BGer 9C_575/2013 | |||
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BGer 9C_575/2013 vom 18.11.2013 | |
{T 0/2}
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9C_575/2013
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Urteil vom 18. November 2013 |
II. sozialrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Kernen, Präsident,
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Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
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Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.
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Verfahrensbeteiligte | |
B.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Sebastian Lorentz,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. Mai 2013.
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Sachverhalt: | |
Mit Beschluss vom 31. Mai 2013 trat das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich unter Hinweis auf die am 29. April 2013 abgelaufene Rechtsmittelfrist auf die gemäss Poststempel am 30. April 2013 der Post übergebene Beschwerde der B.________ nicht ein.
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B.________ lässt hiegegen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragt, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und die IV-Stelle anzuweisen, die Streitsache materiell zu behandeln.
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Vorinstanz und IV-Stelle verzichten auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen: | |
1. Unbestritten endete die vorinstanzliche Beschwerdefrist am 29. April 2013.
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1.1. Das kantonale Gericht stellte fest, gemäss klar erkennbarem Poststempel auf dem Beschwerdecouvert sei die eingeschrieben versandte Beschwerdeschrift am 30. April 2013 der Post übergeben worden. Dies stimme auch mit den postalischen Sendeinformationen überein. Es erwog, damit sei die Beschwerdefrist nicht eingehalten worden, weshalb mangels Anhaltspunkten für relevante Wiederherstellungsgründe auf die Beschwerde nicht einzutreten sei.
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1.2. Die Beschwerdeführerin rügt, aufgrund der letztinstanzlich ins Recht gelegten Postquittung (welche sie bereits unmittelbar nach Erhalt des vorinstanzlichen Nichteintretensbeschlusses am 3. Juni 2013 dem kantonalen Gericht habe zukommen lassen) sei erstellt, dass die Sachverhaltsfeststellung des kantonalen Gerichts unzutreffend sei. Die Postaufgabe sei nachgewiesenermassen am 29. April 2013 und damit fristgerecht erfolgt. Sodann habe sie sich entgegen der Darstellung im angefochtenen Entscheid zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde vor Erlass des Nichteintretensbeschlusses nicht äussern können, was ihren Gehörsanspruch verletze.
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2. Die im bundesgerichtlichen Verfahren (in Kopie) aufgelegte Postquittung ist als zulässiges Novum zu qualifizieren (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 135 V 194 E. 3.4 S. 199 f.). Die Beschwerdeführerin belegt damit ihren Standpunkt, die Beschwerde sei fristgerecht der Schweizerischen Post übergeben worden. Hiezu wurde ihr im vorinstanzlichen Verfahren ausweislich der Akten - entgegen den Feststellungen im angefochtenen Entscheid - keine Gelegenheit eingeräumt.
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3. Der Nachweis der Rechtzeitigkeit einer Parteihandlung im Beschwerdeverfahren obliegt grundsätzlich der Partei, welche diese Handlung vorzunehmen hat. Der Beschwerdeführerin obliegt also der Nachweis der Rechtzeitigkeit der Einreichung einer Beschwerdeschrift. Dieser ist erbracht, wenn eine Postquittung oder ein anderer Empfangsschein für eine aufgegebene Sendung vorgelegt wird. Im Falle der Beweislosigkeit fällt der Entscheid zu Ungunsten jener Partei aus, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte (Urteil 9C_171/2007 vom 24. Juli 2007 E. 3 mit Hinweisen).
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Erwägung 4 | |
4.1. Dem (in Kopie) ins Recht gelegten Postbüchlein des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin ist in der Tat zu entnehmen, dass am 29. April 2013 eine an die Vorinstanz adressierte Postsendung aufgegeben wurde. Der entsprechende Stempel der Sihlpost, 8021 Zürich, trägt die eindeutig lesbaren Angaben "29.-4.13-23", was einer Übergabe der Sendung an die Post am 29. April 2013 zwischen 23.00 und 23.59 Uhr entspricht. Dass es sich dabei um die Beschwerde der Versicherten handeln muss, ergibt sich nebst dem auf der Quittung handschriftlich bei der Empfängeradresse vermerkten Familiennamen der Beschwerdeführerin insbesondere aus dem eingeklebten Barcode und der entsprechenden Prüfnummer, welche mit Code und Nummer des bei der Vorinstanz eingegangenen Beschwerdeumschlages, in welchem die Beschwerde unbestrittenermassen versandt wurde, übereinstimmen. Demgegenüber ist auf dem Briefumschlag selbst ein Stempel der Sihlpost angebracht mit den - ebenfalls - gut lesbaren Angaben "30.-4.13-19". Demgemäss wurde die Sendung am 30. April 2013 zwischen 19.00 und 19.59 Uhr in der Sihlpost abgestempelt.
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4.2. Das kantonale Gericht hatte im vorinstanzlichen Beschwerdeverfahren eine Sendungsverfolgung (Internetausdruck vom 21. Mai 2013) zu den Akten genommen. Im Unterschied zur ebenfalls aktenkundigen Sendungsverfolgung betreffend die am 2. Juli 2013 von der Vorinstanz verschickte Gerichtsurkunde, woraus Datum und Uhrzeit der Aufgabe (2. Juli 2013, 16.35 Uhr) eindeutig hervorgehen, ist dem Ausdruck vom 21. Mai 2013 nicht zu entnehmen, wann die Aufgabe erfolgte, denn die Einträge beginnen erst mit der am 30. April 2013 um 19.59 Uhr im Briefzentrum, 8010 Zürich, erfolgten Sortierung und Weiterleitung. Wann die Beschwerde der Post übergeben wurde, kann somit anhand der vorliegenden Akten nicht abschliessend geklärt werden. Während die von der Beschwerdeführerin ins Recht gelegte Quittung den Schluss nahe legt, die Postaufgabe der Beschwerde sei - fristwahrend - am 29. April 2013 kurz vor Mitternacht erfolgt, zeigen die bisherigen Nachforschungen des kantonalen Gerichts lediglich, dass die Sortierung und Weiterleitung der Sendung im Briefzentrum erst am Abend des Folgetages vorgenommen wurde. Unklar bleibt insbesondere, weshalb der Briefumschlag erst am 30. April 2013 zwischen 19 und 19.59 Uhr auf der Sihlpost abgestempelt worden war, nachdem im Postbüchlein eine Aufgabe am 29. April 2013 kurz vor Mitternacht dokumentiert ist. Die Sache ist daher an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie diese Umstände genauer abklärt indem sie insbesondere eine vollständige, auch Aufgabedatum und -zeit umfassende Sendungsverfolgung einholt, allenfalls die internen Abläufe bei der Post abklärt, und hernach unter Wahrung des Gehörsanspruchs der Versicherten über die Fristwahrung neu entscheidet.
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5. Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird verzichtet (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin ist eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 66 Abs. 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, und der Beschluss des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. Mai 2013 wird aufgehoben. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückgewiesen zur weiteren Abklärung und Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
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2. Es werde keine Gerichtskosten erhoben.
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3. Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.- zu bezahlen.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 18. November 2013
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Kernen
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Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle
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