt und rekonstruiert. Die Helsana anerkannte ihre Leistungspflicht und übernahm neben der Heilbehandlung und Taggeldleistungen die Kosten für einen sechs Monate dauernden Kurs am Lehrinstitut Y.________. Die Versicherte schloss diesen mit einem Diplom ab. Mit Verfügung vom 9. Februar 2010 sprach die Unfallversicherung N.________ mit Wirkung ab 1. September 2008 eine Invalidenrente von 32 % zu. Auf Einsprache hin korrigierte die Helsana die Höhe des Rentenanspruchs auf 33 % (Einspracheentscheid vom 12. Juli 2010).
 
B.
 
Die hiegegen angehobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau in Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheids teilweise gut und sprach der Versicherten eine Rente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 48 % zu (Entscheid vom 29. September 2011).
 
C.
 
Die Helsana führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
 
Während N.________ auf Abweisung der Beschwerde schliessen lässt und anfügt, das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde sei nicht begründet, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
 
1.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
 
2.
 
Die letztinstanzlich erstmals aufgelegten Inserate über offene Stellen im Gesundheitswesen stellen unzulässige Nova im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG dar. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, weshalb diese nicht bereits im kantonalen Verfahren eingereicht wurden, weshalb sie letztinstanzlich unbeachtlich bleiben.
 
3.
 
Streitgegenstand bildet die Höhe der Invalidenrente, wobei einzig zu prüfen ist, von welchem Invalideneinkommen bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades auszugehen ist. Unbestritten - und für das Bundesgericht daher verbindlich (vgl. E. 1.1 hievor) - sind demgegenüber letztinstanzlich die medizinische Beurteilung der Arbeitsfähigkeit und die Bestimmung des Einkommens, welches die Beschwerdegegnerin ohne Gesundheitsschädigung erzielen würde (Valideneinkommen).
 
4.
 
Das kantonale Gericht hat die massgebenden Bestimmungen und Grundsätze zum Begriff der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), zum Anspruch auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung (Art. 18 Abs. 1 UVG) und zur Bemessung der Invalidität bei Erwerbstätigen nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG), namentlich bei Verwendung der Tabellenlöhne gemäss den vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE) (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
 
5.
 
5.1 Zur Bemessung des Invalideneinkommens stellte die Vorinstanz auf die Zahlen der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik 2008 ab. Dabei ging sie vom monatlichen Bruttolohn (inkl. 13. Monatslohn, basierend auf einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden) für weibliche Arbeitskräfte an Arbeitsplätzen im Gesundheits- und Sozialwesen auf dem niedrigsten Anforderungsniveau 4 (Verrichtung einfacher und repetitiver Arbeiten) von Fr. 4'547.- aus (Tabelle TA1 der LSE 2008). Aufgerechnet auf die durchschnittliche betriebsübliche Arbeitszeit von 41,6 Stunden pro Woche im Jahre 2008 (Die Volkswirtschaft 12/2010 S. 90 Tabelle B 9.2) ergab dies unter Berücksichtigung der unbestrittenen zumutbaren Arbeitsfähigkeit von 30 Wochenstunden und einem Abzug von 5 % ein Invalideneinkommen von Fr. 38'877.-; verglichen mit dem Valideneinkommen von Fr. 75'002.- somit einen Invaliditätsgrad von 48 %.
 
5.2 Die Beschwerde führende Unfallversicherung erachtet die statistischen Durchschnittswerte gemäss Anforderungsniveau 3 im Gesundheits- und Sozialwesen - unter Berücksichtigung eines Pensums von 75 % und eines Abzuges vom statistischen Tabellenlohn von 5 % - als massgebend. Umstritten ist daher vorliegend einzig, ob bei der Ermittlung des hypothetischen Invalideneinkommens das Anforderungsniveau 3 oder 4 heranzuziehen ist.
 
6.
 
6.1 Als diplomierte Krankenschwester war die Versicherte seit 1996 in der Klinik R.________ tätig. Gemäss unbestrittenem Resultat der orthopädischen Begutachtung durch Dr. med. M.________ des Instituts A.________ vom 30. November 2009 ist ihr allein wegen der unfallbedingten Beschwerdesymptomatik im Bereiche der rechten oberen Extremität eine Tätigkeit als Pflegefachfrau zu 100 % nicht mehr zumutbar. Möglich sind noch Arbeiten unter der Horizontalen mit einer Gewichtslimite unter 5 kg und bei Berücksichtigung von notwendigen Ruhepausen, insgesamt während sechs Stunden täglich. Damit steht ein breites Spektrum von Beschäftigungsmöglichkeiten offen. Die Versicherte kann sich über eine grosse berufliche Erfahrung ausweisen. Sie hatte nach dem Abitur die Ausbildung zur Krankenschwester gemacht und in diesem Beruf auch verschiedene Weiterbildungskurse absolviert. Nach dem Unfall erlangte sie ausserdem ein Handelsdiplom. Auch wenn dieses mit der Vorinstanz nicht mit einer eigentlichen kaufmännischen Lehre gleichzusetzen ist, bietet diese Ausbildung doch die Möglichkeit, die fundierten Kenntnisse im Gesundheitswesen vermehrt auch im administrativen Bereich anzuwenden.
 
6.2 Die gesamten Umstände sprechen dafür, dass der Versicherten auch unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen grundsätzlich ein genügend breites Feld von erwerblichen Tätigkeiten auf dem Anforderungsniveau 3 offensteht. Dieses steht definitionsgemäss für Tätigkeiten, in denen Berufs- und Fachkenntnisse vorausgesetzt werden. Eine auf Niveau 3 tätige Person muss sich über qualifiziertere Fachkenntnisse ausweisen können (8C_990/2010 vom 16. März 2011 E. 4.2.5). Solche sind bei der Versicherten unbestreitbar vorhanden. Sie kann sich im Gesundheitswesen über Fachwissen ausweisen und verfügt darüber hinaus auch noch über jahrelange Berufserfahrung. In der Beschwerde werden verschiedene letztinstanzliche Urteile angeführt, in welchen das Bundesgericht die Bestimmung des Invalideneinkommens einer Krankenschwester in Anwendung des Anforderungsniveaus 3 geschützt hat. Davon ist auch vorliegend nicht abzuweichen. Es gibt keinen Grund, warum die Versicherte ihre beruflichen Kenntnisse und ihre Erfahrung trotz des Gesundheitsschadens an der Schulter nicht weiterhin anwenden könnte. Soweit das kantonale Gericht anführt, die Versicherte verfüge über keinen Fähigkeitsausweis als medizinische Praxisassistentin (MPA) bleibt anzufügen, dass ihr nicht nur spezifische Stellen als MPA offen stehen. Auf dem allgemeinen offenen Arbeitsmarkt gibt es Stellen, in denen die Berufs- und Fachkenntnisse einer gelernten Krankenschwester mit einer spezifischen kaufmännischen Weiterbildung auch ohne Einsatz der rechten oberen Extremität über der Horizontalen gefragt sind. Die Unfallversicherung ist daher zu Recht von den Verdienstmöglichkeiten auf dem entsprechenden Niveau ausgegangen. Die Beschwerde ist begründet.
 
7.
 
Mit dem heutigen Urteil wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegenstandslos.
 
8.
 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem Prozessausgang entsprechend der Beschwerdegegnerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 29. September 2011 aufgehoben.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 30. Juli 2012
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Ursprung
 
Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer
 
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