BGer 6B_380/2013 | |||
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BGer 6B_380/2013 vom 16.01.2014 | |
{T 0/2}
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6B_380/2013
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Urteil vom 16. Januar 2014 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Mathys, Präsident,
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Bundesrichter Schneider,
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Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
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Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
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Verfahrensbeteiligte | |
X.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Tim Walker,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Amt für Justizvollzug Graubünden, Gäuggelistrasse 16, 7001 Chur,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Verlängerung der ambulanten Massnahme nach Art. 63 StGB, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege,
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Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts von Graubünden, II. Strafkammer, vom 5. März 2013.
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Sachverhalt: |
A. | |
Das Kreisamt Schiers sprach X.________ am 10. Oktober 2007 wegen mehrfachen Fahrens ohne Führerausweis oder trotz Entzugs gemäss Art. 95 Ziff. 2 SVG sowie wegen Verletzung der Verkehrsregeln gemäss Art. 42 Abs. 1 SVG und 33 lit. b VRV in Verbindung mit Art. 90 Ziff. 1 SVG schuldig. Es büsste ihn mit Fr. 300.-- und ordnete eine ambulante Massnahme im Sinne von Art. 63 StGB an.
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X.________ liess sich vom 27. Juni 2007 bis zum 30. September 2011 von der Psychiaterin Dr. med. A.________ ambulant behandeln. Nach einer psychotischen Entgleisung und einem Therapieunterbruch von rund einem Monat setzte er die Massnahme bei Dr. med. B.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, fort. Infolge einer psychotischen Dekompensation wurde er vom 6. Februar 2012 bis zum 3. Mai 2012 stationär in der Klinik C.________ betreut. Nach seinem Klinikaustritt nahm X.________ die monatlichen Gesprächstermine bei seinem Therapeuten Dr. med. B.________ wieder auf.
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B. |
C. |
D. |
Erwägungen: |
Erwägung 1 |
Erwägung 2 |
Erwägung 3 |
Erwägung 4 | |
4.1. Der Beschwerdeführer wehrt sich gegen die Verlängerung der ambulanten Massnahme. Diese sei überflüssig und unverhältnismässig. Bereits die Auflage des Strassenverkehrsamts, sich regelmässig Depotspritzen verabreichen zu lassen, halte ihn von weiterer Delinquenz ab.
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4.2. Nach Art. 63 Abs. 4 StGB darf die ambulante Behandlung in der Regel nicht länger als fünf Jahre dauern. Erscheint bei Erreichen der Höchstdauer eine Fortführung der ambulanten Behandlung notwendig, um der Gefahr weiterer mit einer psychischen Störung in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen zu begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Behandlung um jeweils ein bis fünf Jahre verlängern. Eine solche Verlängerung ist bei Massnahmen gegenüber psychisch gestörten Tätern so oft möglich, wie dies erforderlich erscheint. Allerdings ist immer zu beachten, dass die Behandlung Aussicht auf Erfolg haben muss, der in der Verhütung von Delinquenz besteht. Mit zunehmender Dauer der Massnahme ist die Erforderlichkeit der Behandlung besonders zu begründen. Es lassen sich indessen durchaus Beispiele denken, welche längere Massnahmen und unter Umständen lebenslange Behandlungen erforderlich machen, wie beispielsweise die medikamentöse Behandlung von Schizophreniekranken (siehe MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Strafrecht I, 3. Aufl., 2013, Art. 63 Rz. 85).
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4.3. Die Vorinstanz stützt sich bei ihrem Entscheid auf die bei den Akten liegenden Therapieberichte von Dr. med. A.________ und Dr. med. B.________ vom 27. September 2011 und 11. Juli 2012. Beide Psychiater gehen davon aus, dass der Beschwerdeführer an einer schweren paranoiden Schizophrenie leidet und im Hinblick auf eine günstige Legalprognose weiterhin auf eine regelmässige und genügende Medikamentenabgabe in Kombination mit einer psychiatrischen Behandlung angewiesen ist. Eine Weiterführung der von den Fachärzten als adäquat und notwendig erachteten Massnahme auf freiwilliger Basis fällt nach der begründeten Auffassung der Vorinstanz ausser Betracht. Sie weist in diesem Zusammenhang auf die gemäss den Feststellungen der Fachärzte nur beschränkt vorhandene Einsicht des Beschwerdeführers in die Notwendigkeit einer weiteren medikamentösen Behandlung hin. Schon kurz nach dem Austritt aus der Klinik C.________ habe er eine Medikamentenreduktion gewünscht (Entscheid, S. 6). Vor diesem Hintergrund ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass nur die Verlängerung der ambulanten Massnahme als zweckmässig erscheint, um dem Beschwerdeführer die erforderliche Behandlung zu erweisen und die Legalprognose zu verbessern. Aus einer allfälligen Anordnung des Strassenverkehrsamtes, sich regelmässig Depotspritzen injizieren zu lassen, lässt sich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht ableiten, die Massnahmeverlängerung sei überflüssig und unverhältnismässig, da angesichts seiner beschränkten Einsicht in die Notwendigkeit der Therapie und Medikation nicht feststeht, dass er sich an die fragliche Auflage hielte. Inwiefern die Dauer der verlängerten Massnahme Bundesrecht verletzen könnte, ist im Übrigen nicht ersichtlich. Der angefochtene Entscheid ist nicht zu beanstanden.
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Erwägung 5 | |
5.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV. Als IV-Rentner könne er weder Prozess- noch Anwaltskosten finanzieren. Dennoch habe ihm die Vorinstanz die Verfahrenskosten auferlegt und verfügt, dass er die Kosten der amtlichen Verteidigung zu tragen habe.
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5.2. Nach Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, welche nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
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5.3. Die Vorinstanz hiess das Gesuch des Beschwerdeführers um amtliche Verteidigung im Sinne von Art. 132 ff. StPO gut. Sie auferlegte ihm die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach Massgabe seines Unterliegens. Bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr berücksichtigte sie seine wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Vorinstanz überband ihm auch die Kosten für die amtliche Verteidigung. Sie hielt aber fest, dass diese Kosten vorerst zu Lasten des Kantons gingen und aus der Gerichtskasse zu bezahlen seien. Sobald es die finanzielle Situation des Beschwerdeführers erlaube, habe er dem Kanton diese Kosten in Anwendung von Art. 135 Abs. 4 StPO zurückzuerstatten (Entscheid, S. 8).
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5.4. Dass die Vorinstanz dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach Massgabe seines Unterliegens gemäss Art. 428 Abs. 1 StPO auferlegt, ist bundesrechtskonform und steht auch mit Art. 29 Abs. 3 BV nicht in Widerspruch, weil sie seiner angespannten finanziellen Lage bei der Festsetzung der Kosten Rechnung trägt (vgl. im Übrigen auch Urteil 6B_758/2013 vom 11. November 2013 E. 3.2). Ebenfalls mit Art. 29 Abs. 3 BV vereinbar ist die bloss vorläufige Tragung der Kosten für die amtliche Verteidigung durch den Staat unter Vorbehalt der Rückforderung im Sinne von Art. 135 Abs. 4 StPO (vgl. BGE 135 I 91 E. 2; Urteil 6B_112/2012 vom 5. Juli 2012). Die verfassungsrechtliche Garantie von Art. 29 Abs. 3 BV gibt keinen Anspruch auf definitive Befreiung von diesen Kosten.
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Erwägung 6 |
Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 16. Januar 2014
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Mathys
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Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill
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