BGer 9C_262/2013 | |||
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BGer 9C_262/2013 vom 05.06.2013 | |
{T 0/2}
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9C_262/2013
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Urteil vom 5. Juni 2013 |
II. sozialrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Kernen, Präsident,
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Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Glanzmann,
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Gerichtsschreiber Fessler.
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Verfahrensbeteiligte | |
IV-Stelle Uri, Dätwylerstrasse 11, 6460 Altdorf,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Walter A. Stöckli,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
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des Kantons Uri vom 27. Februar 2013.
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Sachverhalt: |
A. | |
A.________ meldete sich im März 2007 bei der Invalidenversicherung an und beantragte Berufsberatung und/oder eine Rente. Die IV-Stelle Uri klärte die gesundheitlichen und erwerblichen Verhältnisse ab. U.a. liess sie die Versicherte durch die MEDAS untersuchen und begutachten (Expertise vom 15. Dezember 2011). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 23. Mai 2012 einen Rentenanspruch.
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B. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde von A.________ hob das Obergericht des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, mit Entscheid vom 27. Februar 2013 die Verfügung vom 23. Mai 2012 auf und stellte fest, dass ab August 2008 Anspruch auf eine Viertelsrente und ab Januar 2011 Anspruch auf eine halbe Rente bestehe (Dispositiv-Ziffer 1).
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C. | |
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die IV-Stelle Uri, der Entscheid vom 27. Februar 2013 sei aufzuheben; eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an das kantonale Obergericht oder zur ergänzenden medizinischen Abklärung an sie zurückzuweisen.
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Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
1.1. Die Vorinstanz hat dem MEDAS-Gutachten vom 15. Dezember 2011 Beweiswert zuerkannt. Gestützt darauf ist sie bei der Invaliditätsbemessung von einer Arbeitsfähigkeit von 30 % in einer adaptierten Tätigkeit für die Zeit ab 30. November 2011 ausgegangen. Nach Auffassung der Beschwerde führenden IV-Stelle beruht diese Festsetzung der Arbeitsfähigkeit nicht auf einer umfassenden, objektiven und sorgfältigen Beweiswürdigung (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352), was Bundesrecht verletze (Art. 95 lit. a BGG). Es sei nicht gerechtfertigt, eine Arbeitsfähigkeit von weniger als 40 % anzunehmen. Weder die neuropsychologischen Gutachterinnen noch die psychiatrische Gutachterin der Abklärungsstelle hätten aufgezeigt, inwiefern die bereits von der Neurologin attestierte Arbeitsunfähigkeit infolge eines Fatigue-Syndroms (60 %) "verstärkt" werde. Sie würden bei ihrer Einschätzung auf die subjektiven Angaben der Versicherten abstellen. Gegen einen höheren Arbeitsunfähigkeitsgrad als 60 % spreche auch, dass die MEDAS den Schweregrad der Behinderung auf der wissenschaftlich anerkannten Leistungsskala nach Expanded Disability Status Scale (EDSS) mit dem Grad 3,5 angebe, indessen erst ein solcher ab 5,0 definitionsgemäss eine ganztägige Arbeitsfähigkeit unter Berücksichtigung aller MS-spezifischen Funktionsbereiche einschränke. Zudem sei kein vom organischen Leiden verselbständigtes psychisches Leiden diagnostiziert worden.
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1.2. Im MEDAS-Gutachten vom 15. Dezember 2011 wurde eine den neurokognitiven Fähigkeiten entsprechende Verweistätigkeit, vorzugsweise sitzend, während zwei bis drei Stunden täglich als zumutbar bezeichnet. Diese Einschätzung galt ab Datum der Schlussbesprechung vom 30. November 2011, welche auf einem vorgängig im Zirkulationsverfahren erarbeiteten Konsensfindungsprozess aller beteiligten Fachleute beruhte. Die Vorinstanz hat darauf abgestellt, womit sie weder die Anforderungen an den Beweiswert ärztlicher Bericht verkannt hat noch in willkürliche Beweiswürdigung verfallen ist (Urteil 9C_604/2012 vom 16. November 2012 E. 1) :
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Der Zweck interdisziplinärer Gutachten ist, alle relevanten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erfassen und die sich daraus je einzeln ergebenden Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit in ein Gesamtergebnis zu fassen (BGE 137 V 210 E. 1.2.4 S. 224; SVR 2008 IV Nr. 15 S. 43, I 514/06 E. 2.1). Der abschliessenden, gesamthaften Beurteilung von Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit kommt insbesondere dann grosses Gewicht zu, wenn sie auf der Grundlage einer Konsensdiskussion der an der Begutachtung mitwirkenden Fachärzte unter Leitung eines fallführenden Arztes (Hauptgutachter) erfolgt (Urteil 9C_687/2011 vom 8. Februar 2012 E. 3.2.2 mit Hinweis; vgl. auch Urteil 8C_854/2012 vom 4. April 2013 E. 4.2). Die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit im Gutachten vom 15. Dezember 2011 wurde somit von allen beteiligten Experten, namentlich auch von der Neurologin mitgetragen. Dies stellt keinen Widerspruch dazu dar, dass sie in ihrem Teilgutachten vom 1. September 2011 aus (rein) neurologischer Sicht von einer Arbeitsfähigkeit von 40 % ausgegangen war. Darin findet sich im Übrigen nichts, was die Einschätzung einer Arbeitsfähigkeit von 30 % (2 bis 3 Stunden im Tag) im Hauptgutachten als zweifelhaft oder sogar unrichtig erscheinen lassen könnte. Die von der Beschwerdeführerin erwähnte EDSS ist gemäss der neurologischen Gutachterin ein strenger Prädiktor dafür, in welcher Zeitspanne prozentual wieviele Patienten, die an einer Encephalomyelitis disseminata (MS) mit sekundärer chronischer Verlaufsform leiden, die Gehfähigkeit verlieren. Dieser Vorhersagewert verschlechtert sich von 3 bis 5. Die Expertin gab für die Beschwerdegegnerin den Wert 3,5 an. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern dies die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit im neurologischen Teilgutachten und im Hauptgutachten in einen unauflösbaren Widerspruch bringt, und zwar umso weniger, als die Neurologin davon auszugehen scheint, dass die Beschwerdegegnerin im zeitlichen Rahmen zumutbarer Arbeitsfähigkeit von ca. drei Stunden täglich nicht voll leistungsfähig ist, wobei das genaue Ausmass nicht quantifiziert werden könne.
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Erwägung 2 | |
2.1. Bei der im Grundsatz unbestrittenen Invaliditätsbemessung nach der gemischten Methode (Art. 28a Abs. 3 IVG; BGE 137 V 334 E. 3.1.3 S. 338) ist die Vorinstanz von einem Anteil der Erwerbstätigkeit (= hypothetisches Arbeitspensum in Prozent im Gesundheitsfall; BGE 125 V 146 E. 2b S. 149) von 0,65 ab Oktober 2006 bzw. 0,73 ab Januar 2011 ausgegangen. Die Beschwerdeführerin rügt, das kantonale Gericht habe die Statusfrage (Urteil 9C_915/2012 vom 15. Mai 2013 E. 4.1) einzig unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Notwendigkeit der Versicherten geprüft, eine Erwerbstätigkeit (wieder-) aufzunehmen bzw. auszudehnen. Alle anderen Kriterien, insbesondere das Alter, die beruflichen Fähigkeiten und die Ausbildung, habe es ausser Acht gelassen und damit die rechtserheblichen Tatsachen nicht vollständig erhoben, was Bundesrecht verletze.
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2.2. Bei der Prüfung des invalidenversicherungsrechtlichen Status hat eine einlässliche Würdigung der gesamten Umstände im konkreten Fall Platz zu greifen. Insbesondere darf etwa bei Frauen mit Kindern nicht einzig auf die bzw. eine allgemeine Lebenserfahrung abgestellt werden (Urteil 9C_915/2012 vom 15. Mai 2013 E. 4.1 und 4.2.2; Ulrich Meyer, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 2. Aufl. 2010, S. 52). Vorliegend ist der finanzielle Aspekt von grosser Bedeutung für die Statusfrage, was auch die Beschwerdeführerin nicht bestreitet. Die Vorinstanz hat den Anteil der Erwerbstätigkeit von 0,65 ab Oktober 2006 bzw. 0,73 ab Januar 2011 nicht nur gestützt auf die Vorbringen der Versicherten in der Beschwerde festgesetzt, sondern auch gestützt auf die beiden Abklärungsberichte Haushalt vom 25. März 2008 und 9. Februar 2012. Im Letzteren im Besonderen wurde eine Erwerbstätigkeit von 80 % ab Januar 2011 angenommen, da der Ehemann nun weniger Alimente bezahle, wie das kantonale Gericht unwidersprochen festgestellt hat. Weitere Umstände hat die Vorinstanz nicht explizit geprüft bzw. deren Relevanz für die Frage des Umfangs einer ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgeübten Erwerbstätigkeit implizit verneint. Das lässt sich nicht beanstanden. Weder das Alter der Versicherten (58 im Verfügungszeitpunkt) noch die Tatsache, dass sie lediglich die Primarschule besuchte und über keinen Lehrabschluss verfügt, lassen die Feststellung einer Erwerbstätigkeit im Gesundheitsfall von 65 % ab Oktober 2006 bzw. 73 % ab Januar 2011 als offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich erscheinen (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 134 V 53 E. 4.3 S. 63).
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Schliesslich bringt die Beschwerdeführerin vor, die Beschwerdegegnerin erhalte seit xxx von ihrem Ehemann 500 Franken weniger Alimente im Monat, weil dieser frühzeitig in Pension gegangen sei. Sinngemäss laufe die Berücksichtigung dieses Umstandes bei der Statusprüfung darauf hinaus, dass die Invalidenversicherung für die finanziellen Trennungs- und Scheidungsfolgen aufkommen müsse. Dieses Argument sticht schon deshalb nicht, weil die Gründe für die vorzeitige Pensionierung des seit yyy getrennt lebenden Ehemannes der Versicherten nicht bekannt sind. Abgesehen davon macht die Beschwerdeführerin nicht geltend und es bestehen auch auch keine diesbezüglichen Anhaltspunkte in den Akten, dass die Beschwerdegegnerin auf die weggefallenen Unterhaltszahlungen nicht angewiesen wäre. Nicht einzugehen ist im Übrigen auf die theoretischen Erörterungen in der Beschwerde, u.a. dass bei der Prüfung des invalidenversicherungsrechtlichen Status von Ehefrauen von EL-Ansprechern "wohl allzu oft und unbewusst" eine Zumutbarkeitsbeurteilung Platz greife (vgl. BGE 134 V 53 E. 4.1 S. 61 und BGE 133 V 504 E. 3.3 S. 508). Die Beschwerdeführerin zeigt nicht ansatzweise die Relevanz für den hier zu beurteilenden Fall auf.
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2.3. In den übrigen Punkten ist der vorinstanzliche Entscheid nicht angefochten. Es besteht kein Anlass zu einer näheren Prüfung.
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Die Beschwerde ist unbegründet.
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Erwägung 3 | |
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Erwägung 1 | |
Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Erwägung 2 | |
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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Erwägung 3 | |
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 5. Juni 2013
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Kernen
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Der Gerichtsschreiber: Fessler
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