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Informationen zum Dokument  BGer 8C_44/2014  Materielle Begründung
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BGer 8C_44/2014 vom 09.04.2014
 
8C_44/2014 {T 0/2}
 
 
Urteil vom 9. April 2014
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
 
Bundesrichter Ursprung, Maillard,
 
Gerichtsschreiberin Durizzo.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
B.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Walter Keller,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG, Bleicherweg 19, 8002 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Invalidenrente, Revision),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 11. November 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
A. B.________, geboren 1954, führte ein Reinigungsunternehmen, als sie sich am 6. November 1993 als Beifahrerin bei einer Heckauffahrkollision auf ihr vor einer Lichtsignalanlage stehendes Auto ein Schleudertrauma zuzog. Die Elvia, heute Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Allianz), bei welcher B.________ für die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert war, erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Nachdem sie Berichte der behandelnden Ärzte eingeholt und eine neurologische Untersuchung durch Dr. med. W.________ veranlasst hatte, einigte sich die Allianz mit der Versicherten vergleichsweise hinsichtlich der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und Erwerbseinbusse, anerkannte gestützt darauf einen Invaliditätsgrad von 50% und sprach B.________ mit Verfügung vom 3. November 1997 eine entsprechende Invalidenrente sowie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 40% zu. Im September 2009 leitete die Allianz ein Revisionsverfahren ein und liess die Versicherte durch das Zentrum X.________ abklären. Gestützt auf das Gutachten vom 12. November 2010 hob sie die Invalidenrente per 1. August 2011 auf (Verfügung vom 9. August 2011 und Einspracheentscheid vom 14. Dezember 2011).
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 11. November 2013 ab.
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C. B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihr auch über den 1. August 2011 hinaus eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 50% zuzusprechen.
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Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).
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1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
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2. Das kantonale Gericht hat die für den Rentenanspruch massgeblichen Bestimmungen und Grundsätze zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
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3. Nach eingehender und sorgfältiger Würdigung der medizinischen Unterlagen für die ursprüngliche Rentenzusprechung und für die hier zu überprüfende Aufhebungsverfügung hat die Vorinstanz erkannt, dass das Gutachten des Zentrums X.________ voll beweiskräftig und gestützt darauf bei Bescheinigung einer 100%igen Arbeitsfähigkeit eine rentenrelevante Verbesserung des Gesundheitszustandes ausgewiesen sei. Demgegenüber macht die Beschwerdeführerin sinngemäss im Wesentlichen geltend, dass sich seit der ursprünglichen Rentenzusprechung eine Verbesserung der Kopf- und Nackenschmerzproblematik sowie im neuropsychologischen Bereich nicht eingestellt habe und eine erhebliche Veränderung auch anhand des Gutachtens und der vorinstanzlichen Erwägungen nicht schlüssig auszumachen sei. Auch wenn diese Beschwerden organisch objektiv nicht ausgewiesen seien, sei entgegen der vorinstanzlichen Auffassung allein mit dem Attest einer 100%igen Arbeitsfähigkeit durch die Gutachter weder ein zwischenzeitliches Dahinfallen der natürlichen Kausalität noch eine erhebliche Verbesserung des Gesundheitszustandes zu begründen. Dem nach ausführlicher eigener Interpretation der gutachtlichen Ausführungen erhobenen Einwand der Beschwerdeführerin, dass sich das Gutachten des Zentrums X.________ im Ergebnis darin erschöpfe, einen unveränderten Sachverhalt neu und anders zu beurteilen, kann indessen nicht gefolgt werden.
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Erwägung 4
 
4.1. Die Beschwerdegegnerin hatte mit Verfügung vom 3. November 1997 ihre Leistungspflicht für das Unfallereignis vom 6. November 1993 anerkannt und der Versicherten zufolge der Distorsion der Halswirbelsäule, welche sie sich dabei zugezogen hatte, und der anhaltenden, für eine solche Verletzung typischen Beschwerden eine Invalidenrente zugesprochen. Damit haftete sie gemäss der sogenannten Schleudertrauma-Praxis für ein "buntes" Beschwerdebild, welches - ausgehend von den Ergebnissen der medizinischen Forschung - einem Unfall mit Schleudertrauma der Halswirbelsäule zugeschrieben werden und eine Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeit verursachen kann, auch wenn die festgestellten Funktionsausfälle organisch nicht nachweisbar sind (SVR 2010 UV Nr. 30 S. 120, 8C_537/2009 E. 6.2). Dass organische Unfallfolgen objektiv nicht ausgewiesen seien, bestätigte sich nunmehr auch anhand der Begutachtung durch das Zentrum X.________, was beschwerdeweise nicht bestritten wird.
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4.2. Anlässlich der Begutachtung durch das Zentrum X.________ klagte die Beschwerdeführerin wie bereits bei der ursprünglichen Rentenzusprechung über starke Kopf- und Nackenschmerzen, kognitive Defizite (namentlich rasche Ermüdbarkeit und Konzentrationsstörungen) und eine damit verbundene fehlende Leistungsfähigkeit, und es wurde auch weiterhin eine beträchtliche Einschränkung der Beweglichkeit der Halswirbelsäule beobachtet. Für die Beurteilung der Revisionsvoraussetzungen entscheidwesentlich ist indessen, dass sich eine unfallbedingte Beeinträchtigung anhand der umfangreichen gutachtlichen Untersuchungen, welche insoweit beschwerdeweise nicht beanstandet werden, keine Befunde mehr erhoben werden konnten, welche 17 Jahre nach dem Unfall eine dadurch bedingte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit noch zu erklären vermöchten. Ausschlaggebend ist diesbezüglich zunächst die gutachtliche Einschätzung, wonach die früheren Beschwerden vorwiegend muskulär begründet worden seien. Muskulär bedingte Befunde seien prinzipiell reversibel, sofern nicht in der MRI-Untersuchung ein nekrotisch bedingter Muskeluntergang nachgewiesen würde, der zu entsprechenden Narben geführt hätte, was bei der Beschwerdeführerin nicht der Fall sei. Hinsichtlich der geltend gemachten neuropsychologischen Defizite führten die Gutachter aus, dass klinisch bei der aktuellen Abklärung zu keinem Zeitpunkt (während der von etwa acht bis 17.30 Uhr dauernden Untersuchungen) fassbare kognitive Störungen oder Einschränkungen der Belastbarkeit zu verzeichnen, die neuropsychologischen Testergebnisse jedoch durch teilweise schwerstgradig ausgeprägte Minderleistungen gekennzeichnet gewesen seien. Dies würde indessen eine erhebliche hirnorganische Pathologie voraussetzen, welche bei der Beschwerdeführerin anhand der MRI-Untersuchung fehle, und wäre auch nicht vereinbar mit dem klinisch intakten kognitiven und affektiven Eindruck, den die Gutachter von der Versicherten gewonnen hätten, und mit ihrem tatsächlichen Funktionsniveau in dem von ihr geschilderten Alltag. Es kann im Übrigen auf die zutreffenden Erwägungen des kantonalen Gerichts verwiesen werden.
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4.3. Was die Beschwerdeführerin letztinstanzlich im Einzelnen dagegen vorbringt, vermag an der vorinstanzlichen Beurteilung nichts zu ändern.
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Soweit sie sich auf die subjektiv unveränderten Kopf- und Nackenschmerzen beruft, erachtet sie diese als verursacht durch Befunde an der Nackenmuskulatur, welche zu einer eingeschränkten Beweglichkeit der Halswirbelsäule führten. Dazu haben sich die Gutachter, wie bereits dargelegt, ausdrücklich geäussert.
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Hinsichtlich der kognitiven Defizite erachtet die Beschwerdeführerin die von den Gutachtern genannten Inkonsistenzen als nicht schlüssig begründet, denn es sei bei Distorsionen der Halswirbelsäule nicht aussergewöhnlich, dass zwar Aufmerksamkeit und Konzentration erheblich eingeschränkt seien, bei den exekutiven Funktionen jedoch keine Auffälligkeiten bestünden. Indessen ergaben sich gemäss den gutachtlichen Ausführungen Inkonsistenzen namentlich auch innerhalb ihrer Prüfung der Aufmerksamkeit und Konzentration, indem bei einfachen Aufgaben deutlich schlechtere Ergebnisse erbracht worden seien als bei komplexeren Aufmerksamkeits- und Konzentrationsaufgaben, was neuropsychologisch nicht plausibel sei. Ausschlaggebend ist, dass die bei der expliziten Erfassung der psychomotorischen Reaktionszeiten gezeigte deutliche Verlangsamung, wie sie bei schwerer Hirnverletzung zu beobachten wäre, bei der verdeckten Miterfassung bei einer anderen Aufgabe nicht habe bestätigt werden können. Die für die Beurteilung der Gedächtnisfähigkeit entscheidenden Leistungen hätten im Normalbereich gelegen. Insgesamt ist entscheidwesentlich, dass sich kognitive Defizite, welche nach ärztlicher Einschätzung bei der ursprünglichen Rentenzusprechung die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt haben, anhand der aktuellen neuropsychologischen Testung gemäss Gutachten nicht mehr bestätigen liessen.
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Die Versicherte äussert sich weiter zu ihren unfallfremden lumbalen und degenerativen Beschwerden an der Halswirbelsäule, welche nach den vorinstanzlichen Erwägungen seit der ursprünglichen Rentenzusprechung in den Vordergrund getreten seien. Diesem Aspekt kommt mit Blick auf das zu den Kopf- und Nackenbeschwerden sowie zu den kognitiven Defiziten Ausgeführte keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Gleiches gilt hinsichtlich der Einwände der Beschwerdeführerin zu den festgestellten zunehmenden degenerativen Veränderungen an der Halswirbelsäule.
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4.4. Mit dem kantonalen Gericht ist damit auf das Gutachten des Instituts X.________ abzustellen und von einer vollen Arbeitsfähigkeit und damit einer rentenerheblichen Verbesserung des Gesundheitszustandes seit der ursprünglichen Rentenverfügung auszugehen. Die von der Vorinstanz ermittelten erwerblichen Auswirkungen werden nicht beanstandet und geben keinen Anlass zu Weiterungen.
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5. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 9. April 2014
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Leuzinger
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo
 
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