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Informationen zum Dokument  BGer 8C_48/2012  Materielle Begründung
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BGer 8C_48/2012 vom 03.12.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_48/2012
 
Urteil vom 3. Dezember 2012
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Leuzinger, Niquille,
 
Gerichtsschreiber Holzer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
B.________, vertreten durch
 
Rechtsanwalt Philip Stolkin,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich,
 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. November 2011.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1963 geborene B.________ war zuletzt als Mediatorin und juristische Mitarbeiterin der Rechtsanwälte N.________ erwerbstätig gewesen, als sie sich am 16. Juni 2004 unter Hinweis auf einen am 19. November 2002 erlittenen Unfall bei der IV-Stelle des Kantons Zürich anmeldete und unter anderem eine Rente beantragte. Diese zog die Akten der Unfallversicherung bei und holte eine interdisziplinäre Expertise bei der MEDAS ein (Gutachten vom 3. März 2010). Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 27. September 2010 bei einem Invaliditätsgrad von 20 % einen Rentenanspruch der Versicherten.
 
B.
 
Die von B.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich unter gleichzeitiger Abweisung eines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege mit Entscheid vom 17. November 2011 ab.
 
C.
 
Mit Beschwerde beantragt B.________, ihr sei unter Aufhebung der Verfügung und des kantonalen Gerichtsentscheides eine Rente aufgrund eines Invaliditätsgrades von 100 % auszurichten, eventuell sei ihr die unentgeltliche Rechtspflege für das kantonale Verfahren zu gewähren. Gleichzeitig stellt B.________ ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren.
 
Während die IV-Stelle des Kantons Zürich auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
 
D.
 
In Ihrer Eingabe vom 31. Mai 2012 hielt B.________ an ihren Anträgen fest.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
 
1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die Beweiswürdigung durch das kantonale Gericht verletzt namentlich dann Bundesrecht, wenn es den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteil 8C_727/2009 vom 19. November 2009 E. 1.2).
 
2.
 
2.1 Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.
 
2.2 Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um Entscheidungen über Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Dagegen ist die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 3.2).
 
2.3 Nach ständiger Rechtsprechung begründen Alkoholismus, Medikamentenmissbrauch und Drogensucht an sich keine Invalidität. Dagegen wird eine solche Sucht im Rahmen der Invalidenversicherung bedeutsam, wenn sie ihrerseits eine Krankheit oder einen Unfall bewirkt hat, in deren Folge ein körperlicher oder geistiger Gesundheitsschaden eingetreten ist, oder aber wenn sie selber Folge eines körperlichen oder geistigen Gesundheitsschadens ist, welchem Krankheitswert zukommt (AHI 2002 S. 30, I 454/99 E. 2a; Urteil I 955/05 vom 6. November 2006 E. 3.1).
 
2.4 Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht gegen Bundesrecht verstossen hat, als es einen Rentenanspruch der Versicherten verneint hat.
 
3.
 
3.1 Die Vorinstanz hat nach umfassender Würdigung der medizinischen Akten, insbesondere aber gestützt auf das Gutachten der MEDAS vom 27. Oktober 2009, für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich festgestellt, dass die Versicherte in der Lage wäre, ihre bisherige Tätigkeit als Rechtsanwältin mit einer um 20 % reduzierten Leistungsfähigkeit auszuüben. Was die Beschwerdeführerin gegen diese Feststellung vorbringt, vermag sie nicht als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen. Die Beauftragung einer MEDAS mit der Durchführung einer Begutachtung ist verfassungskonform und mit der EMRK vereinbar (vgl. BGE 137 V 210 E. 2.1 bis 2.3 S. 229 ff.). Mit dem erwähnten Urteil wurde zwar die Rechtsprechung bezüglich Gutachtensaufträge weiterentwickelt; dies bedeutet jedoch nicht, dass die nach altem Verfahrensstand eingeholten Gutachten per se ihre Beweiskraft verloren hätten (vgl. Urteil 8C_36/2012 vom 18. September 2012 E. 3.2). Entgegen den Vorbringen der Versicherten ist kein Widerspruch zwischen dem Hauptgutachten und den verschiedenen Teilgutachten oder zwischen den einzelnen Teilgutachten erkennbar. Im Gutachten wird zudem nachvollziehbar aufgezeigt, weshalb die Experten zu einer gegenüber der Einschätzung der Ärzte im interdisziplinären Gutachten des Instituts Y.________ vom 7. April 2006 abweichenden Ergebnis gekommen sind. Auch aus dem Gutachten des Dr. med. M.________ vom 11. Mai 2010 ergeben sich keine konkrete Indizien, welche gegen die Zuverlässigkeit (vgl. BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 470) des MEDAS-Gutachtens sprechen würden. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass sich Dr. M.________ nur am Rande mit der Arbeitsfähigkeit der Versicherten auseinandersetzt und lediglich pauschal und ohne nähere Begründung angibt, die Einschränkung sei "erheblich".
 
3.2 Keine ausdrückliche Feststellung getroffen hat das kantonale Gericht zur Frage, ab wann die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit gemäss dem MEDAS-Gutachten gilt. Die Gutachter selber können nach eigenen Angaben die vor dem Begutachtungszeitpunkt bescheinigten Arbeitsunfähigkeiten nicht nachvollziehen, sie gehen davon aus, die 80%ige Arbeitsfähigkeit als Juristin bestehe schon seit mehreren Jahren. Gleichzeitig führen sie indessen aus, die Versicherte habe seit dem Aufenthalt in der Rehaklinik im ersten Halbjahr 2003 für sicher viereinhalb Jahre unter Einfluss (bzw. in Abhängigkeit) von Medikamenten gestanden, welche geeignet seien, die kognitiven Fähigkeiten einzuschränken. Wenn sie gleichzeitig die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit für nicht nachvollziehbar erachten, erscheint das Gutachten in dieser Hinsicht erklärungsbedürftig, was die Beschwerdeführerin zu Recht rügt. Ist die Abhängigkeit - wie von den Gutachtern ausgeführt - tatsächlich iatrogen verursacht, mithin mittelbare Folge eines Gesundheitsschadens, so könnten die Auswirkungen der Sucht entgegen dem Regelfall auch invalidenversicherungsrechtlich relevant sein (vgl. auch E. 2.3 hievor). Es bestehen demnach zumindest Hinweise auf einen - zwar vorübergehenden, aber doch Jahre andauernden - invalidenversicherungsrechtlich relevanten Gesundheitsschaden, welcher allenfalls einen Anspruch auf eine befristete Rente ausgelöst haben könnte. Aufgrund der vorliegenden medizinischen Akten ist jedoch ein abschliessendes Urteil hiezu nicht möglich. Die Beschwerde ist demnach in dem Sinne gutzuheissen, als der kantonale Entscheid aufzuheben und die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen ist, damit dieses mittels eines Zusatzgutachtens bei der MEDAS kläre, ob und allenfalls wie lange eine invalidenver sicherungsrechtlich relevante höhere Einschränkung in der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit vorgelegen hat. Das kantonale Gericht wird hernach über die Beschwerde der Versicherten neu zu entscheiden haben.
 
4.
 
Die Rückweisung der Sache an das kantonale Gericht oder an den Versicherungsträger zur erneuten Abklärung (mit noch offenem Ausgang) gilt praxisgemäss (BGE 132 V 215 E. 6.1 S. 235 mit Hinweisen) für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten wie auch der Parteientschädigung als volles Obsiegen im Sinne von Art. 86 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG, unabhängig davon, ob sie überhaupt beantragt, oder ob das entsprechende Begehren im Haupt- oder Eventualantrag gestellt wird. Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten daher der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen. Die IV-Stelle hat der Beschwerdeführerin überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege der Beschwerdeführerin gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. November 2011 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Beschwerde neu entscheide.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
 
3.
 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 3. Dezember 2012
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Ursprung
 
Der Gerichtsschreiber: Holzer
 
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