BGer 1B_226/2014 | |||
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BGer 1B_226/2014 vom 18.09.2014 | |
{T 0/2}
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1B_226/2014
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Urteil vom 18. September 2014 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
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Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
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Gerichtsschreiber Dold.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Mouttet,
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gegen
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1. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
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2. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
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3. B.________, vertreten durch Rechtsanwälte Gerhard Schnidrig und Christoph Thomet,
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4. C.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Bosshard,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Entsiegelung im Vorverfahren,
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Beschwerde gegen die Verfügung vom 13. Juni 2014 des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Aargau.
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Sachverhalt: | |
A. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau führt gegen C.________ und B.________ ein Strafverfahren wegen mehrfacher ungetreuer Geschäftsbesorgung bzw. wegen Anstiftung dazu (Art. 158 Ziff. 1 StGB). Anlass gab eine Anzeige der D.________ AG (früher: E.________ AG), die den beiden vorwirft, mit Hilfe gefälschter Wertgutachten Hypothekardarlehen zum Kauf von Liegenschaften aufgenommen zu haben, wobei die Darlehen den Kaufpreis überstiegen hätten und die Differenz nicht an die kreditnehmenden Gesellschaften, sondern an B.________ geflossen sei. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass C.________ die Darlehen in seiner Funktion als Organvertreter für die E.________ AG, die F.________ AG und die G.________ AG aufnahm und einen Teil des Überschusses an B.________ auszahlen liess. Die Überweisungen hätten teilweise auf einer "Provisionsvereinbarung" zwischen B.________, C.________ und den genannten Gesellschaften beruht. Danach stehe B.________ eine Provision von 50 % der "Überfinanzierung" zu, wenn eine Finanzierung durch dessen Hausbank, die H.________, zustande komme. Es bestehe der Verdacht, dass B.________ C.________ zur ungetreuen Geschäftsbesorgung angestiftet habe. Nach Eröffnung des Strafverfahrens hätten die beiden Beschuldigten übereinstimmend ausgesagt, dass die Gelder bei sämtlichen Immobilienkäufen in den Jahren 2010 und 2011 zunächst an A.________, einen Notar aus dem Kanton Bern, überwiesen und durch diesen dann weitergeleitet worden seien.
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Mit Editionsverfügung vom 6. März 2014 forderte die Staatsanwaltschaft A.________ auf, Abrechnungen und Belege betreffend den Kauf einer Reihe von Liegenschaften durch die E.________ AG, die F.________ AG und die G.________ AG einzureichen. A.________ kam der Aufforderung nach und verlangte gleichzeitig die Siegelung der Unterlagen.
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Die Staatsanwaltschaft reichte am 17. März 2014 beim Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau ein Entsiegelungsgesuch ein. Das Zwangsmassnahmengericht ersuchte in der Folge die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion (JGK) des Kantons Bern als Aufsichtsbehörde über das Notariat, A.________ von seinem Berufsgeheimnis zu entbinden. Mit Entscheid vom 20. Mai 2014 trat die JGK auf das Gesuch nicht ein. Das kantonale Notariatsgesetz vom 22. November 2005 (NG; BSG 169.11) sehe kein Verfahren zur Entbindung vom Berufsgeheimnis vor.
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Mit Verfügung vom 13. Juni 2014 hiess das Zwangsmassnahmengericht das Entsiegelungsgesuch gut.
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B. Mit Eingaben vom 21. Juni und 18. Juli 2014 erhebt A.________ Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht. Er beantragt im Wesentlichen, die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts sei aufzuheben. Eventualiter sei anzuordnen, dass jene Dokumente, die dem Berufsgeheimnis unterlägen, weiterhin versiegelt blieben. Subeventualiter sei eine entsprechende Anordnung für sämtliche versiegelten Dokumente zu erlassen und die Sache zum neuen Entscheid ans Zwangsmassnahmengericht zurückzuweisen.
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Das Zwangsmassnahmengericht, die Oberstaatsanwaltschaft und B.________ haben auf eine Vernehmlassung in der Sache verzichtet. C.________ verlangt sinngemäss die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen.
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Erwägungen: | |
1. Angefochten ist ein Entsiegelungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichts. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht gegeben (Art. 78 ff. BGG; Art. 248 Abs. 3 StPO i.V.m. Art. 80 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer beruft sich als Inhaber der versiegelten Aufzeichnungen auf ein Zeugnisverweigerungsrecht wegen eines Berufsgeheimnisses. Bei der Entsiegelung wird definitiv darüber entschieden, ob die Geheimnisinteressen, welche vom Inhaber der versiegelten Aufzeichnungen angerufen werden, einer Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft entgegen stehen (Art. 248 Abs. 1 StPO; Urteil 1B_27/2012 vom 27. Juni 2012 E. 1 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer ist deshalb zur Beschwerde legitimiert und ein drohender, nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist zu bejahen. Dass die Staatsanwaltschaft die Unterlagen im Anschluss an den Entsiegelungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichts sogleich durchsucht und beschlagnahmt hat, wie sie in ihrer Vernehmlassung anführt, lässt das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids nicht entfallen (vgl. zur Voraussetzung des aktuellen Rechtsschutzinteresses BGE 140 IV 74 E. 1.3.1 S. 77 mit Hinweis). Wäre die Beschwerde gutzuheissen, so erwiese sich damit nämlich auch die Beschlagnahme als unrechtmässig und wäre aufzuheben (vgl. Art. 246, Art. 248 Abs. 1 und Art. 264 Abs. 1 StPO).
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Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
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Erwägung 2 | |
2.1. Das Zwangsmassnahmengericht prüfte neben den Voraussetzungen des Tatverdachts, des Deliktskonnexes und der Verhältnismässigkeit, ob der Entsiegelung ein strafprozessual zu achtendes Geheimnis entgegenstehe. Es führte aus, die Sichtung der Unterlagen habe gezeigt, dass der Beschwerdeführer lediglich die Feinverteilung der Mittel aus den Hypothekardarlehen vorgenommen und dabei eine Art Treuhandfunktion ausgeübt habe. Darin sei eine nebenberufliche Tätigkeit gemäss Art. 29 Abs. 1 NG zu erblicken. Der Beschwerdeführer könne sich somit nicht auf das Notariatsgeheimnis berufen.
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2.2. Der Beschwerdeführer macht sinngemäss geltend, das Zwangsmassnahmengericht habe den Gehalt des Zeugnisverweigerungsrechts von Notaren gemäss Art. 171 StPO verkannt, welches nach Art. 264 Abs. 1 lit. c, Art. 246 und Art. 248 Abs. 1 StPO sowohl der Beschlagnahme als auch der Durchsuchung entgegensteht. Er macht geltend, im Rahmen der Immobilienfinanzierungen verschiedene Funktionen ausgeübt zu haben, die über jene eines blossen Intermediärs hinausgingen. Unter anderem habe er mit dem beauftragten Notar aus dem Kanton Aargau zusammengearbeitet. Seine Geheimnispflicht als Notar erfasse auch die nebenberufliche Tätigkeit.
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2.3. Die Staatsanwaltschaft hält dazu fest, aus dem Umstand, dass das kantonale Notariatsgesetz in Art. 29 den Notaren Nebentätigkeiten erlaube, könne nicht geschlossen werden, dass diese unter den bundesrechtlich definierten Geheimnisschutz gemäss Art. 321 StGB i.V.m. Art. 248 Abs. 1 und Art. 171 StPO fallen. Der Geheimnisschutz gelte im Bereich des Beurkundungsmonopols, nicht aber für privatrechtliche Tätigkeiten, die auch ein beliebiger Dritter ausüben könnte. Die Kaufverträge seien durch andere Notare beurkundet worden. Keine der in Frage stehenden Liegenschaften befinde sich denn auch im Kanton Bern.
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2.4. Das Bundesgericht hat sich bereits eingehend mit dem Zeugnisverweigerungsrecht des Anwalts befasst. Diese Rechtsprechung lässt sich analog auf Notare übertragen. Das Berufsgeheimnis des Anwalts erstreckt sich danach auf sämtliche Informationen, die diesem in Ausübung des Anwaltsberufs anvertraut werden. Das strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht gilt indessen nicht für Informationen, die einem Anwalt im Rahmen von Dienstleistungen zukommen, welche über die berufsspezifische Tätigkeit hinausgehen. Dies gilt etwa für die Vermögensverwaltung, für reine Depotgeschäfte bzw. Inkassomandate oder für die Tätigkeit als Verwaltungsrat einer Gesellschaft. Inkasso- und Zahlungsmandate auf Rechnung Dritter fallen lediglich dann unter das anwaltliche Berufsgeheimnis, wenn der Anwalt mit Zahlungen betraut wird, die in einem Zusammenhang mit berufstypischen anwaltlichen Bemühungen stehen. Dazu gehören beispielsweise Überweisungen für Prozesszwecke, Akontozahlungen für anwaltliche Dienstleistungen und Substitutionen oder Zahlungen im Zusammenhang mit anwaltlich geführten Vertrags- oder Vergleichsverhandlungen (BGE 135 III 597 E. 3.3 S. 601; 115 Ia 197 E. 3 S. 198 ff.; Urteil 1P.32/2005 vom 11. Juli 2005 E. 3.2 und 3.4).
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2.5. Der Beschwerdeführer hebt hervor, dass seine Funktion über die eines blossen Finanzintermediärs hinausgegangen sei. Jedoch macht er im Ergebnis nicht geltend, im Zusammenhang mit den fraglichen Liegenschaftskäufen im notariellen Monopolbereich gemäss Art. 20 NG tätig geworden zu sein. Vielmehr geht er - wie auch die Vorinstanz und die Staatsanwaltschaft - davon aus, dass die Zahlungen im Rahmen einer nebenberuflichen Tätigkeit gemäss Art. 29 NG stattfanden. Gemäss dieser Bestimmung ist die Notarin oder der Notar unter Vorbehalt der Bestimmungen über die Unvereinbarkeit berechtigt, neben der hauptberuflichen Tätigkeit Aufträge für Rechtsberatung, Vermögensverwaltung, Treuhandfunktionen und ähnliche Verrichtungen zu übernehmen (Abs. 1), wobei die nebenberufliche Tätigkeit dem Privatrecht unterliegt (Abs. 2). Nach dem Ausgeführten fallen derartige Nebentätigkeiten, die in keinem Zusammenhang mit der berufsspezifischen notariellen Tätigkeit stehen, indessen nicht unter das Berufsgeheimnis gemäss Art. 171 Abs. 1 StPO. Das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Zeugnisverweigerungsrecht besteht somit nicht.
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3. Die Beschwerde ist abzuweisen. Damit wird das Gesuch des Beschwerdeführers um Erlass vorsorglicher Massnahmen während des bundesgerichtlichen Verfahrens gegenstandslos.
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Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer hat dem privaten Beschwerdegegner 4 entsprechend dessen Aufwendungen eine angemessene Parteientschädigung auszurichten; der Beschwerdeführer 3 hat darauf verzichtet, sich zu äussern (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Der Beschwerdeführer hat dem Beschwerdegegner 4 eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- auszurichten.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 18. September 2014
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Fonjallaz
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Der Gerichtsschreiber: Dold
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