VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 1C_281/2014  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 1C_281/2014 vom 07.07.2014
 
{T 0/2}
 
1C_281/2014
 
 
Urteil vom 7. Juli 2014
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Aemisegger, Merkli
 
Gerichtsschreiber Haag.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.________,
 
2. B.________,
 
3. C.________,
 
4. D.O.________,
 
5. E.P.________,
 
6. F.P.________,
 
7. G.N.________ O.________,
 
8. H.________,
 
9. I.________,
 
10. J.________,
 
11. K.________,
 
12. L.________,
 
13. M.________,
 
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwalt Hans-Jacob Heitz,
 
gegen
 
Regierungsrat des Kantons Thurgau, Staatskanzlei, Regierungsgebäude, 8510 Frauenfeld Kant. Verwaltung,
 
Schweizerische Bundeskanzlei, Bundeshaus West, 3003 Bern.
 
Gegenstand
 
Eidgenössische Volksabstimmung vom 18. Mai 2014 über die medizinische Grundversorgung,
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 27. Mai 2014 des Regierungsrats des Kantons Thurgau.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Am 18. Mai 2014 kam der Bundesbeschluss über die medizinische Grundversorgung (neuer Art. 117a BV) als direkter Gegenentwurf zur zurückgezogenen Volksinitiative "Ja zur Hausarztmedizin" zur Abstimmung. Die Vorlage wurde gesamtschweizerisch mit 2'478'470 Ja-Stimmen (88 Prozent) zu 337'240 Nein-Stimmen (12 Prozent) angenommen (vgl. vorläufiges amtliches Endergebnis: http://www.admin.ch/ ch/d/pore/va/20140518/det581.html, besucht am 29. Juni 2014).
1
Mit Eingabe vom 16. Mai 2014 reichten die im Rubrum des vorliegenden Entscheids genannten Personen beim Regierungsrat des Kantons Thurgau eine Abstimmungsbeschwerde ein und stellten folgende Anträge:
2
"1. Es sei die Verletzung der Abstimmungsfreiheit aus BV Art. 34 Abs. 2 festzustellen;
3
2. (vorsorglich) es sei die Volksabstimmung zum Bundesbeschluss über die medizinische Grundversorgung in allen Kantonen, eventuell im Kanton Thurgau auszusetzen; und
4
3.es seien
5
3.1. der Beschluss des Regierungsrates über die Ergebnisse der eidgenössischen Abstimmung vom 18. Mai 2014 zum Bundesbeschluss über die medizinische Grundversorgung;
6
3.2. die Erwahrung des Ergebnisses der eidgenössischen Abstimmung vom 18. Mai 2014 zum Bundesbeschluss über die medizinische Grundversorgung
7
solange auszusetzen, bis das Bundesgericht als Rechtsmittelinstanz rechtskräftig über diese Beschwerde entschieden hat;
8
4.es sei die eidgenössische Abstimmung über den Bundesbeschluss über die medizinische Grundversorgung in allen Kantonen, eventuell nur im Kanton Thurgau als ungültig zu erklären;
9
5.eventualiter sei die Abstimmung über den Bundesbeschluss über die medizinische Grundversorgung in allen Kantonen, eventuell nur im Kanton Thurgau neu anzusetzen;
10
6. ohne Kostenfolge zulasten Beschwerdeführer."
11
B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 27. Mai 2014 an das Bundesgericht beantragen die im Rubrum des vorliegenden Entscheids genannten Beschwerdeführer unter anderem, der Beschluss des Regierungsrats des Kantons Zürich vom 21. Mai 2014 (recte: des Regierungsrats des Kantons Thurgau vom 27. Mai 2014) sei aufzuheben, es sei die Verletzung der Abstimmungsfreiheit nach Art. 34 Abs. 2 BV festzustellen, die eidgenössische Abstimmung über den Bundesbeschluss über die medizinische Grundversorgung sei in allen Kantonen als ungültig zu erklären und eventualiter sei die Abstimmung über den Bundesbeschluss über die medizinische Grundversorgung in allen Kantonen neu anzusetzen bzw. zu wiederholen.
12
Die Beschwerdeführer kritisieren insbesondere, dass der Bundesrat am 14. Mai 2014 kurz vor der Abstimmung die Vernehmlassung zu einem Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über das Zentrum für Qualität in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung eröffnet und dadurch die Meinungsbildung der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger einseitig beeinflusst habe.
13
C. Mit Schreiben vom 6. Juni 2014 forderte das Bundesgericht die Beschwerdeführer zur Leistung eines Kostenvorschusses auf (Art. 62 Abs. 1 BGG), worauf die Beschwerdeführer am 19. Juni 2014 um Wiederwägung der Einforderung des Kostenvorschusses ersuchten. Den Kostenvorschuss leisteten sie nicht. Stattdessen stellten sie den Antrag, es sei für die fünf Beschwerden der Dossiers 1C_279/2014, 1C_280/2014, 1C_281/2014, 1C_282/2014 und 1C_283/2014 ein einziger vorsorglicher Kostenvorschuss von insgesamt Fr. 3'000.--, eventuell Fr. 5'000.--, festzusetzen. Unter Vorbehalt dieses Wiedererwägungsantrags erklärten die Beschwerdeführer des vorliegenden Verfahrens betreffend den Kanton Thurgau den Rückzug der Beschwerde.
14
 
Erwägungen:
 
1. Die Beschwerdeführer verlangen die Vereinigung des vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahrens mit den Verfahren 1C_279/2014, 1C_280/2014, 1C_282/2014 und 1C_283/2014. Diese Beschwerdeverfahren betreffen die Durchführung derselben eidgenössischen Abstimmung in anderen Kantonen. Den Beschwerden liegen jedoch jeweils andere Entscheide der jeweiligen Kantonsregierung zugrunde. Angesichts der unterschiedlichen Begründung der kantonalen Entscheide und des Rückzugs von zwei der fünf Beschwerden erscheint die Verfahrensvereinigung nicht als zweckmässig.
15
2. Die Beschwerdeführer haben die Beschwerde zurückgezogen unter dem Vorbehalt ihres Wiedererwägungsantrags zur Erhebung eines gesamthaften Kostenvorschusses für die Verfahren 1C_279/2014, 1C_280/2014, 1C_281/2014, 1C_282/2014 und 1C_283/2014. Der bedingte Rückzug eines Rechtsmittels ist indessen grundsätzlich ausgeschlossen (BGE 111 V 58 E. 1; 111 V 156 E. 3a; MATTHIAS HÄRRI, in: Bundesgerichtsgesetz, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2011, N. 16 zu Art. 32 mit weiteren Hinweisen). Da die Beschwerdeführer innert der Zahlungsfrist die Wiedererwägung der Kostenvorschussverfügung beantragten, kann die Beschwerde trotz des nicht geleisteten Kostenvorschusses behandelt werden.
16
3. Die Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss der Kantonsregierung in Bezug auf die Vorbereitung einer eidgenössischen Volksabstimmung. Es handelt sich damit um eine Stimmrechtsbeschwerde im Sinne von Art. 82 lit. c BGG (s. auch Art. 80 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte [BPR; SR 161.1]). Der kantonale Instanzenzug gemäss Art. 88 Abs. 1 lit. b BGG ist ausgeschöpft. Die Beschwerdeführer sind im Kanton Thurgau stimmberechtigt und nach Art. 89 Abs. 3 BGG zur Beschwerde legitimiert.
17
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind Mängel hinsichtlich von Vorbereitungshandlungen im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen sofort und vor Durchführung des Urnenganges zu rügen. Diese Praxis bezweckt, dass Mängel möglichst noch vor der Wahl oder Abstimmung behoben werden können und der Urnengang nicht wiederholt zu werden braucht (Urteil des Bundesgerichts 1C_217/2008 vom 3. Dezember 2008 E. 1.2, in: ZBl 111/2010 S. 162; BGE 118 Ia 271 E. 1d S. 274; 118 Ia 415 E. 2a S. 417; 110 Ia 176 E. 2a S. 178 ff.). Wird der Urnengang während der Hängigkeit eines Anfechtungsverfahrens durchgeführt, so wird die gegen eine Vorbereitungshandlung gerichtete Beschwerde so verstanden, dass sinngemäss auch der Antrag auf Aufhebung der Wahl oder Abstimmung selber gestellt wird (BGE 105 Ia 149 E. 2 S. 150; 110 Ia 176 E. 2b S. 180; 113 Ia 46 E. 1c S. 50; 116 Ia 359 E. 2c S. 364; Urteil 1C_217/2008 vom 3. Dezember 2008 E. 1.2, in: ZBl 111/2010 S. 162). Der in der Beschwerde gestellte Antrag, die beanstandete Abstimmung sei aufzuheben, ist zulässig (vgl. BGE 138 I 61 E. 3.2 S. 70).
18
4. Angesichts der sehr klaren Annahme der umstrittenen Vorlage in allen Kantonen mit einem Ja-Stimmen-Anteil von insgesamt 88% der Stimmenden ist nicht davon auszugehen, dass die Abstimmung ohne die behauptete angebliche Unregelmässigkeit zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Daran ändern die Rügen der Beschwerdeführer nichts. Ihren Anträgen kann nicht entsprochen werden. Die Beschwerde ist somit abzuweisen.
19
5. Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten den unterliegenden Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit aufzuerlegen (Art. 66 BGG). Da sich in weiteren Verfahren betreffend dieselbe Abstimmung (E. 1 hiervor) ähnliche Fragen stellen, ist die Erhebung reduzierter Gerichtskosten angebracht. Es sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 68 BGG).
20
6. Aufgrund des Entscheids in der Sache wird das Wiedererwägungsgesuch in Bezug auf den eingeforderten Kostenvorschuss gegenstandslos.
21
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Schweizerischen Bundeskanzlei und dem Regierungsrat des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 7. Juli 2014
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Haag
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).