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Informationen zum Dokument  BGer 6B_236/2014  Materielle Begründung
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BGer 6B_236/2014 vom 01.09.2014
 
{T 0/2}
 
6B_236/2014
 
 
Urteil vom 1. September 2014
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Bundesrichter Denys, Oberholzer, Rüedi,
 
Gerichtsschreiberin Unseld.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. X.________-Stiftung,
 
2. Arbeitslosenkasse des Kantons Zug, Industriestrasse 24, 6300 Zug,
 
3. Y.________ GmbH,
 
alle drei vertreten durch Dr. Roman Baumann Lorant und Tobias Steinemann, Advokaten,
 
Beschwerdeführerinnen,
 
gegen
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, Leitender Oberstaatsanwalt, An der Aa 4, 6300 Zug,
 
2. A.________,
 
vertreten durch Dr. Michael Werder und Sven Lüscher,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Beschwerdelegitimation (Veruntreuung, ungetreue Geschäftsbesorgung, Urkundenfälschung), Entschädigung,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug, Strafabteilung, vom 30. Januar 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
B. 
1
C. 
2
 
D.
 
Das Obergericht, die Staatsanwaltschaft und A.________ wurden beschränkt auf die Frage der Parteientschädigung zur Vernehmlassung eingeladen. Das Obergericht beantragt unter Hinweis auf seine Erwägungen im angefochtenen Beschluss, die Beschwerde sei abzuweisen. Die Staatsanwaltschaft und A.________ verzichten auf eine Vernehmlassung.
3
 
Erwägungen:
 
1. 
4
1.1. Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, soweit sie auf ihre Berufung nicht eingetreten sei. Zu dieser Rüge sind sie im bundesgerichtlichen Verfahren berechtigt. Unbekümmert um die Legitimation in der Sache selbst kann die Verletzung von Verfahrensrechten geltend gemacht werden, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Zulässig sind Rügen formeller Natur, die von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Nicht zu hören sind Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (BGE 138 IV 248 E. 2; 136 IV 41 E. 1.4; 136 IV 29 E. 1.9; je mit Hinweisen).
5
1.2. Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Beschluss zur Legitimation in einem strafprozessualen Berufungsverfahren. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen gegeben (Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 BGG). Soweit die Vorinstanz die Legitimation zur Berufung verneinte, beendet der Beschluss das Verfahren für die Beschwerdeführerinnen, welche teilweise aus dem Strafprozess ausgeschlossen werden. Insofern liegt somit ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG vor (vgl. BGE 128 I 215 E. 2). Die Beschwerde ist in diesem Umfang zulässig.
6
 
Erwägung 2
 
2.1. Die Beschwerdeführerinnen rügen weiter eine Verletzung von Art. 436 Abs. 1 i.V.m. Art. 433 StPO. Sie beanstanden, dass ihnen die Vorinstanz keine Parteientschädigung zusprach.
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2.2. Die Vorinstanz trat im angefochtenen Beschluss auf die Berufung der Beschwerdeführerinnen insoweit ein, als sie den Freispruch vom Vorwurf des mehrfachen betrügerischen Konkurses, eventualiter der mehrfachen Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung und der Misswirtschaft anfochten, sowie bezüglich der Anträge betreffend die Zivilklage, die Ersatzforderung und die Prozessumtriebsentschädigung für das erstinstanzliche Verfahren. Auf den Eventualantrag des Beschwerdegegners 2, die Beschwerdeführerinnen seien zur Leistung einer Sicherheit für allfällige Kosten und Entschädigungen zu verpflichten, trat sie nicht ein (Urteil S. 9 f.).
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Die gerügte Verletzung von Art. 433 StPO betrifft die von den Beschwerdeführerinnen beantragte Entschädigung für das Eintreten auf ihre Berufung und das Nichteintreten auf den Antrag des Beschwerdegegners 2 auf Bezahlungeiner Sicherheitsleistung. Insoweit geht es um Zwischenentscheide.
9
Die Vorinstanz verweigerte den Beschwerdeführerinnen eine Parteientschädigung mit der Begründung, sie hätten ihre Forderung weder beziffert noch belegt (Urteil S. 10).
10
2.3. Gegen selbstständig eröffnete Zwischenentscheide, die weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betreffen, ist die Beschwerde gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG nur zulässig, wenn der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).
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Der in einem Zwischenentscheid enthaltene Kosten- und Entschädigungspunkt kann im Rahmen einer Beschwerde gegen den Hauptpunkt an das Bundesgericht weitergezogen werden, vorausgesetzt diese steht nach Art. 93 Abs. 1 BGG offen. Ansonsten können die Kosten- und Entschädigungsfolgen nur gemäss Art. 93 Abs. 3 BGG mit Beschwerde gegen den Endentscheid angefochten werden (BGE 138 III 94 E. 2.3; 135 III 329 E. 1.2; 133 V 645 E. 2.1; Urteil 6B_321/2014 vom 7. Juli 2014 E. 1.1).
12
2.4. Die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG sind klarerweise nicht erfüllt. Gegenteiliges machen die Beschwerdeführerinnen zu Recht nicht geltend. Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde daher, soweit sie sich gegen den vorinstanzlichen Kostenentscheid wendet. Offenzubleiben hat damit, ob die Vorinstanz die Beschwerdeführerinnen hätte auffordern müssen, ihren Antrag auf Entschädigung zu beziffern und zu belegen (dazu Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1325; Mizel/Rétornaz, in: Commentaire Romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 13 zu Art. 433 StPO; s.a. Urteil 6B_965/2013 vom 3. Dezember 2013 E. 3.1.2, in: SJ 2014 I S. 228).
13
 
Erwägung 3
 
3.1. Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, die Vorinstanz hätte auf ihre Berufung vollumfänglich eintreten müssen. Sie rügen eine Verletzung von Art. 115 StPO.
14
3.2. Jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheids hat, kann ein Rechtsmittel ergreifen (Art. 382 Abs. 1 StPO). Partei ist namentlich die Privatklägerschaft (Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO). Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren im Straf- oder Zivilpunkt zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO).
15
 
Erwägung 3.3
 
3.3.1. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, gilt bei Straftaten gegen den Vermögenswert der Inhaber des geschädigten Vermögens als geschädigte Person. Bei Vermögensdelikten zum Nachteil einer Aktiengesellschaft sind weder die Aktionäre noch die Gesellschaftsgläubiger unmittelbar verletzt (vgl. Urteil 6B_680/2013 vom 6. November 2013 E. 3; Mazzucchelli/Postizzi, a.a.O., N. 56 zu Art. 115 StPO; vgl. zur ungetreuen Geschäftsbesorgung Oberholzer, a.a.O., Rz. 518).
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3.3.2. Geschütztes Rechtsgut der Konkursdelikte gemäss Art. 163 ff. StGB ist das Vermögen der Gläubiger des Gemeinschuldners (Mazzucchelli/Postizzi, a.a.O., N. 60 zu Art. 115 StPO). Hinsichtlich des Vorwurfs des mehrfachen betrügerischen Konkurses sowie der Eventualvorwürfe der mehrfachen Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung und der Misswirtschaft gelten die Beschwerdeführerinnen, wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, als Geschädigte im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO.
17
3.3.3. Urkundendelikte schützen in erster Linie die Allgemeinheit. Geschütztes Rechtsgut ist das besondere Vertrauen, welches im Rechtsverkehr einer Urkunde als Beweismittel entgegengebracht wird (BGE 137 IV 167 E. 2.3.1 mit Hinweisen). Daneben können auch private Interessen unmittelbar verletzt werden, falls die Urkundenfälschung auf die Benachteiligung einer bestimmten Person abzielt (BGE 119 Ia 342 E. 2b; Urteil 6B_496/2012 vom 18. April 2013 E. 5.2; je mit Hinweisen; Oberholzer, a.a.O., Rz. 517; Mazzucchelli/Postizzi, a.a.O., N. 73 zu Art. 115 StPO; Camille Perrier, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 11 zu Art. 115 StPO; Piquerez, a.a.O., § 70 N. 507 S. 330).
18
 
Erwägung 3.4
 
3.4.1. Die Beschwerdeführerinnen rügen, als Abtretungsgläubigerinnen nach Art. 260 SchKG seien sie im Strafverfahren gegen ehemalige Organe der B.________ AG zur adhäsionsweisen Geltendmachung der abgetretenen Ansprüche zuzulassen. Die Vorinstanzen hätten die Natur der Abtretung nach Art. 260 SchKG verkannt, was zu einem Widerspruch in der Rechtsordnung führe und sich kontraproduktiv auf die Abwicklung von Gesellschaftskonkursen auswirke. Sie machen geltend, die Lehrmeinung von Mazzucchelli und Postizzi, auf welche sich die Vorinstanz stütze, sei nicht herrschend, und berufen sich im Übrigen auf einen Entscheid des Kassationsgerichts des Kantons Zürich.
19
3.4.2. Mazzucchelli und Postizzi führen aus, die Rechtsnachfolger der unmittelbar verletzten Person seien bloss mittelbar verletzt. So sei zum Beispiel der Zessionar gemäss Art. 164 ff. OR einer aus der Straftat abgeleiteten Schadenersatzforderung nicht geschädigt im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO und dürfe sich somit nicht als Privatkläger konstituieren. Er sei vom Strafverfahren ausgeschlossen und zur Geltendmachung der abgetretenen Forderung auf den Zivilweg verwiesen. Geschädigte Person bleibe der Zedent, soweit er Träger des angegriffenen Rechtsguts sei. Umso weniger sei der Abtretungsgläubiger gemäss Art. 260 SchKG geschädigte Person gemäss Art. 115 Abs. 1 StPO. Ihm werde bloss die Prozessführungsmacht der Konkursmasse abgetreten. Diese bleibe Rechtsträgerin des materiellen Anspruchs, bis die Gemeinschuldnerin aus dem Handelsregister gelöscht werde. Der Abtretungsgläubiger könne somit die entsprechende Forderung lediglich in einem ordentlichen Zivilprozess geltend machen (Mazzucchelli/Postizzi, a.a.O., N. 26 zu Art. 115 StPO).
20
3.4.3. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich erwog mit Entscheid vom 5. August 2004, der Abtretungsgläubiger gemäss Art. 260 SchKG sei im zürcherischen Strafprozess zur Adhäsionsklage legitimiert. Neben dem unmittelbar Geschädigten seien auch seine Erben sowie Versicherungsgesellschaften, welche gemäss Art. 72 VVG in seine Rechte eingetreten seien, zur Adhäsionsklage legitimiert. Die Legitimation der Erben und Versicherungsgesellschaften rechtfertige sich durch deren besondere Beziehung zum Geschädigten respektive zu dessen Schadenersatzansprüchen, welche dem blossen Zessionar der Schadenersatzforderung im Sinne von Art. 164 ff. OR abgehe. Der Abtretungsgläubiger gemäss Art. 260 SchKG handle als Prozessstandschafter für die Konkursmasse. Diese bleibe Rechtsträgerin des materiellen Anspruchs, könne aber bis zu einem allfälligen Widerruf der Abtretung nicht mehr darüber verfügen. Da die Eintreibungsbefugnis allein dem Abtretungsgläubiger zukomme, stehe auch er in einer besonderen Beziehung zum ursprünglichen Anspruch des Geschädigten. Entsprechend sei er zur Adhäsionsklage legitimiert, soweit sich der abgetretene Anspruch mit strafbaren Handlungen zum Nachteil des Gemeinschuldners begründen lasse (ZR 104 [2005] Nr. 6, S. 14 ff., insbesondere S. 17 E. 4a sowie S. 19 f. E. 4c/cc mit Hinweisen).
21
3.4.4. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts handelt es sich bei der Abtretung nach Art. 260 SchKG um ein betreibungs- und prozessrechtliches Institut sui generis, die auch als eine Form der Prozessstandschaft bezeichnet wird. Der Abtretungsgläubiger handelt zwar im Prozess in eigenem Namen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko, wird durch die Abtretung indes nicht Träger des abgetretenen Anspruchs; abgetreten wird ihm nur das Prozessführungsrecht der Masse (BGE 138 III 628 E. 5.3.2; 132 III 342 E. 2.2; 121 III 488 E. 2b; je mit Hinweisen). Wie die Beschwerdeführerinnen zu Recht geltend machen, unterscheidet sich die Abtretung gemäss Art. 260 SchKG grundlegend von der Zession gemäss Art. 164 ff. OR.
22
3.4.5. Art. 121 StPO regelt die strafprozessualen Folgen, wenn die mit der Straftat zusammenhängenden privatrechtlichen Ansprüche auf Personen übergehen, die nicht geschädigt im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO sind (vgl. dazu Urteil 6B_549/2013 vom 24. Februar 2014 E. 3.2.1). Stirbt die geschädigte Person, ohne auf ihre Verfahrensrechte als Privatklägerschaft verzichtet zu haben, so gehen ihre Rechte auf die Angehörigen in der Reihenfolge der Erbberechtigung über (Art. 121 Abs. 1 StPO). Wer von Gesetzes wegen in die Ansprüche der geschädigten Person eintrat, ist nur zur Zivilklage berechtigt und hat lediglich jene Verfahrensrechte, die sich unmittelbar auf deren Durchsetzung beziehen (Art. 121 Abs. 2 StPO).
23
3.5. Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, wenn sie erwägt, die Beschwerdeführerinnen hätten sich zwar als Privatklägerinnen konstituiert, seien aber nur teilweise als Geschädigte im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO zu betrachten.
24
4. 
25
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung auferlegt.
 
3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, Strafabteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 1. September 2014
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Die Gerichtsschreiberin: Unseld
 
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