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Informationen zum Dokument  BGer 8C_352/2012  Materielle Begründung
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BGer 8C_352/2012 vom 27.12.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_352/2012
 
Urteil vom 27. Dezember 2012
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard,
 
Gerichtsschreiber Holzer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
V.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Massimo Aliotta,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
AXA Versicherungen AG,
 
General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
 
vom 29. Februar 2012.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1949 geborene V.________ war als Systembetreuer der Firma Q.________ bei der AXA Winterthur (heute AXA Versicherungen AG, nachstehend: AXA) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als er am 6. März 2008 mit seinem Personenwagen von der Strasse abkam und mit einem Baum kollidierte. Das Spital X.________, in welches der Versicherte noch am Unfalltag verbracht wurde, diagnostizierte eine unkomplette craniale Berstungsfraktur BWK 12 ohne Neurologie und eine Commotio cerebri. Die AXA anerkannte ihre Leistungspflicht für die Folgen dieses Ereignisses und erbrachte die gesetzlichen Leistungen, stellte diese aber mit Verfügung vom 13. April 2010 und Einspracheentscheid vom 28. Januar 2011 per 31. Dezember 2009 ein. Als Begründung führte die Versicherung an, die Berstungsfraktur sei vollständig abgeheilt und die organisch nicht nachweisbaren, über den 31. Dezember 2009 anhaltend geklagten Beschwerden seien nicht adäquat kausal auf das Unfallereignis vom 6. März 2008 zurückzuführen.
 
B.
 
Die von V.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 29. Februar 2012 ab.
 
C.
 
Mit Beschwerde beantragt V.________, die AXA sei unter Aufhebung des Einsprache- und des kantonalen Gerichtsentscheides zu verpflichten, ihre gesetzlichen Leistungen auch über den 31. Dezember 2009 hinaus zu erbringen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
 
1.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
 
2.
 
2.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanz, da sie seinen Antrag auf die Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels nicht behandelt habe. Der Versicherte hatte seinen Antrag indessen nicht begründet. Nachdem er zudem nach Erhalt der Beschwerdeantwort am 2. September 2011 unaufgefordert eine Stellungnahme einreichte, ohne diesen Antrag zu erneuern, durfte die Vorinstanz ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Antrag durch die Stellungnahme vom 2. September 2011 gegenstandslos geworden sei.
 
2.2 Insofern der Beschwerdeführer weiter rügt, die Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 21. November 2011 lediglich zur Kenntnisnahme zugestellt erhalten zu haben, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten: Aufgrund des Umstandes, dass er am 2. September 2011 unaufgefordert eine Stellungnahme dem Gericht eingereicht hatte, ist erstellt, dass ihm die Praxis des kantonalen Gerichts, solche Stellungnahmen nicht aus dem Recht zu weisen, bekannt war. Somit hätte er ohne Weiteres nach dem Erhalt des beschwerdegegnerischen Schreibens vom 21. November 2011 erneut eine eigene Stellungnahme einreichen können.
 
3.
 
Materiell ist streitig und zu prüfen, ob die AXA zu Recht ihre Leistungen per 31. Dezember 2009 eingestellt hat.
 
4.
 
4.1 Im kantonalen Entscheid werden die nach der Rechtsprechung für den Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG) geltenden Voraussetzungen des natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (vgl. BGE 129 V 177 E. 3.1 und 3.2 S. 181), insbesondere bei psychischen Unfallfolgeschäden (BGE 115 V 133), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
 
4.2 Zu ergänzen ist, dass das Bundesgericht mit Urteil vom 19. Februar 2008 (BGE 134 V 109) die sog. Schleudertrauma-Praxis bei organisch nicht objektiv ausgewiesenen Beschwerden präzisiert hat. Im genannten Urteil wurde zunächst der Grundsatz bestätigt, dass der Fallabschluss und damit verbunden die Adäquanzprüfung im Hinblick auf die Rentenleistungen in dem Zeitpunkt zu erfolgen hat, in dem von der Weiterführung der medizinischen Massnahmen keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes mehr zu erwarten ist (zitiertes Urteil, E. 4). Hinsichtlich der Beurteilung des natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den geklagten organisch nicht hinreichend nachweisbaren Beschwerden wurde festgehalten, dass diese aufgrund einer eingehenden medizinischen Abklärung zu erfolgen hat (zitiertes Urteil, E. 9.4 und 9.5). Schliesslich wurden in E. 10 des zitierten Urteils die Kriterien, welche zur Beurteilung der Adäquanz bei mittelschweren Unfällen (vgl. dazu insbesondere SVR 2008 UV Nr. 8 S. 26, E. 5.3.1 [U 2/07]) dienen, neu gefasst. Der Katalog der adäquanzrelevanten Kriterien lautet nunmehr:
 
- besonders dramatische Begleitumstände oder besondere Eindrück- lichkeit des Unfalls;
 
- die Schwere oder besondere Art der erlittenen Verletzungen;
 
- fortgesetzt spezifische, belastende ärztliche Behandlung;
 
- erhebliche Beschwerden;
 
- ärztliche Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich ver- schlimmert;
 
- schwieriger Heilungsverlauf und erhebliche Komplikationen;
 
- erhebliche Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener Anstrengungen.
 
Weiterhin gilt, dass nicht in jedem Fall der Einbezug sämtlicher Kriterien in die Gesamtwürdigung erforderlich ist. Je nach den konkreten Umständen kann für die Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs ein einziges Kriterium genügen. Dies trifft einerseits dann zu, wenn es sich um einen Unfall handelt, welcher zu den schwereren Fällen im mittleren Bereich zu zählen oder sogar als Grenzfall zu einem schweren Unfall zu qualifizieren ist. Anderseits kann im gesamten mittleren Bereich ein einziges Kriterium genügen, wenn es in besonders ausgeprägter Weise erfüllt ist. Kommt keinem Einzelkriterium besonderes bzw. ausschlaggebendes Gewicht zu, so müssen mehrere unfallbezogene Kriterien herangezogen werden. Handelt es sich beispielsweise um einen Unfall im mittleren Bereich, der aber dem Grenzbereich zu den leichten Unfällen zuzuordnen ist, müssen die weiteren zu berücksichtigenden Kriterien in gehäufter oder auffallender Weise erfüllt sein, damit die Adäquanz bejaht wird. Diese Würdigung des Unfalles zusammen mit den objektiven Kriterien führt zur Bejahung oder Verneinung des adäquaten Kausalzusammenhangs (BGE 117 V 359 E. 6b S. 367).
 
5.
 
Vorinstanz und Verwaltung gingen nach eingehender Würdigung der medizinischen Akten, insbesondere aber auch gestützt auf die Stellungnahme der Dr. med. D.________ vom medizinischen Dienst der Beschwerdegegnerin davon aus, dass die BWK-Fraktur am 31. Dezember 2009 vollständig abgeheilt war und dass die über dieses Datum hinaus anhaltend geklagten Beschwerden nicht auf einen im Sinne der Rechtsprechung (Urteil 8C_806/2007 vom 7. August 2008 E. 8.2) organisch hinreichend nachweisbaren Gesundheitsschaden zurückzuführen sind. Rechtsprechungsgemäss darf auf eine Stellungnahme eines versicherungsinternen Arztes abgestellt und auf eine externe Begutachtung verzichtet werden, wenn auch keine geringen Zweifel an der Schlüssigkeit der ärztlichen Feststellungen bestehen (BGE 135 V 465 E. 4 S. 467 ff.). Solche vermögen die Vorbringen des Versicherten nicht zu erwecken, zeigt er doch nicht auf, dass eine medizinische Fachperson die persistierenden Beschwerden als für durch die Fraktur erklärbar hielte. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die von Dr. med. M.________ durchgeführten Tests rechtsprechungsgemäss keinen Nachweis eines organischen, unfallkausalen Gesundheitsschadens zu erbringen vermögen (vgl. Urteil 8C_376/2011 vom 15. September 2001 E. 4).
 
6.
 
6.1 Sind die geltend gemachten Beschwerden nicht im Sinne der Rechtsprechung organisch hinreichend nachweisbar, so ist die Adäquanz eines allfälligen Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfallereignis und diesen Beschwerden speziell zu prüfen. Die Vorinstanz hat erwogen, die Adäquanz des Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfallereignis und den anhaltend geklagten Beschwerden sei nach den Kriterien, die von der Rechtsprechung für psychische Unfallfolgeschäden entwickelt wurden (BGE 115 V 133), zu prüfen. Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, die spezielle Prüfung der Adäquanz habe nach den Kriterien der sog. Schleudertrauma-Praxis (BGE 134 V 109; vgl. E. 2.2 hievor) zu erfolgen. Welche der beiden Rechtsprechungen anwendbar ist, kann indessen offenbleiben, da - wie nachstehende Erwägungen zeigen - die Adäquanz eines Kausalzusammenhanges selbst dann zu verneinen wäre, wenn man sie nach der für den Beschwerdeführer günstigeren Schleudertrauma-Praxis prüft.
 
6.2 Das kantonale Gericht wertete das Ereignis vom 6. März 2008 als mittelschwer im Grenzbereich zu den leichten Unfällen. Nach Lage der Akten ist diese Qualifikation nicht zu beanstanden. Aufgrund der von der Polizei angefertigten Photographien ist davon auszugehen, dass der Wagen des Versicherten vor der Kollision mit dem Baum vom Unterholz stark abgebremst wurde. Die Adäquanz eines natürlichen Kausalzusammenhanges wäre somit dann zu bejahen, wenn eines der massgeblichen Adäquanzkriterien in besonders ausgeprägter, oder mehrere dieser Kriterien in gehäufter Weise erfüllt wären.
 
6.3 Entgegen den Ausführungen des Versicherten ist das Kriterium der besonders dramatischen Begleitumstände oder der besonderen Eindrücklichkeit des Unfalles nicht gegeben. An dessen Erfüllung werden deutlich höhere Anforderungen gestellt. Insbesondere ist zu beachten, dass der Beschwerdeführer sich nicht an das Ereignis erinnern kann.
 
6.4 Das Bundesgericht hat im Urteil BGE 134 V 109, E. 10.2.2 S. 127 f. seine Rechtsprechung bestätigt, wonach die Diagnose einer HWS-Distorsion für sich allein nicht zur Bejahung des Kriteriums der Schwere und besonderen Art der erlittenen Verletzung genügt. Es bedarf hiezu einer besonderen Schwere der für das Schleudertrauma typischen Beschwerden oder besonderer Umstände, welche das Beschwerdebild beeinflussen können (SVR 2007 UV Nr. 26 S. 86, U 339/06 E. 5.3; RKUV 2005 Nr. U 549 S. 236, U 380/04 E. 5.2.3 mit Hinweisen). Diese können beispielsweise in einer beim Unfall eingenommenen besonderen Körperhaltung und den dadurch bewirkten Komplikationen bestehen (SVR 2007 UV Nr. 26 S. 86, U 339/06 E. 5.3; RKUV 2003 Nr. U 489 S. 357, U 193/01 E. 4.3 mit Hinweisen). Daneben gilt es zu beachten, dass eine HWS-Distorsion, welche eine bereits erheblich vorgeschädigte Wirbelsäule trifft, speziell geeignet ist, die "typischen" Symptome hervorzurufen, weshalb sie als Verletzung besonderer Art zu qualifizieren ist (vgl. SVR 2007 UV Nr. 1 S. 1, U 39/04 E. 3.4 und Urteil 8C_785/2007 vom 11. Juni 2008, E. 4.4). Dabei ist allerdings in der Regel vorausgesetzt, dass die versicherte Person aufgrund der Vorschädigung unmittelbar vor dem Unfall mindestens teilweise arbeitsunfähig war (Urteil 8C_759/2007 vom 14. August 2008 E. 5.3).
 
Im Zeitpunkt des Unfalles war der Beschwerdeführer zwar schon seit Oktober 2007 zu 25 % krankgeschrieben; diese Krankschreibung erfolgte indessen aufgrund einer erhöhten Ermüdbarkeit und war mit einer antidepressiven Behandlung verbunden. Somit kann aus der vorbestehenden Arbeitsunfähigkeit nicht auf eine erhebliche Vorschädigung der Wirbelsäule geschlossen werden. Das Kriterium der Schwere oder besonderen Art der erlittenen Verletzungen ist demnach vorliegend nicht erfüllt.
 
6.5 Der Versicherte bringt nichts vor, was das Kriterium der fortgesetzt spezifischen, belastenden ärztlichen Behandlung, jenes der ärztlichen Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert hat oder jenes des schwierigen Heilungsverlaufes und der erheblichen Komplikationen erfüllt erscheinen lässt.
 
6.6 Was die beiden Kriterien der erheblichen Beschwerden und der erheblichen Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener Anstrengungen betrifft, gilt festzustellen, dass selbst wenn diese bejaht werden könnten, sie jedenfalls nicht in ausgeprägter Weise gegeben sind.
 
6.7 Da mithin keines der massgeblichen Kriterien besonders ausgeprägt vorliegt und selbst dann, wenn man zugunsten des Versicherten die beiden Kriterien der erheblichen Beschwerden und der erheblichen Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener Anstrengungen als erfüllt erachten würde, die Kriterien nicht in gehäufter Weise gegeben sind, ist die Adäquanz eines Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfallereignis vom 6. März 2008 und den geklagten, im Sinne der Rechtsprechung organisch nicht hinreichend nachweisbaren Beschwerden zu verneinen. Somit haben Vorinstanz und Beschwerdegegnerin zu Recht eine Leistungspflicht für diese Beschwerden verneint; die Beschwerde des Versicherten ist abzuweisen.
 
7.
 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 27. Dezember 2012
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Ursprung
 
Der Gerichtsschreiber: Holzer
 
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