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Informationen zum Dokument  BGer 8C_994/2012  Materielle Begründung
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BGer 8C_994/2012 vom 18.02.2013
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_994/2012
 
Urteil vom 18. Februar 2013
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
 
Bundesrichter Frésard, Maillard,
 
Gerichtsschreiberin Fleischanderl.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
L.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Guido Brusa,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG,
 
Litigation Hauptbranchen, 8085 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Ausstand; Rechtsverzögerung),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 15. Oktober 2012.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.a Mit Verfügung vom 10. November 2011, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 2. April 2012, hat die Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG (nachfolgend: Zürich) den Anspruch des am 3. Oktober 2010 verstorbenen B.________ auf Versicherungsleistungen mangels Vorliegens einer Berufskrankheit verneint. Dagegen opponierte die Witwe des Verstorbenen, L.________, beschwerdeweise beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich. Dieses sistierte das Verfahren bis zum abschliessenden Urteil im bundesgerichtlichen Prozess 8C_994/2012 (betreffend Ablehnungsgesuch) mit Verfügung vom 9. Januar 2013, welche L.________ höchstinstanzlich anfechten liess (hängiger Prozess 8C_40/2013).
 
A.b Am 3. Januar 2012 liess L.________ gegen die Zürich ein Ablehnungsgesuch stellen, das mit Zwischenverfügung vom 27. Januar 2012 abschlägig beschieden wurde.
 
B.
 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab; soweit es die Eingabe auch als Rechtsverweigerungs- bzw. Rechtsverzögerungsbeschwerde entgegennahm, trat es darauf nicht ein (Entscheid vom 15. Oktober 2012).
 
C.
 
L.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei festzustellen, dass die Zürich als UVG-Versicherer für die Behandlung des Versicherungsfalles abhängig/befangen sei und deshalb in den Ausstand zu treten habe. Der Versicherungsfall sei sodann zur gesetzmässigen Behandlung an einen anderen, geeigneten Versicherer zu übertragen, welcher - eventualiter - durch das angerufene Gericht zu bezeichnen sei.
 
Die kantonalen Akten wurden beigezogen. Auf die Durchführung eines Schriftenwechsels wurde verzichtet.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Soweit sich die Beschwerde gegen den selbstständig eröffneten vorinstanzlichen Zwischenentscheid über das die Beschwerdegegnerin betreffende Ausstandsbegehren im Sinne von Art. 92 Abs. 1 BGG richtet, ist darauf, da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, einzutreten.
 
1.2 Anders verhält es sich bezüglich der Beschwerde auf Grund einer angeblichen Rechtsverweigerung bzw. Rechtsverzögerung: Dazu ist nur legitimiert, wer ein schutzwürdiges Interesse an der Beurteilung seiner Eingabe hat (Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG). Dieses muss nicht nur bei der Beschwerdeeinreichung, sondern auch noch im Zeitpunkt der Urteilsfällung aktuell und praktisch sein. Fällt das schutzwürdige Interesse im Laufe des Verfahrens dahin, wird die Sache als erledigt erklärt; fehlte es schon bei der Beschwerdeeinreichung, ist auf die Eingabe nicht einzutreten. Das Bundesgericht verzichtet ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses, wenn sich die aufgeworfenen Fragen unter gleichen oder ähnlichen Umständen jederzeit wieder stellen können, eine rechtzeitige Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre und die Beantwortung wegen deren grundsätzlicher Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt (Urteil [des Bundesgerichts] 8C_622/2009 vom 3. Dezember 2009 E. 1.1 mit Hinweis, in: SVR 2010 UV Nr. 16 S. 61). Der durch die Beschwerdeführerin angemahnte Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin wurde am 2. April 2012 und damit geraume Zeit vor der am 7. Dezember 2012 beim Bundesgericht eingereichten Beschwerde erlassen. Auf diese ist gestützt auf die Rechtsprechung mithin insoweit - eine Ausnahmesituation der dargestellten Art liegt zweifelsohne nicht vor - mangels Beschwerdelegitimation nicht einzutreten.
 
2.
 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Im Übrigen wendet es das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 V 250 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen). Es prüft allerdings - unter Beachtung der allgemeinen Begründungspflicht in Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) - nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind, und ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
 
3.
 
In der Beschwerde wird vorab geltend gemacht, der vorinstanzliche Entscheid sei infolge Befangenheit des kantonalen Gerichts aufzuheben.
 
3.1 Im Sinne einer unabhängig vom anwendbaren Verfahrens- und Organisationsrecht geltenden und damit auch für das kantonale Versicherungsgericht nach Art. 57 ATSG ohne weiteres massgeblichen Minimalgarantie haben die Prozessparteien einen aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 30 Abs. 1 BV abgeleiteten Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unbefangenen, unvoreingenommenen und unparteiischen Gericht beurteilt wird. Es soll garantiert werden, dass keine sachfremden Umstände, welche ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zugunsten oder zulasten einer Partei auf das gerichtliche Urteil einwirken. Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen (BGE 134 I 20 E. 4.2 S. 21; 131 I 113 E. 3.4 S. 116; 114 Ia 50 E. 3b und 3c S. 53 ff.; je mit Hinweisen; Urteil [des Bundesgerichts] 8C_843/2011 vom 29. Mai 2012 E. 2.1).
 
3.2 Die Beschwerdeführerin wendet zunächst ein, die Befangenheit der Mitglieder des erstinstanzlichen Gerichts zeige sich darin, dass diese nicht auf sämtliche der von ihr vorgetragenen rechtlichen Argumente eingegangen seien. Sie verkennt dabei, dass sich die Behörde im Rahmen ihrer Begründungspflicht nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinanderzusetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich zu widerlegen hat. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich die rechtsuchende Person über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann (BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188, 229 E. 5.2 S. 236). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall ohne weiteres zu bejahen. Von einer wie auch immer gearteten "Rechtsverweigerung" kann nicht die Rede sein. Ebenso wenig vermag die Beschwerdeführerin sodann aus dem Umstand, dass die Vorinstanz nicht allen ihren Verfahrensanträgen stattgegeben hat, etwas zugunsten ihres Standpunktes abzuleiten. Führen die im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes gemäss Art. 61 lit. c ATSG von Amtes wegen vorzunehmenden Abklärungen bei umfassender, sorgfältiger, objektiver und inhaltsbezogener Beweiswürdigung (BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400) zur Überzeugung, ein bestimmter Sachverhalt sei als überwiegend wahrscheinlich (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360 mit Hinweisen) zu betrachten und weitere Beweisvorkehren könnten an diesem feststehenden Ergebnis nichts mehr ändern, liegt im Verzicht auf die Abnahme weiterer Beweise auch keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 124 V 90 E. 4b S. 94). Aus der Nichtberücksichtigung gewisser verfahrensrechtlicher Anträge ist, entgegen der in der Beschwerde vertretenen Betrachtungsweise, insbesondere auch kein Anhaltspunkt für ein "parteiisches Verhalten" des Gerichts zu sehen. Ebenfalls weder in rechtsgenüglicher Weise dargetan noch ersichtlich ist schliesslich, worin die der Vorinstanz vorgeworfene Verletzung der ihr obliegenden Protokollierungs- und Aktenführungspflicht bestehen sollte und inwiefern daraus allenfalls Rückschlüsse auf eine Befangenheit des kantonalen Gerichts in Bezug auf das vorstehend zu beurteilende Ausstandsverfahren gegen die Beschwerdegegnerin zu ziehen wären.
 
4.
 
Zu prüfen ist im Weiteren die Frage, ob die Vorinstanz das gegen die Beschwerdegegnerin gerichtete Ausstandsgesuch als unbegründet abweisen durfte. Im angefochtenen Entscheid wurden die hierfür massgeblichen Rechtsgrundlagen, namentlich diejenigen zu den Ausstandsgründen (Art. 36 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 10 VwVG), korrekt wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.
 
4.1 Das kantonale Gericht hat unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung in allen Teilen zutreffend erwogen, dass ein Ausstandsgesuch gegen eine Behörde als solche grundsätzlich ausgeschlossen ist. Befangen sein können - allenfalls unter Vorbehalt ganz ausserordentlicher Fälle - nur die für eine Behörde tätigen Personen, nicht aber eine Behörde als solche. Dies erhellt auch aus Art. 36 ATSG, welcher nicht von Behörden, sondern von Personen spricht, die Entscheidungen zu treffen oder vorzubereiten haben, was sich sinngemäss auf die handelnden natürlichen Personen bezieht. Zulässig sind hingegen Ausstandsbegehren gegen sämtliche Mitglieder einer Behörde, sofern gegen jedes einzelne Mitglied spezifische Ausstandsbegehren geltend gemacht werden, die über die Kritik hinausgehen, die Behörde als solche sei befangen. Sodann definieren sich Aufgaben und Zuständigkeiten von Behörden nach Massgabe der gesetzlichen Regelung. Der Ausstand einer Behörde als solche stellt in Wirklichkeit die gesetzliche Regelung in Frage, aus welcher sich die Zuständigkeit der Behörde ergibt. Dies ist indessen nicht der Sinn von Ausstandsregeln. Auch aus dem Umstand, dass eine Behörde eine gewisse Nähe zu der zu entscheidenden Sache hat, resultiert kein Ausstandsgrund, wenn das Gesetz eine Behörde trotz dieser Sachnähe als zuständig erklärt. Ebenso wenig lässt sich eine Ausstandspflicht daraus ableiten, dass eine Behörde oder ihre Mitglieder eine bestimmte Haltung einnehmen, wenn gerade darin ihre gesetzliche Aufgabe besteht (Urteile [des Bundesgerichts] I 874/06 vom 8. August 2007 E. 4.1 und [des Eidg. Versicherungsgerichts] U 302/05 vom 30. August 2006 E. 4.2 und 4.6, in: SZS 2007 S. 60; je mit Hinweisen). Vor diesem Hintergrund hat das Bundesgericht im Urteil U 302/05 vom 30. August 2006 (E. 4.3) erkannt, dass ein Ausstandsbegehren gegen einen Unfallversicherer als solchen - im besagten Fall ebenfalls die Zürich - in Bezug auf die Schadensregulierung nicht zulässig sein könne. Es liege in der Natur der Sache, dass ein privatwirtschaftlich organisierter Versicherer ein eigenes ökonomisches Interesse daran habe, nicht übermässige Leistungen auszurichten. Dennoch sehe das Gesetz ausdrücklich vor, dass derartige Versicherungseinrichtungen die Unfallversicherung gemäss UVG durchführten (Art. 68 Abs. 1 lit. a UVG) und demzufolge auch die Schadensregulierung vornähmen (Art. 45 ff. UVG) und zu diesem Zweck hoheitliche Verfügungen zu erlassen hätten (Art. 1 UVG in Verbindung mit Art. 49 ATSG; Art. 124 UVV). Das Gesetz nehme damit in Kauf, dass eine privatrechtliche juristische Person trotz ihrem wirtschaftlichen Eigeninteresse Behördenstellung habe. Dies sei gesetzlich gewollt und könne keinen Ausstandsgrund darstellen.
 
4.2 Die letztinstanzlich vorgebrachten Einwendungen erweisen sich im Lichte des vorstehend Dargelegten als unbehelflich. Die Vorinstanz hat sich einlässlich mit der relevanten Rechtsprechung sowie der Anwendung der entsprechenden Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt befasst und überzeugend aufgezeigt, weshalb dem gegen die Zürich gerichteten Ausstandsbegehren keine Folge zu leisten ist. Namentlich ist sie auch auf die seitens der Beschwerdeführerin aufgeführten Referenzbeispiele eingegangen und hat eingehend die Unterschiede zu der hier zu beurteilenden Konstellation erläutert. Dass es sich dabei nicht um einen der rechtsprechungsgemäss erwähnten "ganz ausserordentlichen Fälle" handelt, in welchen ausnahmsweise eine Behörde als solche befangen sein kann, wurde mit Urteil U 302/05 vom 30. August 2006 (in: SZS 2007 S. 60) bereits anschaulich belegt. Es hat damit beim vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden.
 
5.
 
Die unterliegende Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 18. Februar 2013
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Leuzinger
 
Die Gerichtsschreiberin: Fleischanderl
 
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