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Informationen zum Dokument  BGer 1C_541/2012  Materielle Begründung
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BGer 1C_541/2012 vom 04.06.2013
 
{T 0/2}
 
1C_541/2012
 
 
Urteil vom 4. Juni 2013
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Aemisegger, Karlen,
 
Gerichtsschreiber Dold.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________ AG, Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Fritz Frey,
 
gegen
 
Gemeinde Horgen,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Weber.
 
Gegenstand
 
Nutzungsplanung,
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 6. September 2012 des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3. Abteilung, 3. Kammer.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Am 13. März 2008 revidierte die Gemeindeversammlung Horgen ihre Bau- und Zonenordnung. Dabei legte sie den Aussichtspunkt Plattenstrasse (auf einer Kote von 430.9 m ü. M.) auf dem gemeindeeigenen Grundstück Kat.-Nr. 5181 und dazu einen Aussichtsschutzbereich (auf einer Kote von 425 m ü. M.) fest. Einen dagegen erhobenen Rekurs der X.________ AG, der das vom Aussichtsschutz betroffene Nachbargrundstück Kat.-Nr. 5180 gehört, hiess die Baurekurskommission II des Kantons Zürich am 21. Oktober 2008 gut. Die Baurekurskommission hielt den Eingriff für unverhältnismässig und wies die Gemeinde deshalb an, die Kote neu festzusetzen.
1
 
B.
 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom 22. Oktober 2012 beantragt die X.________ AG, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an dieses zurückzuweisen. Eventualiter beantragt sie konkrete Veränderungen der Grenzen des geschützten Aussichtsbereichs und eine Anhebung des Aussichtspunkts auf 432 m ü. M. (auf ihre eigenen Kosten), subeventualiter die Verschiebung des Aussichtspunkts in Richtung Zürichsee. Subsubeventualiter seien die Höhenbeschränkungen für ihr Grundstück so festzulegen, dass sie mit der bestehenden Dienstbarkeit übereinstimmten.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Angefochten ist ein Entscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (Art. 82 lit. a und Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Die Beschwerdeführerin hat vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen. Sie ist als Eigentümerin einer von der Aussichtsschutzmassnahme direkt betroffenen Liegenschaft durch den Entscheid besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung (Art. 89 Abs. 1 BGG).
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Erwägung 2
 
2.1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV), weil das Verwaltungsgericht auf die Durchführung eines Augenscheins verzichtete. Sie beantragt zudem auch im Verfahren vor Bundesgericht, einen Augenschein durchzuführen. Ein solcher sei notwendig, um einerseits die Möglichkeiten einer baulichen Veränderung des Aussichtspunkts zu eruieren und um andererseits zu erkennen, wie sich eine Verschiebung der definierten Höhenbeschränkungen auf den Aussichtsschutz und die Bebaubarkeit ihres Grundstücks auswirken würden. Die in den Akten befindlichen Fotos seien diesbezüglich unzureichend, weil die Augenhöhe des Fotografen nicht bekannt sei.
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2.2. Das Verwaltungsgericht verweist auf den Augenschein, welchen das Baurekursgericht am 15. Dezember 2011 durchführte. Dafür sei das Bauprojekt der Beschwerdeführerin ausgesteckt und die Koten 430.5 und 432 m ü. M. seien mit Bändern im Gelände dargestellt worden. Das Baurekursgericht habe die Situation unter Angabe des jeweiligen Standorts in 14 Fotografien festgehalten. Es sei nicht ersichtlich und werde von der Beschwerdeführerin auch nicht näher begründet, inwiefern diese Fotografien den massgeblichen Sachverhalt nicht genügend darstellen sollten. Auch die Frage, wie sich ein Anheben der Aussichtskote auswirke und ob eine bauliche Veränderung des Aussichtspunkts möglich sei, lasse sich beantworten, ohne dass das Verwaltungsgericht einen eigenen Augenschein nehme.
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2.3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, wenn ein Gericht auf die Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil es aufgrund der bereits abgenommenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f. mit Hinweisen).
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Erwägung 3
 
Der vom Verwaltungsgericht bestätigte Aussichtsschutz basiert auf drei in Stufen angeordneten Ebenen, welche Bauten im unteren, gegen den Zürichsee abfallenden Bereich der Parzelle der Beschwerdeführerin in der Höhe auf 425 m ü. M., 428 m ü. M. und 430.5 m ü. M. beschränken. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, diese Massnahme verletze die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV). Sie bestreitet zwar nicht, dass dafür mit § 75 des Gesetzes des Kantons Zürich vom 7. September 1975 über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht (LS 700.1) eine gesetzliche Grundlage besteht (Art. 36 Abs. 1 BV). Gemäss dieser Bestimmung kann die Bau- und Zonenordnung für im Zonenplan bezeichnete Lagen Anordnungen treffen, welche die Aussicht oder die Sicht auf besondere Geländeformen sichern. Ebenfalls stellt sie nicht in Frage, dass der Aussichtsschutz im öffentlichen Interesse liegt (Art. 36 Abs. 2 BV). Sie kritisiert jedoch, der Eingriff gehe über das Erforderliche hinaus und sei auch nicht zumutbar (Art. 36 Abs. 3 BV).
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Erwägung 4
 
Das Verwaltungsgericht legt dar, der Aussichtsschutz bezwecke in erster Linie, den Blick auf den See und die Berge zu bewahren. Von Bedeutung seien zudem der Vordergrund, die Aussicht über den Dorfkern mit Kirche sowie den im Westen gelegenen Zimmerberg und die Albiskette. Der Aussichtsschutz gehe nicht über das Erforderliche hinaus. Zwar könnte eine ähnliche Aussicht auch durch die Anhebung des Aussichtspunkts auf 432 m ü. M. mittels Aufschüttung gewährleistet werden. Es wäre indessen zweckwidrig, von der Beschwerdegegnerin eine derartige Veränderung ihres Aussichtsstandorts zu verlangen, nur um Bauten auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin zuzulassen, welche aufgrund der bestehenden privatrechtlichen Dienstbarkeit gleichzeitig verhindert werden könnten. Die Dienstbarkeit schränke die Beschwerdeführerin in der baulichen Nutzung ihres Grundstücks wesentlich mehr ein als der strittige nutzungsplanerische Aussichtsschutz. Die Massnahme sei schliesslich auch zumutbar. Das öffentliche Interesse am Aussichtsschutz sei gewichtiger als das private Interesse der Beschwerdeführerin, welches aufgrund der bestehenden Dienstbarkeit als eher gering zu veranschlagen sei.
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Erwägung 5
 
Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, aufgrund des neuen, nutzungsplanerischen Aussichtsschutzes sei sie nach Art. 736 ZGB berechtigt, die Löschung der bestehenden Dienstbarkeit zu verlangen. Insofern könne die beschlossene Massnahme nicht einfach damit gerechtfertigt werden, dass die Dienstbarkeit die bauliche Nutzung des Grundstücks wesentlich mehr einschränke. Das Verwaltungsgericht habe zudem den Inhalt der Dienstbarkeit falsch bestimmt. Die Baubegrenzungslinie, welche im dem Grundbucheintrag zugehörigen Plan eingezeichnet sei, stelle keine Bauverbotslinie dar.
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Erwägung 6
 
6.1. Das Gebot der Verhältnismässigkeit verlangt, dass eine behördliche Massnahme für das Erreichen des im öffentlichen oder privaten Interesse liegenden Ziels geeignet und erforderlich ist und sich für die Betroffenen in Anbetracht der Schwere der Grundrechtseinschränkung als zumutbar und verhältnismässig erweist; es muss eine vernünftige Zweck-Mittel-Relation vorliegen (BGE 132 I 49 E. 7.2 S. 62 mit Hinweisen).
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6.2. Ein wesentlicher Anhaltspunkt für die Beurteilung der Verhältnismässigkeit des umstrittenen Aussichtsschutzes ist die bestehende Grunddienstbarkeit, welche die Parzelle Kat.-Nr. 5180 seit 1951 belastet. Sie zeigt einerseits auf, wie damals der erforderliche Aussichtsschutz und damit die Reichweite des öffentlichen Interesses definiert wurde. Andererseits ist sie von Bedeutung zur Bestimmung der konkret bestehenden Eigentümerbefugnisse, welche als privates Interesse der Planungsmassnahme entgegenstehen. Dies bedeutet zwar nicht, dass die Überführung einer derartigen privatrechtlichen Eigentumsbeschränkung in eine öffentlich-rechtliche insofern gar keinen Grundrechtseingriff mehr bedeuten würde, als sich der Umfang der Beschränkung nicht ändert. Doch ist dem Eigentümer des dienenden Grundstücks die öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung umso eher zumutbar, je weniger sie über die privatrechtliche hinausgeht. Mithin hat sich das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung der Verhältnismässigkeit des Eigentumseingriffs zu Recht am Inhalt der Dienstbarkeit orientiert.
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6.3. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, die Planungsmassnahme gehe über das Erforderliche hinaus, indem sie auch den vom Verwaltungsgericht umschriebenen Vordergrund erfasse, welcher sich jedoch nicht als schutzwürdig erweise. In dieser Hinsicht trifft zu, dass der Blick auf See und Berge sowie auf den Dorfkern auch bei einer weniger weit gehenden Eigentumsbeschränkung noch möglich wäre. Indessen hat bereits das Baurekursgericht zu Recht dargelegt, dass es nicht darum gehe, einen "Röhrenblick" zu schützen. Es ist vertretbar, auch den vor dem Dorfkern liegenden Bereich einzuschliessen, auch wenn dieser mit seinen neueren Bauten und der Seestrasse wenig reizvoll erscheint. Massgebend ist die Aussicht in ihrer Gesamtheit und sind nicht nur die einzelnen Ausschnitte.
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6.4. Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Massnahme ist für die Beschwerdeführerin offenbar vor allem bedeutsam, dass sie ein von ihr ins Auge gefasstes Umbauprojekt verwirklichen kann. Sie fordert eine entsprechende Einschränkung des Schutzbereichs und beanstandet insbesondere die Tiefe von 10 m, bis zu welcher die oberste Kote gilt. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass in einem Fall wie dem vorliegenden der Schutzbereich je nach Gewichtung der öffentlichen und privaten Interessen leicht ausgedehnt oder eingeschränkt werden könnte, ohne dass sich genau bestimmen lässt, an welchem Punkt das öffentliche und das private Interessen in ein Missverhältnis geraten. Aus den in den Akten befindlichen Fotos ergibt sich, dass die Aussicht leicht beeinträchtigt würde, würde der Schutzbereich derart eingeschränkt, dass die Beschwerdeführerin das von ihr gewünschte Bauprojekt verwirklichen könnte. Immerhin lässt der nutzungsplanerische Aussichtsschutz ein redimensioniertes Projekt zu, wie es aufgrund der vorbestehenden Grunddienstbarkeit nicht möglich wäre. Die Grunddienstbarkeit hat nach dem Gesagten eine wesentlich einschneidendere Beschränkung der Bebaubarkeit zur Folge. Insgesamt ist deshalb unter Anwendung der angebrachten Zurückhaltung in der Überprüfung der Würdigung der örtlichen Verhältnisse (vgl. E. 3 hiervor) die Festlegung der Höhenkoten auch unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit nicht zu beanstanden.
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6.5. Die Rüge der Beschwerdeführerin, der angefochtene Entscheid schütze die planerische Festlegung eines Aussichtsschutzes, der weder erforderlich noch zumutbar sei und deshalb die Eigentumsgarantie verletze, ist somit unbegründet.
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Erwägung 7
 
Die Beschwerde ist abzuweisen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 4. Juni 2013
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Dold
 
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