BGer 6B_523/2012 | |||
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BGer 6B_523/2012 vom 21.03.2013 | |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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6B_523/2012
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Urteil vom 21. März 2013
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Strafrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Mathys, Präsident,
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Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
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Bundesrichter Oberholzer,
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Gerichtsschreiber Borner.
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Verfahrensbeteiligte | |
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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P.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Valentin Landmann,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Stationäre Massnahme,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
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des Kantons Zürich, I. Strafkammer,
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vom 21. Juni 2012.
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Sachverhalt:
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A.
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Das Bezirksgericht Zürich verurteilte P.________ am 13. Januar 2012 wegen Gehilfenschaft zur Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG; schwerer Fall), mehrfacher grober Verkehrsregelverletzung, mehrfachen vorsätzlichen qualifizierten Fahrens in fahrunfähigem Zustand, weiterer Vergehen gegen das SVG sowie Übertretungen des SVG und des BetmG zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten und Fr. 300.-- Busse. Es ordnete eine stationäre therapeutische Massnahme an und schob zu diesem Zweck den Vollzug der Freiheitsstrafe auf.
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Auf Berufung des Verurteilten ordnete das Obergericht des Kantons Zürich am 21. Juni 2012 eine ambulante therapeutische Behandlung an und schob den Strafvollzug auf.
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B.
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Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und es sei eine stationäre Massnahme auszusprechen; eventualiter sei die Sache zur Einholung eines Ergänzungsgutachtens und neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Vorinstanz stellt in ihrer Vernehmlassung keinen Antrag (act. 10). Der Beschwerdegegner begehrt, die Beschwerde sei abzuweisen; eventualiter sei die Sache zur Einholung eines Ergänzungsgutachtens und neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (act. 17).
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Erwägungen:
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1.
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Das Bezirksgericht hatte eine stationäre Massnahme angeordnet, weil der Beschwerdegegner gemäss Gutachten zur Behandlung seiner schizoaffektiven Störung eines engen Behandlungssettings bedürfe. Während der ambulanten Behandlung habe er die benötigten Medikamente regelmässig eigenhändig abgesetzt, was zu erneuter Delinquenz geführt habe.
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Die Vorinstanz befürwortet eine ambulante Behandlung, weil sich die Medikamentenabgabe in der Zwischenzeit geändert habe. Der Beschwerdegegner gehe seit anfangs Mai 2012 ins Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen und erhalte dort die unabdingbaren Medikamente zur Behandlung seiner schizoaffektiven Störung in Form von monatlichen Depotspritzen. Gemäss Therapiebericht vom 7. Juni 2012 halte der Beschwerdegegner die Termine pünktlich ein, es gehe ihm seither besser und er sei motiviert, auf dieser Basis eine ambulante Massnahme durchzuführen. Durch die monatlichen Depotspritzen sei die regelmässige Medikamenteneinnahme sichergestellt, und er müsse so nicht mehr täglich an die Einnahme denken. Dadurch sei die Gefahr, dass er die Medikamente eigenhändig absetze, in erheblichem Masse abgeschwächt, womit der Gefahr weiterer Straftaten im Rahmen einer ambulanten Massnahme begegnet werden könne (angefochtener Entscheid S. 12 f. Ziff. 3.6).
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2.
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Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 56 ff. StGB, insbesondere von Art. 63 StGB.
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2.1 Ein psychisch schwer gestörter Täter kann unter anderem ambulant behandelt werden, wenn zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender weiterer Delikte begegnen (Art. 63 Abs. 1 StGB).
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Das Gericht kann den Vollzug einer zugleich ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe zu Gunsten einer ambulanten Behandlung aufschieben, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen. Es kann für die Dauer der Behandlung Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen (Abs. 2).
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2.2 Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz weiche gestützt auf den Therapiebericht - dem keine Gutachten-Qualität zukomme - von den Schlussfolgerungen des Gutachters ab.
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Dieser führte aus, wolle man die Rückfallgefahr des Beschwerdegegners für neuerliches delinquentes Handeln verringern, bedürfe es hierzu zwingend einer konsequenten medikamentösen Behandlung der schizoaffektiven Störung. Da er die Medikamente immer wieder abgesetzt habe, lasse sich auf ambulanter Ebene derzeit wohl kaum ein zuverlässiges therapeutisches Bündnis aufbauen, weshalb ein stationäres Behandlungssetting angezeigt sei (kantonale Akten, act. HD 12/5, S. 31 f.).
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Die Vorinstanz stützt ihren Entscheid zwar auf den Therapiebericht, entnimmt ihm jedoch im Wesentlichen, dass sich die Sachlage in der Zwischenzeit gewandelt hat: "Entscheidend hinzu kommt nun (...) die (...) veränderte Medikamentenabgabe" (angefochtener Entscheid S. 12 Ziff. 3.6). Diesen neuen Sachverhalt durfte die Vorinstanz übernehmen, weil es sich dabei nicht um eine gutachterliche Beurteilung handelt.
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Auf den ersten Blick weicht die Vorinstanz von der Schlussfolgerung des Gutachters ab, weil er eine stationäre Behandlung empfohlen hat. Inhaltlich jedoch stimmt die vorinstanzliche Beurteilung im Wesentlichen (siehe auch E. 2.3) mit derjenigen des Gutachters überein. In seinem ersten Gutachten hatte er eine ambulante Massnahme als sinnvoll erachtet, kam aber auf diesen Entscheid zurück, weil eine konsequente Medikamenteneinnahme nicht gewährleistet war. Ist nun aber mit der Therapie der monatlichen Depotspritze das Gegenteil der Fall, müsste der Gutachter seine ursprüngliche Empfehlung einer ambulanten Massnahme wieder aufgreifen. Wich die Vorinstanz somit nicht vom Gutachten ab, musste sie auch kein Ergänzungsgutachten oder einen zusätzlichen Bericht des Sachverständigen einholen (Beschwerdeschrift, S. 6 Ziff. 3.2).
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2.3 Die Vorinstanz erwägt, da die Medikamente nun mittels monatlicher Depotspritzen verabreicht würden, sei die regelmässige Medikamenteneinnahme sichergestellt resp. kontrollierbar.
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Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, dass die Medikamentenabgabe vom Beschwerdegegner zurzeit zuverlässig eingehalten wird und dass bei konsequenter Einhaltung dieser Therapie die schizoaffektive Störung grundsätzlich kontrolliert bzw. behandelt und letztlich "geheilt" werden kann. Zu Recht gibt sie aber zu bedenken, dass die Depotspritzen im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils erst seit mehr als einem Monat eingesetzt wurden. Um eine zuverlässige Prognose betreffend die konsequente Einhaltung der Therapie abgeben zu können, müsste ein weitaus längerer Erfahrungsbericht zur neuen Medikamentenabgabe vorliegen (Beschwerdeschrift, S. 5 Ziff. 3.1.5).
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Die Vorinstanz hätte diesen Bedenken mit der Anordnung einer Bewährungshilfe begegnen können und müssen. Da der Beschwerdegegner in der Vergangenheit die Medikamente mehrfach eigenhändig abgesetzt hat, ist nicht automatisch "sichergestellt", dass er die Therapie mit den monatlichen Depotspritzen einhält. Um ihn zur Therapie zu motivieren und zugleich auf ihn sanften Druck auszuüben, erscheint das Mittel der Bewährungshilfe als sinnvoll und verhältnismässig, um das Therapieziel zu erreichen.
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3.
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Die Beschwerde ist gutzuheissen und die Sache zur Anordnung einer Bewährungshilfe an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Der Beschwerdegegner stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Da er im Wesentlichen obsiegt, ist dem Gesuch zu entsprechen. Dem zur Hauptsache unterliegenden öffentlichen Ankläger sind keine Kosten aufzuerlegen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Sache zur Anordnung einer Bewährungshilfe an das Obergericht zurückgewiesen.
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2.
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Das Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
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3.
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Der Rechtsvertreter des Beschwerdegegners wird mit Fr. 2'000.-- aus der Bundesgerichtskasse entschädigt.
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4.
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Es werden keine Kosten erhoben.
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5.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 21. März 2013
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Mathys
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Der Gerichtsschreiber: Borner
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