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Informationen zum Dokument  BGer 8C_722/2012  Materielle Begründung
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BGer 8C_722/2012 vom 04.12.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
8C_722/2012 {T 0/2}
 
Urteil vom 4. Dezember 2012
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichterin Niquille,
 
Bundesrichter Maillard,
 
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Helsana Unfall AG,
 
Versicherungsrecht,
 
8081 Zürich Helsana,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
S.________, vertreten durch
 
Rechtsanwältin Elda Bugada Aebli,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (versicherter Verdienst),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 25. Juni 2012.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
S.________, geboren 1954, war seit 1. Mai 2003 für die M.________ GmbH zu einem 50 % Pensum tätig und in dieser Eigenschaft bei der La Suisse, Unfall-Versicherungs-Gesellschaft (seit 13. Juli 2005: Helsana Unfall AG; nachfolgend: Helsana), gegen die Folgen von Unfällen versichert. Während ihrer Ferien in Südfrankreich war sie am 7. Oktober 2003 als Mitfahrerin in einem Personenwagen in einen Verkehrsunfall mit einem Lastwagen verwickelt; dabei zog sie sich eine HWS-Distorsion sowie eine commotio cerebri zu. Am 9. Januar 2005 stürzte sie eine Treppe hinunter und brach sich den linken Ellenbogen. Bei einem erneuten Sturz am 21. Oktober 2005 verletzte sie sich am linken Knie. Die Helsana erbrachte die gesetzlichen Leistungen für die drei Unfälle. Gestützt auf das Gutachten des Instituts X.________ vom 14. Dezember 2007 sprach die Helsana S.________ ab 1. Juli 2008 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 45 % und eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 10 % zu; dabei legte sie dem versicherten Verdienst ein Arbeitspensum von 50 % zugrunde (Verfügung vom 29. Mai 2008, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 27. Juli 2010).
 
B.
 
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich teilweise gut, hob den Einspracheentscheid vom 27. Juli 2010 auf und wies die Sache mit Entscheid vom 25. Juni 2012 an die Helsana zurück, damit diese nach Abklärung im Sinne der Erwägungen (versicherter Verdienst bei einem vollen Arbeitspensum) über den Rentenanspruch bei einem Invaliditätsgrad von 45 % neu verfüge.
 
C.
 
Die Helsana führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben. S.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen Endentscheide, das heisst gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG), und gegen Teilentscheide, die nur einen Teil der gestellten Begehren behandeln, wenn diese unabhängig von den anderen beurteilt werden können, oder die das Verfahren nur für einen Teil der Streitgenossen und Streitgenossinnen abschliessen (Art. 91 BGG). Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist hingegen die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Rückweisungsentscheide, mit denen eine Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, sind Zwischenentscheide, die nur unter den genannten Voraussetzungen beim Bundesgericht angefochten werden können (BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 481). Anders verhält es sich nur dann, wenn der unteren Instanz, an welche zurückgewiesen wird, kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt und die Rückweisung nur noch der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient (BGE 135 V 141 E. 1.1 S. 143; 134 II 124 E. 1.3 S. 127).
 
Die Rückweisung an die Helsana erfolgt zur Berechnung der Rente. Die Helsana hat dabei einen Invaliditätsgrad von 45 % und - entgegen ihrem Willen - den versicherten Verdienst bei einem Arbeitspensum von 100 % zugrunde zu legen. Insofern belässt der vorinstanzliche Entscheid der Helsana keinen Entscheidungsspielraum und es ist somit offensichtlich ein nicht wiedergutzumachender Nachteil im Sinne des Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG gegeben. Auf die Beschwerde der Helsana ist demnach einzutreten.
 
2.
 
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).
 
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
 
3.
 
Die Helsana rügt in ihrer Beschwerde ans Bundesgericht einzig die Feststellungen der Vorinstanz zum versicherten Verdienst.
 
4.
 
Die Vorinstanz hat gestützt auf die Akten entschieden, es sei überwiegend wahrscheinlich, dass die Versicherte ohne die gesundheitlichen Beeinträchtigungen ihr Arbeitspensum ab Januar 2004 auf 100 % ausgebaut hätte. Deshalb wies sie die Sache an die Helsana zurück, damit diese den versicherten Verdienst unter dieser Prämisse neu berechne. Die Versicherte wies in ihrer Beschwerdeantwort darauf hin, dass die Helsana das Taggeld nach ihrer Meldung der vorgesehenen Pensumerhöhung neu berechnet und ihr Taggelder bei einem vollen Arbeitspensum ausgerichtet habe; wenn die Helsana nun gestützt auf dieselben Unterlagen im Rahmen der Rentenberechnung geltend mache, eine solche Pensumserhöhung sei nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt, verhalte sie sich widersprüchlich.
 
5.
 
5.1 Nach Art. 15 UVG werden Taggelder und Renten nach dem versicherten Verdienst bemessen (Abs. 1), wobei als versicherter Verdienst für die Bemessung der Taggelder der letzte vor dem Unfall bezogene Lohn, für die Bemessung der Renten der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bezogene Lohn gilt (Abs. 2; vgl. dazu auch Art. 22 Abs. 3 und 4 UVV). Art. 15 Abs. 3 UVG ermächtigt den Bundesrat, über den versicherten Verdienst in Sonderfällen weitere Bestimmungen zu erlassen. Art. 23 UVV regelt den massgebenden Lohn für das Taggeld in Sonderfällen. So wird gemäss dessen Abs. 7 das Taggeld neu berechnet, wenn der Lohn der versicherten Person innert der wenigstens drei Monate dauernden Heilbehandlung um mindestens 10 % erhöht worden wäre. Nach der Rechtsprechung wird auch eine Neuberechnung des Taggeldes vorgenommen, wenn sich der massgebende Lohn auf Grund einer bedeutsamen Änderung des Arbeitspensums erhöht hätte, wobei diese Änderung bereits vor dem Unfall voraussehbar gewesen sein muss, ausser sie sei auf unvorhersehbare, schicksalhafte Gründe wie etwa Tod, Invalidität oder Konkurs des Ehepartners zurückzuführen (RKUV 1994 Nr. U 201 S. 271 E. 3a; vgl. auch RKUV 1994 Nr. U 195 S. 210 E. 3b). Art. 24 UVV regelt den massgebenden Lohn für Renten in Sonderfällen; dazu gehören Bestimmungen über Konstellationen, bei welchen die versicherte Person im Jahr vor dem Unfall wegen Militärdienst, Zivildienst, Zivilschutzdienst, Unfall, Krankheit, Mutterschaft, Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit einen verminderten Lohn bezog (Abs. 1), der Rentenbeginn mehr als fünf Jahre nach dem Unfall liegt (Abs. 2), die versicherte Person wegen beruflicher Ausbildung einen reduzierten Lohn bezog (Abs. 3) oder sie bereits Bezügerin einer Invalidenrente ist und einen weiteren Unfall erleidet (Abs. 4). Nach Gesetz und Verordnung unterscheiden sich somit die Grundlagen für die Berechnung des Taggeldes und der Rente. Nach der Rechtsprechung fällt denn auch eine analoge Anwendung der nach Art. 23 Abs. 7 UVV für die Taggeldberechnung geltenden Regeln auf die Festsetzung des für den Rentenanspruch massgebenden versicherten Verdienstes ausser Betracht (RKUV 1994 Nr. U 179 S. 32 E. 3b).
 
5.2 Nach dem Gesagten ist es möglich, dass für die Berechnung des Taggeldes einerseits und für die Bemessung der Invalidenrente andererseits der versicherte Verdienst unterschiedlich hoch ausfallen kann. Dies trifft auch auf den hier zu beurteilenden Fall zu. Die Tatsache, dass die Helsana auf Grund der geltend gemachten hypothetischen Erhöhung des Arbeitspensums auf 100 % per Januar 2004 einen höheren versicherten Verdienstes und damit ein höheres Taggeld berechnete, bedeutet noch nicht, dass dieser höhere versicherte Verdienst auch für die Invalidenrente gilt. Die hypothetische Erhöhung des Arbeitspensums ohne unfallkausale gesundheitliche Beeinträchtigung ist im Katalog der Sonderfälle zur Ermittlung des versicherten Verdienstes im Rahmen der Rentenfestsetzung nicht enthalten (vgl. Art. 24 UVV) und kann mangels analoger Anwendung von Art. 23 Abs. 7 UVV auch nicht berücksichtigt werden (RKUV 1994 Nr. U 179 S. 32 E. 3b). Die hypothetische Erhöhung der Erwerbstätigkeit ist bei der Invalidenrentenbemessung nicht im Rahmen des versicherten Verdienstes zu beachten, sondern spielt vielmehr bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades eine Rolle. Vorinstanz und Helsana haben denn auch bei der Festsetzung des Invaliditätsgrades eine hypothetisch volle Erwerbstätigkeit angenommen (vgl. die Berechnung in der Verfügung vom 29. Mai 2008). Daran ändern auch die von der Vorinstanz erwähnten Urteile 8C_434/2009 vom 11. November 2009 und U 12/00 vom 21. August 2000 nichts. Denn im ersterwähnten Entscheid ging es um einen Versicherten, welcher vor dem Unfall infolge Berufskrankheit nicht mehr den bisherigen Lohn in der angestammten Tätigkeit erzielen konnte, in letzterem um einen Versicherten, der während einer Umschulung verunfallte. Die beiden Sachverhalte sind mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Die Vorinstanz hat somit die hypothetische Pensumserhöhung unzulässigerweise unter dem Titel des versicherten Verdienstes erneut berücksichtigt. Demnach ist der Einwand der Helsana, der versicherte Verdienst sei von ihr korrekt ermittelt worden, berechtigt und ihre Beschwerde ist gutzuheissen.
 
6.
 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die unterliegende Versicherte hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 25. Juni 2012 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der Helsana Unfall AG vom 27. Juli 2010 bestätigt.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 4. Dezember 2012
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Ursprung
 
Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold
 
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