VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2C_710/2013  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2C_710/2013 vom 10.02.2014
 
{T 0/2}
 
2C_710/2013
 
 
Urteil vom 10. Februar 2014
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Gerichtsschreiber Klopfenstein.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.X.________,
 
2. B.X.________,
 
3. C.X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
alle drei vertreten durch Advokat Dieter Gysin,
 
gegen
 
Amt für Migration Basel-Landschaft,
 
Parkstrasse 3, 4402 Frenkendorf,
 
Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft, Regierungsgebäude, Rathausstrasse 2, 4410 Liestal.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 10. April 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
E.Y.________ verliess am 8. Juli 2011 zusammen mit der Tochter F.X.________ die eheliche Wohnung; seither lebt das Ehepaar getrennt, was ihnen mit Urteil des Bezirksgerichts Laufen vom 16. Dezember 2011 rückwirkend ab 8. Juli 2011 bewilligt wurde.
1
 
B.
 
 
C.
 
 
D.
 
Mit Verfügung des Präsidenten der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 23. August 2013 wurde der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
2
Das Kantonsgericht verzichtet auf Vernehmlassung. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft und das Bundesamt für Migration beantragen Abweisung der Beschwerde.
3
Mit Eingaben vom 30. August 2013, 2. Oktober 2013 und 22. November 2013 reichen die Beschwerdeführer weitere Unterlagen ein.
4
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG) ist zulässig, soweit auf die beantragte Bewilligung nach Bundesrecht oder Völkerrecht ein Rechtsanspruch besteht (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Die Vorinstanz hat einen auf Art. 42 oder 50 AuG gestützten Bewilligungsanspruch verneint, was die Beschwerdeführer nicht in Frage stellen. Sie berufen sich jedoch auf einen Anspruch gestützt auf Art. 8 EMRK. Aus dieser Bestimmung kann sich ein grundsätzlicher Anspruch auf Bewilligung ergeben, wenn der Ausländer eine intakte und gelebte familiäre Beziehung zu einer Person hat, die in der Schweiz ein gefestigtes Aufenthaltsrecht hat. Der Anspruch bezieht sich in erster Linie auf die Kernfamilie, d. h. Ehegatten und minderjährige Kinder. Der Beschwerdeführer 1 kann sich aufgrund der Beziehung zu seiner minderjährigen Tochter mit Schweizer Bürgerrecht auf Art. 8 EMRK berufen (BGE 120 Ib 1 E. 1d S. 260; 135 I 143 E. 1.3.2 S. 146). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist daher in Bezug auf ihn zulässig; ob die Voraussetzungen des geltend gemachten Rechtsanspruchs vorliegend erfüllt sind, ist eine Frage der materiellen Beurteilung (BGE 137 I 284 E. 1.3 S. 287; 305 E. 2.5 S. 315). Die Beschwerdeführer 2 und 3 berufen sich auf das Verhältnis zu ihrer Halbschwester (der Tochter des Beschwerdeführers 1); eine solche Beziehung steht jedoch nur ausnahmsweise unter dem Schutz von Art. 8 EMRK, wenn ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht (BGE 120 Ib 257 E. 1d S. 260 und seitherige ständige Praxis [zuletzt Urteil 2C_719/2013 vom 10. Dezember 2013 E. 2.4]). Ein solches besteht nach vorinstanzlicher Feststellung nicht und wird auch nicht geltend gemacht. Der minderjährige Beschwerdeführer 3 könnte sich auf die familiäre Beziehung zu seinem Vater, dem Beschwerdeführer 1, berufen, sofern dessen Bewilligungsanspruch zu bejahen sein wird; unter dieser Voraussetzung ist auch seine Beschwerde zulässig. Hingegen macht der volljährige Beschwerdeführer 2 kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Vater geltend, so dass er sich nicht auf Art. 8 EMRK berufen kann (BGE 137 I 154 E. 3.4.2 S. 159; 129 II 11 E. 2 S. 13). Auf seine Beschwerde kann daher nicht eingetreten werden.
5
1.2. Das Bundesgericht prüft frei die Anwendung von Bundesrecht mit Einschluss des Verfassungs- und Völkerrechts (Art. 95 lit. a und b BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat; es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig (d. h. willkürlich) ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Solche Mängel müssen in der Beschwerde rechtsgenüglich gerügt werden (Art. 106 Abs. 2 BGG).
6
1.3. Die Beschwerdeschrift muss samt Begründung und Beilagen innert der nicht erstreckbaren Beschwerdefrist eingereicht werden (Art. 42 Abs. 1-3 und Art. 100 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Echte Noven, das heisst solche Tatsachen, die erst nach dem angefochtenen Entscheid aufgetreten sind, können nicht durch den angefochtenen Entscheid veranlasst sein und sind deshalb unzulässig (BGE 133 IV 342 E. 2.1 S. 344). Die mit der Beschwerde und den nachträglichen Eingaben vom 30. August 2013, 2. Oktober 2013 und 22. November 2013 eingereichten Unterlagen sind allesamt späteren Datums als das angefochtene Urteil und deshalb unzulässig.
7
 
Erwägung 2
 
2.1. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz steht die Tochter F.X.________ aufgrund des Urteils des Bezirksgerichts Laufen vom 16. Dezember 2011 unter der Obhut der Mutter. Der nicht obhutsberechtigte ausländische Elternteil kann die familiäre Beziehung mit seinem Kind von vornherein nur in beschränktem Rahmen pflegen, nämlich durch Ausübung des ihm eingeräumten Besuchsrechts. Um dieses wahrnehmen zu können, ist es in der Regel nicht erforderlich, dass der ausländische Elternteil dauerhaft im selben Land wie das Kind lebt und dort über ein Anwesenheitsrecht verfügt. Unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf Familienleben (Art. 8 Ziff. 1 EMRK sowie Art. 13 Abs. 1 BV) ist es grundsätzlich ausreichend, wenn das Besuchsrecht im Rahmen von Kurzaufenthalten vom Ausland her ausgeübt werden kann, wobei allenfalls die Modalitäten des Besuchsrechts entsprechend auszugestalten sind. Gemäss der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts kann ein weitergehender Anspruch nur dann in Betracht fallen, wenn in wirtschaftlicher und affektiver Hinsicht eine besonders enge Beziehung zum Kind besteht, diese Beziehung wegen der Distanz zum Heimatland des Ausländers praktisch nicht aufrechterhalten werden könnte und das bisherige Verhalten des Ausländers in der Schweiz zu keinerlei Klagen Anlass gegeben hat (sog. "tadelloses Verhalten"; BGE 120 Ib 1 E. 3c S. 5; 120 Ib 22 E. 4 S. 24 ff.; Urteile 2C_1231/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 3.3; 2C_858/2012 vom 8. November 2012 E. 2.2; 2C_751/2012 vom 16. August 2012 E. 2.3). Bei bereits in der Schweiz ansässigen besuchsberechtigten Elternteile ist das Erfordernis der besonderen Intensität der affektiven Beziehung bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn der persönliche Kontakt im Rahmen eines nach heutigem Massstab üblichen Besuchsrechts kontinuierlich und reibungslos ausgeübt wird (Urteil 2C_1112/2012 vom 14. Juni 2013 E. 2.4 und 2.5, zur Publikation vorgesehen).
8
2.2. Nach den Feststellungen der Vorinstanz wurde dem Beschwerdeführer 1 mit dem Urteil vom 16. Dezember 2011 ein begleitetes Besuchsrecht von 4 Stunden alle zwei Wochen eingeräumt, das ab 15. September 2012 für jeweils zwei Stunden alle vier Wochen wahrgenommen werden konnte. Seit der gerichtlichen Trennung bis September 2012 besteht kein Kontakt zwischen Tochter und Beschwerdeführer 1. Dieser hat auch kein Ferienrecht. Der Beschwerdeführer 1 ist nicht in der Lage, seine Tochter finanziell zu unterstützen, da er seit der Trennung von der Ehefrau auf Sozialhilfe angewiesen ist. Die Vorinstanz folgert daraus, es fehle sowohl in affektiver als auch in wirtschaftlicher Beziehung an einer engen Beziehung des Beschwerdeführers 1 zu seiner Tochter.
9
2.3. Unter diesen Umständen, die sachverhaltlich von den Beschwerdeführern nicht in Frage gestellt werden und für das Bundesgericht verbindlich sind (E. 1.2), hat die Vorinstanz entsprechend der Praxis des Bundesgerichts mit Recht einen Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung verneint: Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat das Bundesgericht in seiner neusten Rechtsprechung nicht die verlangte Voraussetzung der besonders engen Beziehung gelockert oder relativiert: Es hat nur diese Voraussetzung angesichts der heute grosszügigeren Besuchsregelungen dahin präzisiert, dass das Erfordernis der besonderen Intensität der affektiven Beziehung bereits dann als erfüllt anzusehen ist, wenn der persönliche Kontakt im Rahmen eines nach heutigem Massstab üblichen Besuchsrechts ausgeübt wird; die übrigen Voraussetzungen bleiben unverändert, namentlich die Voraussetzung, dass auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine besonders intensive Beziehung zwischen dem Kind und dem nicht sorgeberechtigten Elternteil besteht, d. h. dass letzterer eine signifikante finanzielle Unterstützung an das Kind leistet (zit. Urteil 2C_1112/2012 E. 2.5 und 2.6). Vorliegend ist das Besuchsrecht deutlich unterdurchschnittlich und eine wirtschaftlich besonders enge Beziehung besteht offensichtlich nicht. Dass sich die Beschwerdeführer wohl verhalten haben und aktuell offenbar nicht mehr sozialhilfeabhängig sind, genügt nicht, um einen Anspruch zu begründen.
10
2.4. Die EMRK garantiert sodann grundsätzlich keinen Anspruch auf Aufenthalt in einem Konventionsstaat und kein Recht auf Wahl des für das Familienleben am geeignetsten erscheinenden Ort; auch wenn in der staatlichen Fernhaltemassnahme ein Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Familienleben liegt, ist dieser unter den in Art. 8 Ziff. 2 EMRK genannten Voraussetzungen zulässig, wobei als zulässiges öffentliches Interesse auch das Durchsetzen einer restriktiven Einwanderungspolitik (vgl. Art. 20 AuG) in Betracht fällt (BGE 137 I 247 E. 4.1 S. 249, 284 E. 2.1 S. 287 f.), namentlich auch gegenüber nicht sorge- oder obhutsberechtigten Elternteilen von Kindern mit Schweizer Bürgerrecht (Urteile 2C_996/2011 vom 26. Juni 2012 E. 3.2; 2C_406/2012 vom 22. Oktober 2012 E. 4.2; 2C_769/2012 vom 22. Oktober 2012 E. 3.4; 2C_1045/2012 vom 7. Januar 2013 E. 2.3.1; 2C_235/2012 vom 13. März 2013 E. 2.1; 2C_1142/2012 vom 14. März 2013 E. 3.5). Auch nach der Praxis des EGMR gibt es keinen allgemeinen Anspruch darauf, dass ausländische Elternteile eine Aufenthaltsbewilligung erhalten, um bei ihrem inländischen Kind leben zu können (vgl. etwa Urteile 
11
 
Erwägung 3
 
 
Erwägung 4
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Auf die Beschwerde wird in Bezug auf den Beschwerdeführer 2 nicht eingetreten.
 
2. Die Beschwerde wird in Bezug auf die Beschwerdeführer 1 und 3 abgewiesen.
 
3. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
4. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern  auferlegt.
 
5. Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Amt für Migration Basel-Landschaft, dem Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 10. Februar 2014
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).