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Informationen zum Dokument  BGer 9C_533/2013  Materielle Begründung
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BGer 9C_533/2013 vom 16.12.2013
 
{T 0/2}
 
9C_533/2013
 
 
Urteil vom 16. Dezember 2013
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Kernen, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Pfiffner, Glanzmann,
 
Gerichtsschreiberin Helfenstein.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Schweizerische Ausgleichskasse SAK, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
F.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Hess-Keller,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Alters- und Hinterlassenenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid
 
des Bundesverwaltungsgerichts
 
vom 14. Juni 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Der am 29. Juni 1946 geborene F.________ ist kosovarischer Staatsangehöriger. Am 2. Dezember 2010 meldete er sich zum Bezug einer AHV-Altersrente bei der Ausgleichskasse Luzern (nachfolgend: Ausgleichskasse) an. Mit Verfügung vom 21. Juni 2011 sprach ihm die Ausgleichskasse eine ordentliche Altersrente ab Juli 2011 zu.
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A.b. Mit Schreiben vom 13. August 2012 liess F.________ durch seinen Rechtsvertreter bei der Schweizerischen Ausgleichskasse (nachfolgend: SAK) beantragen, es sei ihm die Rente auch bei Wohnsitznahme in Kosovo auszubezahlen oder eine anfechtbare Verfügung zu erlassen. Am 17. September 2012 informierte die SAK F.________, dass sie entsprechend verfügen werde, wenn er die Schweiz definitiv verlassen habe. Am 28. September 2012 verlegte F.________ seinen Wohnsitz nach Kosovo. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2012 ersuchte die SAK den Rechtsvertreter von F.________, innert 30 Tagen eine Nationalitätsbescheinigung einzureichen und wies ausdrücklich darauf hin, falls sein Mandant mehrere Nationalitäten habe, würden sie für jede eine separate Bescheinigung benötigen, worauf er eine Bescheinigung der kosovarischen Staatsbürgerschaft vom 12. November 2012 einreichte.
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A.c. Mit Verfügung vom 28. November 2012 teilte ihm die SAK mit, die Zahlung der Altersrente werde per 30. September 2012 definitiv eingestellt. In der dagegen erhobenen Einsprache machte F.________ geltend, er sei kosovarisch-serbischer Doppelbürger. Die SAK gab ihm am 14. Dezember 2012 Gelegenheit, bis 21. Januar 2013 Beweismittel für die serbische Staatsangehörigkeit beizubringen, dies unter Androhung, dass andernfalls auf Grund der Akten entschieden werde, worauf F.________ innert verlängerter Frist neben einer Bescheinigung der serbischen Staatsbürgerschaft vom 8. Februar 2013 zwei Auszüge aus dem Geburtsregister, eine Kopie eines Jugoslawischen Passes sowie eine Kopie einer Identitätskarte der Republik Kosovo einreichte. Nach einem Schreiben vom 26. Februar 2013 der SAK, wonach als Nachweis der serbischen Nationalität nur ein gültiger biometrischer Pass Serbiens genüge und der Antwort von F.________, dass die SAK überspannte Anforderungen an den Nachweis der serbischen Nationalität stelle, hielt die SAK mit Einspracheentscheid vom 10. April 2013 an der Abweisung des Rentenanspruches fest, weil die eingereichten Dokumente für den Nachweis einer aktuellen serbischen Staatsbürgerschaft nicht genügten und auf kosovarische Staatsangehörige das zwischen der Schweiz und dem ehemaligen Jugoslawien abgeschlossene Sozialversicherungsabkommen nicht anwendbar sei.
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B. Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Bundesverwaltungsgericht gut, hob den Einspracheentscheid vom 10. April 2013 auf und erkannte, dass ihm die monatliche AHV-Rente ab dem 1. Oktober 2012 weiterhin auszurichten sei (Entscheid vom 14. Juni 2013). In der Begründung führte es aus, dass das zwischen der Schweiz und dem ehemaligen Jugoslawien abgeschlossene Sozialversicherungsabkommen auf kosovarische Staatsangehörige weiter anwendbar sei.
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C. Die SAK erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni 2013 sei aufzuheben und ihr Einspracheentscheid vom 21. Februar 2013 zu bestätigen.
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Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliesst auf Gutheissung der Beschwerde. F.________ und das Bundesverwaltungsgericht verzichten auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen:
 
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist - wozu auch Unvollständigkeit gehört (Urteil 9C_395/2009 vom 16. März 2010 E. 2.4) - oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2. Gemäss Art. 18 AHVG in der bis Ende 2011 gültigen Fassung haben Schweizer Bürger, Ausländer und Staatenlose Anspruch auf Alters- und Hinterlassenenrenten (Abs. 1). Ausländer sowie ihre Hinterlassenen ohne Schweizer Bürgerrecht sind nur rentenberechtigt, solange sie ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 13 ATSG) in der Schweiz haben. Dieses Erfordernis ist von jeder Person, für die eine Rente ausgerichtet wird, einzeln zu erfüllen. Vorbehalten bleiben die besonderen bundesrechtlichen Vorschriften über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Staatenlosen sowie abweichende zwischenstaatliche Vereinbarungen, insbesondere mit Staaten, deren Gesetzgebung den Schweizer Bürgern und ihren Hinterlassenen Vorteile bietet, die denjenigen dieses Gesetzes ungefähr gleichwertig sind (Abs. 2). Den Ausländern, die ihren Wohnsitz im Ausland haben und mit deren Heimatstaat keine zwischenstaatliche Vereinbarung besteht, sowie ihren Hinterlassenen können die gemäss den Artikeln 5, 6, 8, 10 oder 13 bezahlten Beiträge rückvergütet werden. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten, insbesondere das Ausmass der Rückvergütung (Abs. 3).
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Bei Personen, die mehrere sich ablösende Staatsangehörigkeiten besessen haben, ist für die Rentenberechtigung die Staatsangehörigkeit während des Rentenbezugs massgebend. Diese Regelung ist in Art. 18 Abs. 2 bis AHVG eingefügt worden, der am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist (AS 2011 4745).
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3. Wie das Bundesgericht in BGE 139 V 263 entschieden hat, ist das Abkommen vom 8. Juni 1962 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der ehemaligen (Sozialistischen) Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über Sozialversicherung (kurz: Sozialversicherungsabkommen; SR 0.831.109.818.1) ab 1. April 2010 nicht weiter auf kosovarische Staatsangehörige anzuwenden. Dem Urteil lag der Fall eines 1977 geborenen kosovarischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Kosovo zu Grunde, dessen Gesuch auf Rückvergütung der AHV-Beiträge das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis auf die Weiteranwendung des Sozialversicherungsabkommens abgewiesen hatte.
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Hinsichtlich einer kosovarisch-serbischen Doppelbürgerschaft wurde festgehalten, aus der Tatsache, wonach die Republik Kosovo die multiple Staatsbürgerschaft zulasse, könne nicht abgeleitet werden, dass kosovarische Staatsangehörige ohne weiteres kosovarisch-serbische Doppelbürger seien. Ein Automatismus oder der Grundsatz, dass Personen aus dem Kosovo neben der Staatsangehörigkeit des Kosovos auch die serbische Staatsangehörigkeit besässen, sei zu verneinen. Dennoch könne das Vorliegen einer kosovarisch-serbischen Doppelbürgerschaft nicht ausgeschlossen werden. Eine solche sei indessen nicht nur überzeugend zu behaupten, sondern auch rechtsgenüglich zu belegen (BGE 139 V 263 E. 12.2 S. 285; vgl. auch BGE 139 V 335 E. 5.1 S. 337).
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4. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt sich ohne weiteres auf den hier zu beurteilenden Fall übertragen:
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Erwägung 4.1
 
4.1.1. Der Beschwerdegegner hat in seiner Anmeldung für eine Altersrente auf die Frage nach der Heimat "Kosovo" angegeben. Im Rahmen der Rentenprüfung hat er sodann seinen am 21. Januar 2009 ausgestellten Pass der Republik Kosovo sowie die am 6. Dezember 2010 ausgestellte Geburts- und die Heiratsurkunde eingereicht, woraus seine kosovarische Staatsangehörigkeit hervorgeht. Als die SAK den Rechtsvertreter des Beschwerdegegners am 31. Oktober 2012 ersuchte, innert 30 Tagen eine Nationalitätsbescheinigung einzureichen und ausdrücklich darauf hinwies, falls sein Mandant mehrere Nationalitäten habe, würden sie für jede eine separate Bescheinigung benötigen, reichte dieser lediglich eine Bescheinigung der kosovarischen Staatsbürgerschaft ein. Erst im Einspracheverfahren machte er - gestützt auf den Entscheid C-4828/2010 des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 2011 - geltend, kosovarisch-serbischer Doppelbürger zu sein. Die SAK erachtete den Nachweis einer serbischen Staatsbürgerschaft mit der eingereichten Staatsangehörigkeitsbescheinigung vom 8. Februar 2013 und der Kopie des am 5. Juni 2001 ausgestellten jugoslawischen Passes als nicht erbracht und verwies auf die Mitteilungen des BSV an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen Nr. 326 vom 20. Februar 2013 (nachfolgend: Mitteilungen Nr. 326), wonach Personen, die bei der Antragstellung die kosovarische Nationalität angeben, als solche behandelt werden und nachgeschobene Nachweise für die angebliche zusätzliche serbische Staatsangehörigkeit wie jugoslawische Pässe oder Staatsangehörigkeitsbescheinigungen einer serbischen Gemeinde - mit Ausnahme eines gültigen biometrischen Passes Serbiens ohne Vermerk "Koordinaciona Uprava" - grundsätzlich nicht akzeptiert werden.
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4.1.2. Entsprechend dem Grundsatz der "Aussage der ersten Stunde" (BGE 121 V 45 E. 2a S. 47 mit Hinweisen), wonach diese in der Regel unbefangener und zuverlässiger ist als spätere Darstellungen, die bewusst oder unbewusst von nachträglichen Überlegungen versicherungsrechtlicher oder anderer Art beeinflusst sein können, muss die behauptete serbische Staatsbürgerschaft als nachgeschoben qualifiziert werden und ist unbeachtlich, zumal der Beschwerdegegner als Passdokumente einzig den am 21. Januar 2009 ausgestellten kosovarischen Pass und den alten, bereits am 5. Juni 2001 ausgestellten jugoslawischen Pass einreichte. Das Bundesgericht hat aber einen Automatismus oder den Grundsatz, dass Personen aus dem Kosovo neben der Staatsangehörigkeit des Kosovos auch die serbische Staatsangehörigkeit besitzen, worauf die Einreichung des alten jugoslawischen Passes abzielt, verworfen (vgl. E. 3 hievor). Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner damit zu Recht allein als kosovarischen Staatsbürger betrachtet und es erübrigen sich Weiterungen zu den Mitteilungen Nr. 326 und dem dortigen Erfordernis des biometrischen serbischen Passes als einzig rechtsgenüglicher Nachweis der serbischen Staatsbürgerschaft.
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Erwägung 4.2
 
4.2.1. Was die zeitliche Geltung des Sozialversicherungsabkommens im Verhältnis zu Kosovo bis zum 31. März 2010 betrifft, ist für die Zusprache einer Altersrente der Eintritt des Versicherungsfalles, also das Erreichen des Rentenalters (Geburtstag) massgebend. Das Bundesgericht hat diese Handhabung, die mit dem auf den 1. Januar 2012 eingeführten Art. 18 Abs. 2
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4.2.2. Der Beschwerdegegner erreichte am 29. Juni 2011 das ordentliche Rentenalter von 65 Jahren (Art. 21 Abs. 1 lit. a AHVG), mithin in einem Zeitpunkt, in welchem das fragliche Sozialversicherungsabkommen im Verhältnis zu Kosovo nicht mehr anwendbar war, er aber noch in der Schweiz wohnte. Sein ab Juli 2011 bestehender Altersrentenanspruch beruhte damit auf dem erfüllten Wohnsitzerfordernis gemäss Art. 18 Abs. 2 AHVG (E. 2 hievor) und nicht auf der Anwendung des Sozialversicherungsabkommens. Mit dem Verlegen seines Wohnsitzes nach Kosovo fiel diese Voraussetzung dahin. Demnach verfügt der Beschwerdegegner nach seiner Wohnsitzverlegung nach Kosovo am 26. September 2013 über keinen Anspruch auf eine Altersrente mehr. Die Rückvergütung der Beiträge ist vorbehalten, wobei bereits bezogene Renten vom Rückvergütungsbetrag abzuziehen sind (Art. 4 Abs. 3 der Verordnung über die Rückvergütung der von Ausländern an die Alters- und Hinterlassenenversicherung bezahlten Beiträge; RV-AHV; SR 831.131.12). Der Anspruch verjährt mit dem Ablauf von fünf Jahren seit dem Versicherungsfall (Art. 7 RV-AHV), wobei es sich entgegen dem Wortlaut um eine Verwirkungsfrist handelt (Urteil 9C_847/2008 vom 21. August 2009 E. 1 mit weiteren Hinweisen). Anzufügen ist die Möglichkeit, dass die Schweiz dereinst ein neues Sozialversicherungsabkommen mit Kosovo abschliesst.
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5. Bei dieser Sach- und Rechtslage erweist sich die Beschwerde der SAK als begründet. Entsprechend gehen die Gerichtskosten zu Lasten des Beschwerdegegners (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni 2013 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der Schweizerischen Ausgleichskasse vom 10. April 2013 bestätigt.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 16. Dezember 2013
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Kernen
 
Die Gerichtsschreiberin: Helfenstein
 
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