BGer 1C_154/2014 | |||
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BGer 1C_154/2014 vom 21.11.2014 | |
{T 0/2}
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1C_154/2014
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Urteil vom 21. November 2014 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
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Bundesrichter Aemisegger, Merkli, Karlen, Eusebio,
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Gerichtsschreiber Haag.
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Verfahrensbeteiligte | |
1. Verein Referendum BWIS, handelnd durch Christian Thommen,
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2. A.________,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Grosser Rat des Kantons Bern,
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handelnd durch den Regierungsrat des Kantons Bern,
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Regierungsrat des Kantons Bern,
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Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD), Speichergasse 6, Postfach, 3000 Bern 7.
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Gegenstand
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Änderung vom 2. Februar 2012 des Konkordats vom 15. November 2007 über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen,
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Beschwerde gegen den Beschluss vom 20. März 2013 des Grossen Rats des Kantons Bern.
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Sachverhalt: |
A. |
B. |
C. |
D. |
E. | |
3. Kapitel: Polizeiliche Massnahmen
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F. |
G. |
Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
1.1. Die Beurteilung der Beschwerde zeitigt über den Kanton Bern hinaus Auswirkungen auf die übrigen Konkordatskantone. Die KKJPD hat das Konkordat geschaffen. Sie nimmt in den bundesgerichtlichen Verfahren die Interessen der Konkordatskantone wahr und hat eine Stellungnahme zur Beschwerde eingereicht. Dementsprechend wird die Konferenz im vorliegenden Verfahren als Partei behandelt (vgl. BGE 137 I 31, nicht publizierte E. 1.1 mit Hinweis).
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1.2. Die Beschwerdeführer beanstanden die Bestimmungen des Konkordats in seiner Fassung vom 2. Februar 2012 (mit den Änderungen gemäss BGE 140 I 2). Das Konkordat kann als kantonaler Erlass gemäss Art. 82 lit. b BGG angefochten werden (vgl. BGE 138 I 435 E. 1.1 S. 439 mit Hinweisen). Das hat im Falle der Gutheissung der Beschwerde - soweit sich die einzelnen Vorschriften nicht verfassungs- und konventionskonform auslegen lassen - zur Folge, dass die entsprechenden Konkordatsbestimmungen aufgehoben werden (BGE 137 I 31 E. 1.3 S. 39 mit Hinweisen).
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1.3. Gemäss Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG ist zur Anfechtung eines kantonalen Erlasses legitimiert, wer durch den Erlass aktuell oder virtuell besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Änderung oder Aufhebung hat. Das schutzwürdige Interesse kann rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein. Virtuelles Berührtsein setzt voraus, dass der Beschwerdeführer von der angefochtenen Regelung früher oder später einmal mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit unmittelbar betroffen ist (BGE 137 I 77 E. 1.4 S. 81).
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1.3.1. Der Beschwerdeführer A.________ ist nach seinen Angaben ein gelegentlicher Besucher von Fussballspielen der höchsten Spielklassen und wird als solcher von den Bestimmungen des geänderten Konkordats zumindest virtuell berührt. Die Konkordatsbestimmungen sind geeignet, seine Freiheit zu beschränken. Daraus ergibt sich sein schutzwürdiges Interesse an der Änderung oder Aufhebung der umstrittenen Bestimmungen.
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1.3.2. Ein als juristische Person konstituierter Verband kann die Verletzung von Freiheitsrechten seiner Mitglieder geltend machen, soweit er nach den Statuten die entsprechenden Interessen zu wahren hat und die Mehrheit oder zumindest eine Grosszahl der Mitglieder durch die angefochtene Regelung direkt oder virtuell betroffen wird (sog. "egoistische Verbandsbeschwerde"; vgl. BGE 130 I 26 E. 1.2.1 S. 30 mit Hinweisen).
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1.4. Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdeschrift darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Das Bundesgericht prüft Verletzungen von Grundrechten gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nur insofern, als entsprechende Rügen in der Beschwerdeschrift vorgebracht und begründet werden.
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1.5. Der Erwahrungsbeschluss des Regierungsrats betreffend die Genehmigung der Änderung des Konkordats wurde im kantonalen Amtsblatt vom 19. Februar 2014 publiziert. Mit der Beschwerdeeinreichung am 20. März 2014 ist die 30-tägige Beschwerdefrist gemäss Art. 101 BGG eingehalten.
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1.6. Da die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten, soweit sie den Begründungsanforderungen (E. 1.4) entspricht.
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Erwägung 2 |
Erwägung 3 | |
3.1. Zu Art. 3b Abs. 2 des Konkordats legen die Beschwerdeführer dar, dass eine Kompetenz, welche die delegierende Stelle nicht besitze, auch nicht delegiert werden könne. Sie beziehen diese Aussage auf die privaten Sicherheitsunternehmen, die Personen unabhängig von einem Verdacht über den Kleidern auf verbotene Gegenstände abtasten können, wobei die Polizei als delegierende Stelle jedoch selbst nicht über diese Kompetenz verfüge (vgl. BGE 140 I 2 E. 10 S. 28 ff.). Die Beschwerdeführer übersehen dabei, dass präventive polizeiliche Kontrollen zu den allgemeinen Sicherheitsaufgaben der Polizei gehören, die unter anderem bei Grossveranstaltungen oder im Rahmen von Personenkontrollen in Flughäfen üblich sind (vgl. BGE 140 I 2 E. 10.6.2.2 S. 36 mit Hinweis). Obwohl es sich bei einem Stadion um einen halb-öffentlichen Raum handelt und die primäre Verantwortung für den ordnungsgemässen Ablauf einer Veranstaltung beim Stadionbetreiber liegt, ist die Polizei für die Sicherheit in den Stadien mitverantwortlich. Je grösser die Gefahr von Sicherheitsstörungen ist, desto grösser erscheint die Notwendigkeit, dass die Polizei für die Sicherheit verantwortlich ist (Bundesamt für Justiz, Gutachten vom 3. Februar 2011 zu Zutrittskontrollen in Stadien: Durchsuchungen im Intimbereich, S. 9, https://www.bj.admin.ch/bj/de/home/ publiservice/berichte.html Stichwort Hooliganismus, besucht am 12. November 2014). Inwiefern die Delegation von Kontrollbefugnissen bei Veranstaltungen im halb-öffentlichem Raum an entsprechend geschultes privates Sicherheitspersonal nicht zulässig sein soll, ist nicht ersichtlich, solange der verfassungsrechtliche Rahmen eingehalten wird (BGE 140 I 2 E. 10.6.2.2 S. 35). Beim Kauf eines Tickets für eine Veranstaltung kann eine Durchsuchung beim Zutritt zum halb-öffentlichen Raum in den Vertragsbedingungen vorgesehen werden. Im Unterschied zu polizeilichen Durchsuchungen im öffentlichen Raum handelt es sich dabei nicht um eine Zwangsmassnahme im Sinne von Art. 249 f. StPO, welche den Polizeiorganen vorbehalten ist (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_225/2012 vom 10. Juli 2013 E. 3.7, auszugsweise publiziert in SJ 2014 I 37). Die betroffene Person ist frei, in die Durchsuchung einzuwilligen oder diese zu verweigern, was zur Folge haben kann, dass ihr der Zutritt zur Veranstaltung verwehrt wird (vgl. BGE 140 I 2 E. 10.6.3 S. 37). Die Wahrnehmung bestimmter Durchsuchungshandlungen durch private Sicherheitsdienste ist somit im nach dem Konkordat vorgesehenen Umfang auch unter dem Gesichtspunkt der Kompetenzordnung nicht zu beanstanden.
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3.2. In BGE 140 I 2 E. 9.3.3 S. 27 f. hat das Bundesgericht dargelegt, dass die Weitergabe der in der Datenbank HOOGAN enthaltenen Daten an Organisatoren von Sportveranstaltungen in der Schweiz auf einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage beruht (Art. 24a Abs. 8 BWIS). Diese wird insbesondere durch Art. 10 der Verordnung vom 4. Dezember 2009 über verwaltungspolizeiliche Massnahmen des Bundesamtes für Polizei und über das Informationssystem HOOGAN (VVMH; SR 120.52) ergänzt. Nach dieser Bestimmung müssen die Sicherheitsverantwortlichen und gegebenenfalls die Organisatoren von Sportveranstaltungen die Daten nach der Sportveranstaltung umgehend vernichten. Sie haben die datenliefernde Behörde innert 24 Stunden über die Vernichtung zu unterrichten.
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3.3. Schliesslich beantragen die Beschwerdeführer, dass Spiele ohne grosses Zuschaueraufkommen keiner Bewilligungspflicht unterstellt werden sollten.
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Erwägung 4 |
Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1.
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2.
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3.
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Lausanne, 21. November 2014
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Fonjallaz
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Der Gerichtsschreiber: Haag
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