VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2C_374/2013  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2C_374/2013 vom 08.01.2014
 
{T 0/2}
 
2C_374/2013
 
 
Urteil vom 8. Januar 2014
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Bundesrichter Kneubühler,
 
Gerichtsschreiber Zähndler.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Caterina Nägeli,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1.  Migrationsamt des Kantons Zürich, Berninastrasse 45, 8090 Zürich,
 
2.  Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich.
 
Gegenstand
 
Niederlassungsbewilligung (Widerruf) und Familiennachzug,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Kammer, vom 6. März 2013.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
Die eheliche Gemeinschaft zwischen X.________ und seiner türkischen Gattin endete spätestens im November 2006. Mit Urteil vom 14. Dezember 2009 wurde die Ehe von einem türkischen Gericht geschieden. Am 5. Januar 2011 heiratete X.________ im Kosovo eine Landsfrau. Mit dieser hat er zwei gemeinsame Töchter, welche im Oktober 1999 und im Juli 2001 geboren und somit beide nach der Verheiratung mit der in der Schweiz niederlassungsberechtigten Türkin gezeugt wurden. Am 26. Juli 2011 ersuchte X.________ um Nachzug der neuen kosovarischen Ehefrau sowie der gemeinsamen Kinder.
1
Mit Verfügung vom 4. Juli 2012 widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich die Niederlassungsbewilligung von X.________ und wies ihn aus der Schweiz weg. Gleichzeitig wies das Amt sein Familiennachzugsgesuch ab. Die von X.________ hiergegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos.
2
 
Erwägung 2
 
2.1. Nach Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. a AuG kann die Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn der Ausländer oder sein Vertreter im Bewilligungsverfahren falsche Angaben macht oder wesentliche Tatsachen verschweigt. Der Ausländer ist verpflichtet, den Behörden wahrheitsgetreu über alles Auskunft zu geben, was für den Bewilligungsentscheid massgebend sein kann (Art. 90 AuG). Wesentlich sind dabei nicht nur Umstände, nach denen die Fremdenpolizei ausdrücklich fragt, sondern auch solche, von denen der Gesuchsteller wissen muss, dass sie für den Bewilligungsentscheid massgeblich sein können (Urteile 2C_682/2012 vom 7. Februar 2013 E. 4.1; 2C_656/2011 vom 8. Mai 2012 E. 2.1). Als wesentlicher Umstand bei Gesuchen zum Verbleib beim in der Schweiz ansässigen Ehepartner bzw. bei der Ehepartnerin gilt gemäss ständiger Rechtsprechung insbesondere das Vorhandensein von vor- bzw. ausserehelichen Kindern (Urteil 2C_672/2013 vom 27. November 2013 E. 3.2 m.w.H.) oder das Bestehen einer stabilen ausserehelichen Beziehung (Urteil 2C_299/2012 vom 6. August 2012 E. 4.3). Die falsche Angabe oder das Verschweigen wesentlicher Tatsachen muss in der Absicht erfolgt sein, gestützt darauf den Aufenthalt oder die Niederlassung bewilligt zu erhalten. Indessen setzt ein Widerruf nicht voraus, dass die Bewilligung bei richtigen und vollständigen Angaben notwendigerweise zu verweigern gewesen wäre (Urteil 2C_837/2009 vom 27. Mai 2010 E. 2 m.w.H.).
3
2.2. Der Beschwerdeführer beruft sich vorab auf Art. 63 Abs. 2 AuG. Gemäss dieser Bestimmung kann die Niederlassungsbewilligung von Ausländern, die sich seit mehr als 15 Jahren ununterbrochen und ordnungsgemäss in der Schweiz aufhalten, nur aus Gründen von Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG (schwerwiegender Verstoss oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung) oder Art. 62 lit. b AuG (Verurteilung zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe) widerrufen werden. Demnach wäre nach Ablauf dieser Zeit ein Widerruf gestützt auf Art. 62 lit. a AuG wegen falscher Angaben oder Verschweigens wesentlicher Tatsachen nicht mehr möglich. Der Beschwerdeführer behauptet, dass diese Einschränkung hier zur Anwendung gelange, da er sich zum heutigen Tag seit mehr als 15 Jahren in der Schweiz aufhalte, wenn die Dauer der Asylverfahren mitgerechnet würde. Indes übersieht der Beschwerdeführer, dass für die Anwendbarkeit von Art. 63 Abs. 2 AuG das Datum der erstinstanzlichen Verfügung des Widerrufs und nicht jenes des letztinstanzlichen Rechtsmittelentscheids massgeblich ist (BGE 137 II 10 E. 4.2 S. 12). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist zudem der Aufenthalt als Asylbewerber nicht in die Berechnung der Aufenthaltszeit nach Art. 63 Abs. 2 AuG einzubeziehen, da sein Asylgesuch abgewiesen worden ist (BGE 137 II 10 E. 4.6 S. 16). Dies berücksichtigend, ergibt sich eine Aufenthaltsdauer von rund zwölfeinhalb Jahren (1. Dezember 1999 bis 4. Juli 2012). Art. 63 Abs. 2 AuG findet somit auf den vorliegenden Fall keine Anwendung.
4
2.3. Das Verwaltungsgericht erachtet es als erstellt, dass der Beschwerdeführer von der Geburt seiner ausserehelichen Kinder Kenntnis hatte, diese finanziell unterstützte und mit seiner zweiten Frau bereits während seiner ersten Ehe ein stabiles Verhältnis pflegte. Die Vorinstanz stützt sich dabei einerseits auf die ursprünglichen Ausführungen des Beschwerdeführers selbst sowie seiner zweiten Gattin. Andererseits bezieht sich das Verwaltungsgericht auf einen Kurzbericht der Schweizer Botschaft im Kosovo, aus welchem hervorgeht, dass die erste Tochter mit dem Familiennamen des Vaters ins Geburtenregister eingetragen worden sei. Zudem figuriere auch die Kindsmutter auf der Original-Geburtsurkunde mit dem Familiennamen des Beschwerdeführers. Aus diesem Grund, so der Bericht weiter, müsse davon ausgegangen werden, dass das Elternpaar schon vor der Geburt traditionell geheiratet habe.
5
2.4. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was die sachverhaltlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts als offensichtlich unrichtig - d.h. als geradezu willkürlich - erscheinen lassen würde. Seine Behauptung, die Kindsmutter hätte die kosovarischen Behörden bzgl. des einzutragenden Familiennamens getäuscht, erscheint jedenfalls als wenig glaubhaft und wird auch nicht durch objektive Belege gestützt. Gleiches gilt auch für den von ihm vertretenen Standpunkt, sein Vater habe die beiden Enkelinnen finanziell unterstützt, ohne ihn, den Beschwerdeführer, überhaupt von deren Existenz zu unterrichten. Soweit er auf eine vom 6. August 2012 datierende Bestätigung verweist, aus der hervorgehen soll, dass er bis zu diesem Datum noch keine Ehe eingegangen sei, ergibt sich die Unrichtigkeit dieser Bestätigung bereits aus dem unbestrittenen Umstand, dass er seine kosovarische Ehefrau spätestens am 5. Januar 2011 formell geheiratet hat. Nicht von entscheidender Bedeutung sind sodann die Äusserungen des Beschwerdeführers zum Wohnsitz seiner zweiten Ehefrau vor der Heirat. Ebenso wenig kommt es im vorliegenden Zusammenhang darauf an, ob die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und seiner ersten Frau als eigentliche Scheinehe zu bezeichnen ist oder nicht
6
2.5. Die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz bleiben somit für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 und Abs. 2 BGG). Hieraus erhellt ohne Weiteres, dass der Beschwerdeführer durch sein Verhalten den Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. a AuG erfüllt hat: Entgegen seiner Ansicht ist das Vorhandensein einer ausserehelichen Beziehung und von ausserehelichen Kindern im Heimatstaat in fremdenpolizeilicher Hinsicht von derart offensichtlicher Relevanz, dass dies selbst eine gänzlich rechtsunkundige Person erkennen muss (vgl. Urteile 2C_672/2013 vom 27. November 2013 E. 5.2; 2C_72/2009 vom 5. März 2009 E. 3.2 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer kann daher das Bestehen einer Täuschungsabsicht nicht mit Erfolg bestreiten.
7
2.6. Sodann erscheint der Bewilligungswiderruf auch als verhältnismässig: Der Beschwerdeführer ist im Kosovo aufgewachsen und hat dort die prägenden Kinder- und Jugendjahre verbracht. Neben seinen Eltern und Geschwistern leben auch seine heutige Ehefrau sowie die zwei gemeinsamen Töchter dort. Mit Sprache und Gepflogenheiten in seinem Heimatstaat ist er noch bestens vertraut. Wenn der Beschwerdeführer einwendet, dass die wirtschaftliche Lage im Kosovo schwieriger sei als in der Schweiz, mag dies zwar zutreffen, doch betrifft dies den Beschwerdeführer nicht alleine, sondern vielmehr die gesamte dort lebende Bevölkerung, weshalb diesem Umstand hier keine entscheidende Bedeutung zuzumessen ist. Gleiches gilt für den rund zwölfeinhalbjährigen ordnungsgemässen Aufenthalt in der Schweiz, war dieser doch darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer den Behörden seine effektive familiäre Situation verheimlichte.
8
2.7. Da die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers somit zu Recht widerrufen wurde, steht seiner zweiten Ehefrau sowie den gemeinsamen Kindern als Konsequenz ebenfalls kein (abgeleitetes) Anwesenheitsrecht zu. Aus diesem Grund erweist sich auch die Ablehnung des Gesuches um Familiennachzug als rechtens.
9
 
Erwägung 3
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Kammer, sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 8. Januar 2014
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Zähndler
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).