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Informationen zum Dokument  BGer 9C_152/2014  Materielle Begründung
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BGer 9C_152/2014 vom 21.07.2014
 
{T 0/2}
 
9C_152/2014
 
 
Urteil vom 21. Juli 2014
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Kernen, Präsident,
 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
 
Gerichtsschreiberin Dormann.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Jan Herrmann,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 9. Dezember 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Mit Verfügungen vom 9. Februar 2006 sprach die IV-Stelle Basel-Stadt dem 1961 geborenen A.________ eine ganze Rente der Invalidenversicherung (nebst Zusatzrenten für Kinder) ab 1. Januar 2004 bei einem Invaliditätsgrad von 100 % zu. Im März 2011 leitete sie ein Revisionsverfahren ein. Nach Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens ermittelte die IV-Stelle mit Verfügung vom 22. März 2013 einen Invaliditätsgrad von 36 % und hob die bisherige ganze Invalidenrente auf das Ende des der Zustellung folgenden Monats auf.
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B. Mit Entscheid vom 9. Dezember 2013 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt die Beschwerde des A.________ gut, hob die Verfügung vom 22. März 2013 auf und sprach dem Versicherten eine Viertelsrente ab 1. Mai 2013 zu.
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C. Die IV-Stelle beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, der Entscheid vom 9. Dezember 2013 sei aufzuheben und die Verfügung vom 22. März 2013 zu bestätigen.
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A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.
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Erwägungen:
 
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2. Die Vorinstanz hat implizite eine Verbesserung des Gesundheitszustandes und der Arbeitsfähigkeit seit der ursprünglichen Rentenzusprache festgestellt. Gestützt auf das Gutachten des Dr. med. B.________, Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, und des Dr. med. C.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 17. Oktober 2011 hat sie eine Arbeitsfähigkeit von nunmehr 70 % festgestellt. Für den Einkommensvergleich hat sie das Valideneinkommen auf Fr. 73'245.- und das Invalideneinkommen auf Fr. 41'077.05 resp. Fr. 38'915.10 (bei einem Tabellenlohnabzug von 5 resp. 10 %) festgesetzt. Beim resultierenden Invaliditätsgrad von 44 resp. 47 % hat sie den Anspruch auf eine Viertelsrente bejaht.
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Beide Gutachter attestierten in ihrem jeweiligen Fachgebiet eine Leistungseinschränkung von 20 %; gesamtheitlich veranschlagten sie die Arbeitsunfähigkeit auf 30 %. Streitig und zu prüfen ist, ob diese Arbeitsfähigkeitsschätzung den rechtlichen Anforderungen standhält.
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Erwägung 3
 
 
Erwägung 3.1
 
3.1.1. Bei der Beurteilung der Arbeits (un) fähigkeit stützt sich die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen, die von ärztlichen und gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Aufgabe des Arztes oder der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E.5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis).
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3.1.2. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG [SR 830.1]; vgl. BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen) darf sich die Verwaltung - und im Streitfall das Gericht - weder über die (den beweisrechtlichen Anforderungen genügenden) medizinischen Tatsachenfeststellungen hinwegsetzen noch sich die ärztlichen Einschätzungen und Schlussfolgerungen zur (Rest-) Arbeitsfähigkeit unbesehen ihrer konkreten sozialversicherungsrechtlichen Relevanz und Tragweite zu eigen machen. Die rechtsanwendenden Behörden haben diesfalls mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob die ärztliche Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit auch invaliditätsfremde Gesichtspunkte (insbesondere psychosoziale und soziokulturelle Belastungsfaktoren) mitberücksichtigt, die vom invaliditätsrechtlichen Standpunkt aus unbeachtlich sind (vgl. BGE 130 V 352 E. 2.2.5 S. 355 f.; 127 V 294 E. 5a S. 299; SVR 2012 IV Nr. 22 S. 95, 8C_302/2011 E. 2.5.1). Wo psychosoziale Einflüsse das Bild prägen, ist bei der Annahme einer rentenbegründenden Invalidität Zurückhaltung geboten (BGE 127 V 294 E. 5a S. 299; Urteile 9C_936/2012 vom 7. Juni 2013 E. 3.2; 9C_2010/2012 vom 9. Juli 2012 E. 3.3.2; vgl. insbesondere zur Aufgabenteilung zwischen rechtsanwendender Stelle und begutachtender Arztperson das zur Publikation in der amtlichen Sammlung bestimmte Urteil 9C_850/2013 vom 12. Juni 2014 E. 3.1 und 3.2)
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3.2. In somatischer Hinsicht diagnostizierte der Gutachter mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit einzig ein chronisches Schmerzsyndrom (ICD-10: M54.5). Er verwies dabei insbesondere auf die deutliche Diskrepanz zwischen den subjektiv geschilderten Beschwerden und der Behinderungsüberzeugung einerseits und den tatsächlichen objektiven Befunden anderseits. Für schwere und mittelschwere, das Achsenskelett belastende Tätigkeiten erachtete er den Versicherten als vollständig arbeitsunfähig; für leidensangepasste Tätigkeiten attestierte er eine "Leistungsminderung" von 20 %, was er "vor allem auch durch die Tatsache des langjährigen Schmerzverlaufs mit sich abzeichnender Chronifizierung und Schmerzfehlverarbeitung" erklärte, während die früher beschriebene lumboradikuläre Reizproblematik und eine Neurokompression nicht mehr vorlägen.
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Bei diesen Gegebenheiten stellt sich die Frage, ob das Leiden durch ein organisches Korrelat erklärbar ist, oder ob nicht vielmehr die ärztliche Arbeitsfähigkeitsschätzung an der Rechtsprechung zu somatoformen Schmerzstörungen und damit vergleichbaren syndromalen Leidenszuständen (BGE 136 V 279 E. 3 S. 280 ff.; 130 V 352 E. 2.2.2 und 2.2.3 S. 353 f.; 132 V 65; 131 V 49; 130 V 396) zu messen ist. Die Frage kann indessen offenbleiben; die Annahme einer somatisch begründeten Einschränkung von 20 % ändert nichts am Ausgang des Verfahrens (E. 3.4).
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3.3. Der psychiatrische Gutachter erkannte eine depressive Entwicklung als Reaktion auf die somatische Problematik; anlässlich der Untersuchung stellte er indessen lediglich die Diagnose einer dysthymen Störung (ICD-10: F34.1). Er hielt fest, objektiv seien die Befunde "sehr gering", es fänden sich einzig subjektiv eine erhöhte Gereiztheit und kognitive Schwierigkeiten, und sozial ziehe sich der Versicherte "eher" zurück. Für auffällig befand er, dass der Explorand "äusserst passive Bewältigungsstrategien" aufweise und nur wenigen Interessen nachgehe; er stufe sich als voll arbeitsunfähig ein. Aus der dysthymen Störung könne eine verminderte Belastbarkeit und "mögliche" Verlangsamung postuliert und deshalb eine "höchstens" 20 prozentige Leistungseinschränkung angenommen werden.
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Fraglich ist, ob die diagnostizierte Dysthymie - ausnahmsweise - einen invalidenversicherungsrechtlich relevanten Gesundheitsschaden darstellt, weil sie zusammen mit anderen Befunden wie etwa einer ernsthaften Persönlichkeitsstörung auftritt (vgl. SVR 2008 IV Nr. 8 S. 23, I 649/06 E. 3.3.1; Urteile 8C_623/2013 vom 11. März 2014 E. 3.2; 9C_246/2010 vom 11. Mai 2010 E. 2.2.1). Ernsthafte psychiatrische (Neben-) Befunde konnten nicht erhoben werden (vgl. Urteil 8C_623/2013 vom 11. März 2014 E. 3.3.3). Dass das Schmerzleiden in Bezug auf die Dysthymie invalidisierend wirken könnte, ist eher zu verneinen, da die jeweils zu erwartenden Funktionseinschränkungen (wie Konzentrationsprobleme, Müdigkeit, sozialer Rückzug) im Wesentlichen identisch sind (vgl. Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes vom 30. November 2011). Wie es sich damit verhält, braucht aber ebenfalls nicht beantwortet zu werden. Auch die Annahme einer Einschränkung der Arbeitsfähigkeit von 20 % aufgrund der Dysthymie ändert nichts am Ausgang des Verfahrens (E. 3.4).
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Erwägung 3.4
 
3.4.1. Weshalb unter den konkreten Umständen (E. 3.2 und 3.3) ein "teiladditiver Effekt" zu einer gesamthaften Arbeitsunfähigkeit von 30 % führen sollte, wurde - entgegen der vorinstanzlichen Auffassung - von den Experten nicht (nachvollziehbar) begründet. Dies leuchtet denn auch nicht ein, stellt doch die affektive Störung eine Reaktion auf die Schmerzen dar und sind die zu erwartenden Funktionseinschränkungen im Wesentlichen identisch (E. 3.3). Hinzu kommt, dass die jeweils einzeln attestierten Einschränkungen eher (zu) grosszügig bemessen erscheinen. Somit ist das Invalideneinkommen auf der Grundlage einer um höchstens 20 % verminderten Arbeitsfähigkeit festzulegen (E. 1).
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3.4.2. Bei im Übrigen unveränderten Faktoren beträgt das Invalideneinkommen - selbst unter Annahme eines Tabellenlohnabzuges von 10 % (vgl. BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301; 126 V 75 E. 5b/bb-cc S. 80; zur entsprechenden Kognition BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 f. mit Hinweis) - mindestens Fr. 44'474.-. Daraus resultiert ein Invaliditätsgrad (vgl. Art. 16 ATSG) von (gerundet) 39 %, was einen Rentenanspruch ausschliesst. Die Beschwerde ist begründet.
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4. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdegegner die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 9. Dezember 2013 wird aufgehoben und die Verfügung der IV-Stelle Basel-Stadt vom 22. März 2013 bestätigt.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
 
3. Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt zurückgewiesen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 21. Juli 2014
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Kernen
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann
 
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