BGer 6B_534/2014 | |||
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BGer 6B_534/2014 vom 25.09.2014 | |
{T 0/2}
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6B_534/2014
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Urteil vom 25. September 2014 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Mathys, Präsident,
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Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
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Gerichtsschreiber Briw.
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Verfahrensbeteiligte | |
1. A.X.________,
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2. B.X.________,
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3. C.X.________,
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alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Einstellung des Verfahrens; Genugtuung, Löschung inkriminierter Daten,
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Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 9. April 2014.
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Sachverhalt: |
A. |
B. |
C. | |
1.3 die gemäss Ziff. 6 der Einstellungsverfügung eingezogenen Gegenstände nach Löschung der darauf vorhandenen inkriminierten Dateien herausgegeben werden,
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D. |
E. |
Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
1.1. Die drei Beschwerdeführer machen geltend, die Vorinstanz verletze mit ihrem Entscheid über die Genugtuung das ihr zustehende Ermessen. Sie begründen ihren Anspruch mit ungerechtfertigten Anschuldigungen wegen Kinderpornografie und potenziellem Verdacht gegenüber der Beschwerdeführerin als Mitbenützerin des Internetzugangs, der mehrstündigen Hausdurchsuchung unter Beizug von Personal der Gemeindeverwaltung, der Durchsuchung sämtlicher Datenträger mit höchstpersönlichen Aufzeichnungen der letzten 20 Jahre sowie der damit verbundenen Preisgabe jeglicher Privatsphäre gegenüber den Strafbehörden, der Dauer des Verfahrens von ca. fünfeinhalb Jahren mit langjähriger Ungewissheit über den Verfahrenslauf, ferner dem Entzug der elektronischen Daten für die Dauer des Verfahrens. Genugtuungserhöhend komme die gesetzwidrige Unterlassung der Siegelung hinzu.
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1.2. Die "Anschuldigungen" wegen harter Pornografie waren entgegen der Beschwerde nicht ungerechtfertigt. Das Strafverfahren wurde gegen die beiden Beschwerdeführer wegen begründeten Verdachts der "harten" Pornografie gemäss Art. 197 Ziff. 3 und Ziff. 3bis StGB eingeleitet. Die fragliche IP-Adresse war der Beschwerdeführerin zugeteilt, weshalb sie zu Recht vom Verfahren betroffen war. Die Gegenstände waren nach der zwingenden Vorschrift von Art. 197 Ziff. 3 und Ziff. 3bis StGB zwecks Einziehung zu beschlagnahmen (vgl. Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO).
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1.3. Bei Verfahrenseinstellung besteht ein Genugtuungsanspruch für besonders schwere Verletzungen der persönlichen Verhältnisse, insbesondere bei Freiheitsentzug (Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO). Materiellrechtlich beurteilt sich ein Anspruch nach Art. 49 OR sowie Art. 28a ZGB). Die Genugtuung kann unter den Voraussetzungen von Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO herabgesetzt oder verweigert werden, wenn die beschuldigte Person rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat.
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1.3.1. Die Beschwerdeführer bringen vor, die psychische Wirkung der jahrelangen Ungewissheit habe eine erhebliche Belastung dargestellt. Für Menschen mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn sei ein solches behördliches Vorgehen, welches eine unerträgliche Geringschätzung der persönlichen Integrität in erschreckender Weise zeige, eine äusserst traumatische Prägung.
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1.3.2. Im Einzelnen führen die Beschwerdeführer aus, A.X.________ sei in seiner Handlungsfreiheit durch das "Entziehen" der Datenträger und die Unverfügbarkeit der Daten über fünfeinhalb Jahre ähnlich stark beeinträchtigt worden wie durch einen Entzug der Bewegungsfreiheit. Er sei nicht mit einem gewöhnlichen Computerbenutzer vergleichbar. Für B.X.________ erweise sich der Entzug der elektronischen Studienunterlagen ebenfalls als schwerer Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte. Von C.X.________ seien alle während Jahren gesammelten Daten aus Beruf, E-Mails, Fotos usw. beschlagnahmt worden. Sie habe den Laptop mit einem Teil ihrer Daten erst nach einem Jahr zurückerhalten. Sie sei als nicht beschuldigte Dritte Opfer der Hausdurchsuchung geworden.
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1.3.3. Die Vorinstanz stellt fest, die Hausdurchsuchung habe knapp viereinhalb Stunden und das Verfahren fünfeinhalb Jahre gedauert. Der Ausgang des Verfahrens sei nicht absehbar gewesen. Die mit jedem Verfahren verbundene psychische Belastung, Demütigung und Blossstellung genüge im Regelfall nicht für eine Genugtuung (mit Hinweis auf NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 11 zu Art. 429). Praxisgemäss bewege sich eine Entschädigung hierfür im Bereich von einigen hundert Franken. Für die Hausdurchsuchung und die mit der langen Verfahrensdauer verbundene Unsicherheit sei ein Betrag von Fr. 500.-- als Genugtuung angemessen.
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1.3.4. Eine Verletzung des vorinstanzlichen Ermessens ist zu verneinen. Wie erwähnt, besteht der gesetzliche Genugtuungsanspruch nur "für besonders schwere Verletzungen" in den persönlichen Verhältnissen. Das war nicht der Fall. Die Beschlagnahme ist bei harter Pornografie zwingend. Die Vorinstanz anerkannte beim Genugtuungsentscheid ein überlanges Verfahren. Eine Strafuntersuchung kann infolge des Untersuchungsgrundsatzes ohne Weiteres länger andauern und verletzt nicht schon deshalb das Beschleunigungsgebot, sondern erst wenn die Untersuchungshandlungen erkennen lassen, dass die Behörde nicht gewillt oder in der Lage ist, das Verfahren mit der gebotenen Beschleunigung voranzutreiben und zum Abschluss zu bringen (BGE 140 IV 74 E. 3.2 betr. Haftprüfungsverfahren; Urteil 6B_274/2014 vom 28. Juli 2014 E. 1.4.2). Einer Verletzung ist indessen auch bei Beschlagnahmen angemessen Rechnung zu tragen (zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil 1B_424/2013 vom 22. Juli 2014 E. 3.2). Das kann hier sachlich durch die Zugestehung einer Teilnahme bei der Datenlöschung erfolgen (unten E. 3.3).
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Erwägung 2 |
Erwägung 3 | |
3.1. A.X.________ macht geltend, die Vorinstanz verletze Art. 107 Abs. 1 lit. b StPO, indem sie ihm die Teilnahme an der Löschung der Daten auf seinen Datenträgern verweigere. Die Behörden hätten bereits bei der Sicherstellung jede Vorsicht vermissen lassen. Es bestehe eine grosse, kompliziert strukturierte Datenmenge.
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3.2. Die Vorinstanz stellt fest, bei einem Unterordner handle es sich um Bilder eines Kunstfotografen. Die Staatsanwaltschaft begründe nicht, inwiefern es sich um verbotenes Material handle (mit Hinweis auf den Kunstvorbehalt von Art. 197 Ziff. 5 StGB).
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3.3. Dem Beschwerdeführer geht es um seine Teilnahme bei der angeordneten Löschung, weil er einen Datenverlust befürchtet. Er beruft sich dafür auf Art. 107 Abs. 1 lit. b StPO.
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3.4. Die behördeninterne Datenbearbeitung und Datenaufbewahrung richtet sich nach der einschlägigen Gesetzgebung. Das Bundesgericht hat dazu keine Anordnungen zu treffen. Die Beschwerde ist betreffend das Rechtsbegehren Ziff. 1.6 (oben Bst. D) abzuweisen.
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Erwägung 4 |
Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und im Übrigen abgewiesen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 9. April 2014 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden den Beschwerdeführern solidarisch auferlegt.
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3. Der Kanton Bern hat den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung von Fr. 500.-- auszurichten.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 25. September 2014
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Mathys
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Der Gerichtsschreiber: Briw
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