BGer 5A_586/2014 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
BGer 5A_586/2014 vom 17.09.2014 | |
{T 0/2}
| |
5A_586/2014
|
Urteil vom 17. September 2014 |
II. zivilrechtliche Abteilung | |
Besetzung
| |
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
| |
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi,
| |
Gerichtsschreiber Möckli.
|
Verfahrensbeteiligte | |
X.________,
| |
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Kündig,
| |
Beschwerdeführer,
| |
gegen
| |
Bank Y.________,
| |
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Daniel Glasl,
| |
Beschwerdegegnerin,
| |
Betreibungsamt Zug.
| |
Gegenstand
| |
Fristansetzung zur Widerspruchsklage,
| |
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 3. Juli 2014.
|
Sachverhalt: | |
A. Mit Arrestbefehl vom 30. März 2012 verarrestierte das Kantonsgericht Zug gestützt auf ein Arrestgesuch der Bank Y.________ vom 23. März 2012 für eine Arrestforderung von Fr. 8'653'404.-- nebst Zins und Kosten sämtliche Rechte an den im Eigentum des Arrestschuldners A.________ stehenden 1'199 Namenaktien à je Fr. 1'000.-- Nennwert der "B.________ AG", soweit nicht bereits von der Pfändungsurkunde vom 21. Oktober 2008 in der Pfändung Nr. xxx / Betreibung Nr. yyy erfasst. Am 3. April 2012 vollzog das Betreibungsamt Zug den Arrest.
| 1 |
B. Mit Eingabe vom 21. Februar 2014 wandte sich X.________ an das Betreibungsamt Zug und machte an den gepfändeten Rechten an den 1'199 Namenaktien ein besseres Drittrecht geltend. Zur Begründung führte er aus, am 23. Juli 2007 von A.________ die Aktien Nrn. 2-600 und von dessen Ehefrau C.________ am 2. Juni 2009 die Aktien Nrn. 1001-1200 übertragen erhalten zu haben; somit sei er seit dem 2. Juni 2009 an 799 Aktien berechtigt.
| 2 |
C. Gegen dieses Urteil hat X.________ am 18. Juli 2014 eine Beschwerde erhoben mit den Begehren um dessen Aufhebung und Rückweisung an das Obergericht zur Neubeurteilung, eventualiter um dessen Anweisung, der bestreitenden Gläubigerin Frist zur Erhebung der Widerspruchsklage gegen ihn anzusetzen. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
| 3 |
Erwägungen: | |
1. Entscheide der oberen oder einzigen kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegen streitwertunabhängig der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und Art. 75 Abs. 1 BGG).
| 4 |
2. Das Obergericht ist von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ausgegangen, wonach die Geltendmachung von Drittansprachen an keine Frist gebunden ist, sie aber gemäss dem Grundsatz von Treu und Glauben binnen nützlicher Frist geltend gemacht werden müssen, ansonsten sie verwirkt sind, und wonach sich der Dritte bereits im Zusammenhang mit dem Arrestbeschlag wehren muss, wenn er davon sichere Kenntnis hat. Vorliegend seien mit Arrestbefehl vom 30. März 2012 die Rechte an den im Eigentum des Arrestschuldners A.________ stehenden 1'199 Namenaktien der B.________ AG arrestiert worden. Am 3. April 2012 habe das Betreibungsamt den Arrest vollzogen und eine Anzeige der Arrestsperre an die B.________ AG erlassen. Gegen diese habe die B.________ AG am 13. April 2012 Arresteinsprache erhoben und gegen den abweisenden Entscheid Beschwerde beim Obergericht geführt. In beiden Verfahren sei die B.________ AG durch Rechtsanwalt Peter Kündig vertreten gewesen, der auch den heutigen Beschwerdeführer vertrete. Zu diesem Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer als Verwaltungsratspräsident der B.________ AG im Handelsregister eingetragen gewesen. Sowohl er persönlich als auch sein Rechtsanwalt hätten demnach seit der Anzeige der Arrestsperre vom 3. April 2012 Kenntnis von der Arrestierung gehabt. Mit Schreiben vom 20. und 27. April 2012 habe der Beschwerdeführer als Präsident des Verwaltungsrates der B.________ AG gegenüber dem Betreibungsamt Zug erklärt, dass A.________ seit Herbst 2007 keine Aktien und keine Guthaben mehr bei der B.________ AG habe. Persönliche Drittansprüche habe er keine angemeldet, obwohl er von Anfang an Kenntnis vom Arrestbeschlag gehabt habe. Erst mit Eingabe vom 21. Februar 2014 habe er beim Betreibungsamt Zug seinen angeblichen Drittanspruch behauptet. Dies sei verspätet, zumal er keine Gründe für das lange Zuwarten geltend mache und auch keine solchen ersichtlich seien. Deshalb müsse, wie die Bank Y.________ in ihrer Vernehmlassung zutreffend ausführe, auf die Verwirkung des Rechts zur Drittansprache geschlossen werden.
| 5 |
3. Entgegen der Reihenfolge in der Beschwerde ist von der Logik her zuerst über die formellen und erst dann über die materiellen Rügen zu befinden.
| 6 |
3.1. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes von Art. 20 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG geltend und hält fest, aufgrund der Parteivorbringen, namentlich in der Vernehmlassung, wären weitergehende Abklärungen zwingend angezeigt gewesen.
| 7 |
3.2. Gemäss Art. 20 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG gilt im Beschwerdeverfahren der Untersuchungsgrundsatz, d.h. die Aufsichtsbehörde stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest. Das bedeutet, dass sie nur Sachumstände berücksichtigen darf, von deren Vorhandensein sie sich überzeugt hat, dass sie aber auch Gegebenheiten heranziehen kann, die von keinem Beteiligten erwähnt worden sind (BGE 107 II 233 E. 2b und 2c S. 236; 130 III 102 E. 2.2 S. 107; COMETTA/MÖCKLI, Basler Kommentar, N. 6 zu Art. 20a SchKG).
| 8 |
3.3. Die Bank Y.________ hatte in ihrer Vernehmlassung unter ausführlicher Schilderung der Situation hauptfrageweise eine Verwirkung des Rechtes auf Erheben der Drittansprache geltend gemacht; subsidiär führte sie aus, wieso die Parteirollen wenn schon richtig verteilt wären.
| 9 |
4. Der Beschwerdeführer ergänzt sodann den vom Obergericht festgestellten Sachverhalt.
| 10 |
4.1. Er wirft dem Obergericht vor, es tunlichst und wohlweislich unterlassen zu haben, die vollständige Verfahrensgeschichte der beteiligten Parteien zu berücksichtigen, obwohl dies mit Blick auf den Rechtsmissbrauchsvorwurf erforderlich gewesen wäre.
| 11 |
4.2. Das Bundesgericht ist an den kantonal festgestellten Sachverhalt gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich könnte einzig eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung oder eine Verletzung anderer verfassungsmässiger Rechte angerufen werden, wofür das strenge Rügeprinzip gilt (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 III 393 E. 7.1 S. 398; 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252). Wird die Verletzung des Willkürverbots gerügt, reicht es nicht aus, die Lage aus Sicht des Beschwerdeführers darzulegen und den davon abweichenden angefochtenen Entscheid als willkürlich zu bezeichnen; vielmehr ist im Einzelnen darzulegen, inwiefern das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der angefochtene Entscheid deshalb an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246).
| 12 |
4.3. Diesen Anforderungen genügen die rein appellatorischen Ausführungen nicht. Weder findet sich in der anwaltlich verfassten Rechtsschrift ein Hinweis auf Art. 9 BV noch ist von Willkür die Rede. Mangels tauglicher Rügen ist für die rechtlichen Ausführungen in E. 5 vom Sachverhalt auszugehen, wie er im angefochtenen Entscheid festgestellt worden ist (Art. 105 Abs. 1 BGG).
| 13 |
5. In rechtlicher Hinsicht geht es um die Frage, ob der Beschwerdeführer mit seiner Drittansprache in treuwidriger Weise zugewartet hat.
| 14 |
5.1. Der Beschwerdeführer erblickt in den obergerichtlichen Ausführungen eine Verletzung von Art. 106 SchKG und von Art. 2 Abs. 2 ZGB. Er macht geltend, vor seinem Entscheid über die Drittansprache habe er volle Kenntnis der tatsächlichen und rechtlichen Situation haben müssen. Sodann verstosse das Zuwarten mit der Drittansprache dann nicht gegen Treu und Glauben, wenn der Betreibungsgläubiger Kenntnis gehabt habe, dass ein Dritter an den betreffenden Vermögenswerten einen Anspruch geltend machen könnte. Dies sei vorliegend der Fall gewesen, habe doch die Bank Y.________ seit der Erstattung der Klageantwort im Verfahren A3 2009 63 davon gewusst, dass A.________ nicht mehr Aktionär der B.________ AG sei. Indem die Gläubigerin in ihrer Vernehmlassung vom 28. April 2014 selber festhalte, dass der Beschwerdeführer seine Eigentümerstellung bereits vor der Arrestlegung in anderen Verfahren behauptet habe, gebe sie selbst zu, dass die Aktionärsstellung von ihm beansprucht werde. Wie das Obergericht bei solchen Zugeständnissen habe schlussfolgern können, dass er seine Rechte als Ansprecher verwirkt habe, sei nicht nachvollziehbar.
| 15 |
5.2. Die Geltendmachung des Drittanspruches ist an keine bestimmte Frist gebunden; sie kann an sich bis zur Verteilung des Erlöses erfolgen ( STAEHELIN, Basler Kommentar, N. 22 zu Art. 106 SchKG). Verzögert indes der Drittansprecher die Geltendmachung seines Anspruchs in rechtsmissbräuchlicher Weise, so verwirkt er dieses Recht (Staehelin, a.a.O., N. 23 zu Art. 106 SchKG).
| 16 |
5.3. Nach den verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid hatte der Beschwerdeführer als Verwaltungsratspräsident der B.________ AG vom Arrestvollzug sichere Kenntnis, zumal die B.________ AG Arresteinsprache erhob und dabei durch den gleichen Rechtsanwalt vertreten wurde, welcher den Beschwerdeführer auch heute vertritt, und der Beschwerdeführer in seiner Funktion als Verwaltungsratspräsident mit Schreiben vom 20. und 27. April 2012 für die AG gegenüber dem Betreibungsamt erklärte, dass der Arrestschuldner A.________ seit Herbst 2007 keine Aktien und keine Guthaben bei der B.________ AG habe. Das Arresteinspracheverfahren wurde mit Beschluss des Obergerichts vom 13. September 2012 rechtskräftig abgeschlossen.
| 17 |
6. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf diese eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Der Gegenseite ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.
| 18 |
Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
| |
2. Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
| |
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt Zug und dem Obergericht des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, schriftlich mitgeteilt.
| |
Lausanne, 17. September 2014
| |
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
| |
des Schweizerischen Bundesgerichts
| |
Der Präsident: von Werdt
| |
Der Gerichtsschreiber: Möckli
| |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |