VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2C_1200/2012  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2C_1200/2012 vom 03.06.2013
 
{T 0/2}
 
2C_1200/2012
 
 
Urteil vom 3. Juni 2013
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Stadelmann, Kneubühler,
 
Gerichtsschreiberin Genner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Schütz,
 
gegen
 
1.  Veterinäramt des Kantons Zürich, Obstgartenstrasse 21, 8090 Zürich,
 
2.  Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich, Obstgartenstrasse 21, 8090 Zürich,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Hundehaltung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3. Kammer, vom 4. Oktober 2012.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
X.________ ist seit Juni 2008 Eigentümer und Halter des 2006 geborenen, 25 kg schweren männlichen Hundes "A.________" der Rasse Malinois (kurzhaariger belgischer Schäferhund). Am 20. August 2009 ereignete sich ein erster Zwischenfall, bei dem der Hund einen Rentner verbellte, so dass sich dieser bedroht fühlte. Am 3. September 2009 biss "A.________" ein knapp 8-jähriges Mädchen ins Gesäss, was zu Prellungen und einer Schürfung führte. Wegen dieser beiden Vorfälle sprach das Statthalteramt des Bezirks Hinwil am 6. Oktober 2009 eine Busse von Fr. 250.-- aus. In der Folge häuften sich Beanstandungen wegen mangelnder Beaufsichtigung des Hundes "A.________"; zu Anzeigen kam es jedoch nicht.
1
 
B.
 
Das Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wies die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich (nachfolgend: Gesundheitsdirektion) am 9. Februar 2012 ab. In der Hauptsache wies sie den Rekurs am 10. April 2012 ab und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (nachfolgend: Verwaltungsgericht) bestätigte den angefochtenen Entscheid mit Urteil vom 4. Oktober 2012.
2
 
C.
 
X.________ erhebt am 3. Dezember 2012 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht mit den Anträgen, das angefochtene Urteil sei aufzuheben; statt dessen sei für "A.________" im öffentlich zugänglichen Raum eine Maulkorb- und Leinenpflicht zu verfügen und X.________ zu verpflichten, mit dem Hund "A.________" bei einer Fachperson Trainings- und Erziehungskurse so lange zu besuchen, wie es die Fachperson für nötig erachte; diese Auflagen seien unter Strafandrohung und gleichzeitiger Androhung der definitiven Beschlagnahme des Hundes "A.________" zu erlassen.
3
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
Das angefochtene Urteil ist ein verfahrensabschliessender Entscheid einer kantonalen Gerichtsbehörde und betrifft eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG, Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG, Art. 90 BGG); eine sachliche Ausnahme im Sinn von Art. 83 BGG liegt nicht vor. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten steht somit offen. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, so dass auf die Beschwerde einzutreten ist.
4
 
Erwägung 2
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Die rechtsfehlerhafte Auslegung von kantonalem Gesetzes- und Verordnungsrecht bildet keinen eigenständigen Rügegrund. Sie wird nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür geprüft (BGE 136 I 316 E. 2.2.1 S. 318 mit Hinweisen), sofern nicht die Verletzung von Bundesrecht in Frage steht. In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 II 304 E. 2.5 S. 314).
5
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge ist rechtsgenüglich substanziiert vorzubringen (vgl. BGE 136 II 304 E. 2.5 S. 314).
6
 
Erwägung 3
 
3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, das Veterinäramt hätte gemäss § 31 Abs. 1des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959 (VRG; LS 175.2) die verfügten Massnahmen vorgängig androhen müssen. Dies dränge sich aus Gründen der Verhältnismässigkeit sogar dort auf, wo die Androhung nicht gesetzlich vorgeschrieben sei. Darauf ist vorab einzugehen.
7
3.2. Weiter rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung der Eigentumsgarantie nach Art. 26 Abs. 1 BV und des Rechts auf Schutz der Privatsphäre nach Art. 13 Abs. 1 BV. Es steht ausser Frage, dass die Entziehung des Hundes "A.________" den Schutzbereich der Eigentumsgarantie berührt. Hingegen ist nicht ersichtlich, inwiefern die Auferlegung eines teilweisen Hundehalteverbots einen Eingriff in die Privatsphäre darstellen soll; auf diese Rüge ist daher nicht einzugehen. Hinsichtlich des teilweisen Hundehaltungsverbots könnte grundsätzlich geprüft werden, ob die Massnahme einen Eingriff in die persönliche Freiheit gemäss Art. 10 Abs. 2 BV darstellt (vgl. zum Schutzbereich BGE 133 I 249 E. 2 S. 252). Weil der Beschwerdeführer diese Rüge nicht vorbringt, fällt eine entsprechende Prüfung ausser Betracht (vgl. E. 2.1).
8
 
Erwägung 4
 
Somit bleibt zu prüfen, ob die Entziehung des Hundes mit der verfassungsmässigen Eigentumsgarantie vereinbar ist oder diese verletzt. Gemäss Art. 36 BV bedarf die Einschränkung von Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage, wobei schwerwiegende Eingriffe in einem formellen Gesetz vorgesehen sein müssen. Die Einschränkung muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
9
4.1. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers befindet sich die gesetzliche Grundlage für die Entziehung des Hundes weder im Tierschutzgesetz vom 16. Dezember 2005 (TSchG; SR 455) noch in der Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV; SR 455.1). Art. 24 Abs. 1 TSchG erlaubt die vorsorgliche Beschlagnahme von Tieren, wenn festgestellt wird, dass diese vernachlässigt oder unter völlig ungeeigneten Bedingungen gehalten werden. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall nicht gegeben. Entsprechend der verfassungsrechtlichen Grundlage in Art. 80 BV besteht der Normzweck des TSchG im Tierschutz, nicht im Schutz des Menschen vor gefährlichen Tieren. In Bezug auf das Halten von Hunden enthält zwar die TSchV einzelne Bestimmungen, welche die Sicherheit von Mensch und Tier bezwecken (Art. 77-79 TSchV). Aufgrund der bundesstaatlichen Kompetenzordnung sind jedoch die Kantone zuständig für den Erlass von Bestimmungen, welche die Hundehaltung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit beschränken (BGE 133 I 249 E. 3.2 S. 254; 133 I 172 E. 2 S. 174). Weil die Beschlagnahme des Hundes "A.________" nicht aus Gründen des Tierschutzes, sondern aus sicherheitspolizeilichen Gründen erfolgte, ist die Rechtsgrundlage dafür im kantonalen Recht zu suchen.
10
4.2. Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht, dass die verfügte Massnahme im öffentlichen Interesse liegt, weshalb sich Ausführungen hierzu erübrigen.
11
4.3. Der Beschwerdeführer erachtet die Entziehung des Hundes als unverhältnismässig. Aufgrund der Ermahnungen des Veterinäramts habe er lediglich mit einer (weiteren) Busse rechnen müssen. Zudem habe er sich per 31. Juli 2012 pensionieren lassen, um mehr Zeit für seinen Hund zu haben. Damit sei gewährleistet, dass sich die Vorfälle der Vergangenheit nicht wiederholen würden.
12
4.3.1. Die Eignung der Massnahme zur Vermeidung weiterer Beissvorfälle ist unbestritten und bedarf keiner weiteren Ausführungen.
13
4.3.2. Es fragt sich, ob die Entziehung des Hundes "A.________" erforderlich ist, um Gefahren abzuwenden, welche von ihm mit dem Beschwerdeführer als Halter ausgehen. Die vom Beschwerdeführer vorgeschlagene Leinen- und Maulkorbpflicht und der Besuch von Erziehungskursen stellen im Vergleich zur Entziehung des Tieres mildere Mittel dar, deren Einsatz zu prüfen ist.
14
4.3.3. Angesichts der mehrfach manifest gewordenen Gefahr, welche vom Hund "A.________" mit dem Beschwerdeführer als Halter ausgeht, muss diesem der Verzicht auf das Tier zugemutet werden, auch wenn ihn diese Massnahme hart trifft. Das Interesse an der Sicherheit der Bevölkerung, insbesondere von schwächeren Personen wie Rentnern oder Kindern, ist höher zu gewichten als das private Interesse des Beschwerdeführers, seinen Hund behalten zu dürfen. Immerhin ist es ihm (weiterhin) erlaubt, einen Gesellschaftshund bis zu einem Gewicht von 10 kg zu halten.
15
4.4. Die Entziehung des Hundes "A.________" erweist sich somit als verhältnismässig; eine Verletzung der Eigentumsgarantie liegt nicht vor.
16
 
Erwägung 5
 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der unterliegende Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG); eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG).
17
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Kammer, und dem Bundesamt für Veterinärwesen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 3. Juni 2013
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Die Gerichtsschreiberin: Genner
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).