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Informationen zum Dokument  BGer 6B_292/2013  Materielle Begründung
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BGer 6B_292/2013 vom 15.07.2013
 
{T 0/2}
 
6B_292/2013
 
 
Urteil vom 15. Juli 2013
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichter Schneider,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Gerichtsschreiberin Kratz-Ulmer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Beat Hauri,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Grobe Verletzung der Verkehrsregeln,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 4. Februar 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung der Beschwerde an das Bundesgericht in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Dies setzt voraus, dass sich der Beschwerdeführer wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzt. Soweit der Beschwerdeführer auf seine Eingabe vor Vorinstanz verweist, ist darauf nicht einzutreten. Die Beschwerde muss die Begründung selber enthalten (vgl. BGE 133 II 396 E. 3.1; 131 III 384 E. 2.3).
1
 
Erwägung 2
 
2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verurteilung wegen grober Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG. Er fordert eine Änderung der Rechtsprechung. Er rügt, die vom Bundesgericht entwickelte Praxis, nach welcher die Grenze zwischen mittelschwerem und schwerem Fall bei Geschwindigkeitsüberschreitungen auf richtungsgetrennten Strassen zwischen 34 und 35 km/h liegen soll, sei systemwidrig und willkürlich. Führe man die im Ordnungsbussenkatalog geltende Fünferreihe fort, läge zwischen 31 bis 35 km/h ein mittelschwerer und ab 36 km/h ein schwerer Fall vor. Es gebe keinen sachlichen Grund, von diesen Fünferschritten bei der sanktionsmässig bedeutungsvollsten Schwelle zur schweren Verkehrsregelverletzung abzuweichen. Zudem sei der Verweis auf die Regelung der polizeilichen Konfiskation des Führerausweises (aArt. 38 Abs. 2 lit. a VZV, neu Art. 31 Abs. 2 lit. a SKV) in BGE 132 II 234 E. 3.2 falsch, da die Gesetzesstelle das Gegenteil belege. Die polizeiliche Abnahme des Ausweises erfolge erst bei Überschreitungen um "mehr als" und nicht "ab" diesem Wert. Die Vorinstanz stelle sich für die Abgrenzung von Art. 90 Ziff. 1 und 2 SVG nicht die Frage, ob tatsächlich eine qualifiziert erhöhte abstrakte Gefährdung der Gesundheit oder gar des Lebens anderer Verkehrsteilnehmer vorliege. Sie verweigere ihm die Beantwortung dieser Frage unter Hinweis auf die langjährige, wenn auch in BGE 132 II 234 falsch verteidigte Praxis.
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2.2. Den Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG erfüllt, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. Art. 90 SVG wurde gestützt auf das Bundesgesetz vom 15. Juni 2012 über die Änderung des Strassenverkehrsgesetzes (AS 2012 6291 ff.) neu gefasst. Art. 90 Ziff. 2 SVG ist mit Ausnahme redaktioneller Anpassungen unverändert geblieben (Urteil 6B_121/2013 vom 8. April 2013 E. 2).
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2.3. Der objektive Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG ist erfüllt, wenn der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer ist bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung gegeben. Diese setzt die naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung oder Verletzung voraus. Subjektiv erfordert der Tatbestand ein rücksichtsloses oder sonst schwerwiegend verkehrsregelwidriges Verhalten, d.h. ein schweres Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe Fahrlässigkeit (BGE 131 IV 133 E. 3.2; 130 IV 32 E. 5.1; je mit Hinweisen).
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2.4. Nach ständiger Rechtsprechung sind die objektiven und grundsätzlich auch die subjektiven Voraussetzungen der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG ungeachtet der konkreten Umstände zu bejahen, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn um 35 km/h oder mehr (BGE 132 II 234 E. 3.1; 124 II 475 E. 2a; je mit Hinweisen) und auf einer nicht richtungsgetrennten Autostrasse um 30 km/h überschritten ist (vgl. BGE 123 II 106 E. 2c).
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Im vorliegenden Fall geht es um eine richtungsgetrennte Autostrasse, bei welcher sich die Gefahrenlage ähnlich wie bei der richtungsgetrennten Autobahn präsentiert. Aus diesem Grunde rechtfertigt es sich, die für Letztere entwickelte Rechtsprechung anzuwenden ( YVAN JEANNERET, Les dispositions pénales de la Loi sur la circulation routière [LCR], 2007, S. 53 N. 48; JÜRG BOLL, Grobe Verkehrsregelverletzung, 1999, S. 28). Daher ist bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 35 km/h auf einer richtungsgetrennten Autostrasse objektiv und grundsätzlich auch subjektiv eine grobe Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Ziff. 2 SVG gegeben.
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2.5. Eine Änderung der Rechtsprechung lässt sich regelmässig nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelter Rechtsanschauung entspricht. Andernfalls ist die bisherige Praxis beizubehalten. Eine Praxisänderung muss sich auf ernsthafte sachliche Gründe stützen können, die vor allem im Interesse der Rechtssicherheit umso gewichtiger sein müssen, je länger die als falsch oder nicht mehr zeitgemäss erachtete Rechtsanwendung gehandhabt wurde (Urteil 6B_771/2011 vom 11. Dezember 2012 E. 1.5.2, zur Publikation vorgesehen; BGE 137 III 352 E. 4.6; 136 III 6 E. 3; 135 I 79 E. 3; je mit Hinweisen).
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2.6. Ernsthafte sachliche Gründe, welche eine Praxisänderung verlangen, sind nicht gegeben. Die Vorinstanz weist zu Recht darauf hin, dass ein Grund, weshalb sämtliche Kategorien von Geschwindigkeitsüberschreitungen zwingend fünf Einheiten aufweisen sollten, abgesehen vom vermeintlichen Zwang der Zahlenlogik, nicht auszumachen ist. Sie erwägt zutreffend, dass sich mit zunehmender Höhe einer Geschwindigkeitsüberschreitung auch die Gefährdungslage erheblich steigert, weshalb eine auf vier Einheiten verkürzte Kategorie der Geschwindigkeitsüberschreitung an der Schwelle zur schweren Verkehrsgefährdung bzw. groben Verletzung der Verkehrsregeln vernünftig erscheint. Die schärfere Gruppenbildung im oberen Bereich des Spektrums im Gegensatz zu den weniger drastischen Geschwindigkeitsüberschreitungen, welche mit Ordnungs- oder Übertretungsbussen zu ahnden sind, ist nachvollziehbar. Die gerügte Rechtsprechung ist bis heute immer wieder ausdrücklich bestätigt worden (vgl. auch Urteile 6B_104/2012 vom 26. September 2012 E. 2.2 und 6B_568/2012 vom 16. November 2012 E. 1.3 mit Hinweisen), womit sich eine langjährige, einheitliche und konstante Praxis etabliert hat. Die schematische Rechtsprechung hat zu einer grossen Rechtssicherheit geführt (Urteil S. 8 f.). Der Beschwerdeführer kann aus dem Hinweis in BGE 132 II 124 E. 3.2 auf aArt. 38 Abs. 2 lit. a VZV nichts zu seinen Gunsten ableiten. Daraus ergeben sich keine anderen rechtlichen Anforderungen an eine grobe Verkehrsregelverletzung auf richtungsgetrennten Autostrassen.
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2.7. Der Beschwerdeführer überschritt die signalisierte Höchstgeschwindigkeit nach Abzug der Sicherheitsmarge um 35 km/h. Die Vorinstanz nimmt im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Recht objektiv eine grobe Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Ziff. 2 SVG an.
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Der Schuldspruch verstösst auch in subjektiver Hinsicht nicht gegen Bundesrecht. Wer die Höchstgeschwindigkeit in derart massiver Weise überschreitet, handelt in aller Regel vorsätzlich oder mindestens grobfahrlässig (vgl. BGE 123 II 37 E. 1 f.; Urteil 6B_104/2012 vom 26. September 2012 E. 2.4 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer macht keine Gründe geltend, die sein Verhalten subjektiv in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten.
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2.8. Der Schuldspruch wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG ist bundesrechtskonform. Die Rüge des Beschwerdeführers ist unbegründet.
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Erwägung 3
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 15. Juli 2013
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Die Gerichtsschreiberin: Kratz-Ulmer
 
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