VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2C_318/2014  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2C_318/2014 vom 27.11.2014
 
{T 0/2}
 
2C_318/2014
 
 
Urteil vom 27. November 2014
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Donzallaz, Kneubühler,
 
Gerichtsschreiberin Hänni.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Bundesamt für Migration, Beschwerdeführer,
 
gegen
 
A.________, Beschwerdegegner,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Bolzli,
 
Migrationsamt des Kantons Zürich.
 
Gegenstand
 
Widerruf Niederlassungsbewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, vom 12. Februar 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Das Bundesamt für Migration ist im Ausländerrecht befugt, gegen kantonal letztinstanzliche richterliche Entscheide mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht zu gelangen (Art. 82 i.V.m. Art. 83 lit. c e contrario und Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Seine Beschwerdebefugnis ergibt sich aus Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 der Organisationsverordnung für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (OV-EJPD) vom 17. November 1999 (SR 172.213.1). Sie dient der richtigen und einheitlichen Anwendung des Bundesrechts und setzt kein hierüber hinausgehendes spezifisches schutzwürdiges (öffentliches) Interesse voraus. Immerhin muss ein mit Blick auf die einheitliche Anwendung des Bundesrechts in vergleichbaren Fällen zureichendes Interesse an der Beurteilung der aufgeworfenen Probleme bestehen (vgl. BGE 135 II 338 E. 1.2.1 S. 341 f.; 134 II 201 E. 1.1 S. 203; 128 II 193 E. 1 S. 195 f.; Urteil 2C_861/2013 vom 11. November 2013 E. 1, nicht publ. in BGE 140 II 74 ff.).
1
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann diesen bloss berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2
 
Erwägung 2
 
2.1. Die Niederlassungsbewilligung kann widerrufen werden, wenn die ausländische Person zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe, d.h. zu einer solchen von mehr als einem Jahr, verurteilt worden ist (Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b AuG; BGE 135 II 377 E. 4.2 S. 381; 137 II 297 E. 2) oder wenn sie in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat bzw. diese gefährdet (Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG). Hiervon ist auszugehen, wenn die ausländische Person durch ihre Handlungen besonders hochwertige Rechtsgüter verletzt oder in Gefahr bringt oder sie sich von strafrechtlichen Massnahmen nicht beeindrucken lässt und damit zeigt, dass sie auch künftig weder gewillt noch fähig erscheint, sich an die Rechtsordnung zu halten, was jeweils im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu prüfen ist (BGE 139 I 16 E. 2 S. 18 ff., 31 E. 2 S. 32 ff.; 137 II 297 E. 3 S. 302 ff.; Urteile 2C_562/2011 vom 21. November 2011 E. 3.2 und 2C_310/2011 vom 17. November 2011 E. 5).
3
2.2. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung muss in jedem Fall verhältnismässig sein (vgl. dazu BGE 139 I 16 E. 2.2.2 S. 20 f.; 135 II 377 E. 4.3 u. 4.5 S. 381 f., 383). Dabei sind namentlich die Schwere des Delikts und des Verschuldens des Betroffenen, der seit der Tat vergangene Zeitraum, das Verhalten des Ausländers während diesem, der Grad seiner Integration bzw. die Dauer der bisherigen Anwesenheit sowie die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen (BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381 f.; vgl. auch das Urteil des EGMR i.S. 
4
 
Erwägung 3
 
3.1. Das Bundesamt für Migration bringt vor, entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen bestehe ein grosses öffentliches Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdegegners. Die Delinquenz im Bereich des Betäubungsmittelhandels lasse sich im betriebenen Ausmass nicht mit einer Beschaffungskriminalität erklären. Auch ein geringes Rückfallrisiko in die Delinquenz sei in solchen Fällen nach der bundesrechtlichen Praxis jeweils nicht hinzunehmen. Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz wäre auch der Bezug von Sozialhilfeleistungen als öffentliches Interesse zu berücksichtigen und in die Verhältnismässigkeitsprüfung mit einzubeziehen gewesen.
5
3.2. Der Beschwerdegegner wurde am 4. September 2012 der qualifizierten Widerhandlung gegen Art. 19 Abs. 1 lit. c und d des Betäubungsmittelgesetzes schuldig gesprochen. Mit seiner Verurteilung zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 24 Monaten ist ein Widerrufsgrund für seine Niederlassungsbewilligung gegeben (Art. 63 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 62 lit. b AuG; oben E. 2.1). Es stellt sich die Frage, ob die Vorinstanz sämtliche wesentlichen öffentlichen Interessen, die gegen einen weiteren Aufenthalt des Beschwerdegegners sprechen, angeführt und angemessen gewichtet hat.
6
3.2.1. Die Verurteilung betrifft den im Ausländerrecht generell schwer zu gewichtenden Betäubungsmittelbereich (vgl. BGE 139 I 31 E. 2.3.2 S. 34; 139 I 16 E. 2.2.2 S. 20; 129 II 215 E. 6 und 7 S. 220 ff.; 125 II 521 E. 4a S. 527 mit Hinweisen; vgl. die EGMR-Urteile 
7
3.2.2. Der Beschwerdegegner hat die Delikte bei gleichzeitigem Bezug von Sozialhilfegeldern verübt. Er nahm solche Gelder von Februar 2009 bis April 2012 im Umfang von ca. Fr. 90'000.-- in Anspruch, weswegen er bereits 2011 ausländerrechtlich verwarnt wurde. Der Bezug von Sozialhilfegeldern, den der Gesetzgeber auch als eigenständigen Widerrufsgrund anführt (vgl. Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG; vgl. hierzu Urteile 2C_1058/2013 vom 11. September 2014 E. 2.1; 2D_17/2011 vom 26. August 2011 E. 1.2; 2C_268/2011 vom 22. Juli 2011 E. 6.1 f.), muss als Kriterium in die Verhältnismässigkeitsprüfung miteinbezogen werden (vgl. zuletzt Urteile 2C_611/2013 vom 13. Oktober 2014 E. 3.2.1; 2C_665/2014 vom 9. Oktober 2014 E. 3.1; 2C_953/2013 vom 16. September 2014 E. 3.2.2). In Abweichung zu den vorinstanzlichen Erwägungen vermag die Sozialhilfeabhängigkeit des Beschwerdegegners demnach im Rahmen der Interessenabwägung - die sich auch massgeblich an der Integration des Ausländers orientiert (vgl. Art. 4 AuG) -, keine Delinquenz im Betäubungsmittelbereich zu "erklären" oder zu rechtfertigen.
8
3.2.3. Dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung sind die persönlichen Verhältnisse beim Beschwerdegegner gegenüberzustellen. Dieser ist in seinem 29. Lebensjahr in die Schweiz gekommen und hält sich seit 2002 hier auf. Er hat teilweise, offenbar auch wieder seit Juli 2013, als Hilfskoch an verschiedenen Orten gearbeitet, war aber über längere Zeit arbeitslos und sozialhilfeabhängig. Er kann vor diesem Hintergrund nicht als wirtschaftlich integriert gelten. Demgegenüber hat er seine Kindheit und Jugend sowie einen Teil seines Erwachsenenlebens in Peru verbracht. Er ist mit den sozio-kulturellen Gegebenheiten wie auch mit der Sprache seiner Heimat bestens vertraut. Zudem pflegt er intensiven telefonischen Kontakt mit seiner Mutter, und ebenso mit seinem Bruder, der in Peru als Universitätsprofessor lehrt. Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen kehrt der Beschwerdegegner sodann regelmässig - zumindest einen Monat pro Jahr - dorthin zurück. Eine (Re-) Integration in seine Heimat, in der er nach wie vor über ein enges familiäres Beziehungsnetz verfügt, ist ihm ohne Weiteres zumutbar. Dass die wirtschaftlichen Umstände dort schwieriger sind als in der Schweiz, vermag hieran praxisgemäss nichts zu ändern (vgl. Urteile 2C_873/2012 vom 28. März 2013 E. 4.3.2; 2C_695/2012 vom 28. Januar 2013 E. 3.2.3).
9
3.2.4. Zu prüfen bleiben die Auswirkungen des angefochtenen Entscheids auf die familiären Beziehungen in der Schweiz. Der Beschwerdegegner ist seit dem 22. Dezember 2012 mit einer Schweizerin verheiratet. Seine Ehegattin trifft eine Ausreise zweifelsohne hart, da sie ausser einem Ferienaufenthalt keine Beziehung zur Heimat ihres Ehemannes hat und auch kaum Spanisch spricht. Die Vorinstanz hätte allerdings auch in Betracht ziehen müssen, dass die Eheschliessung erst rund drei Monate nach der Verurteilung des Beschwerdegegners zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe am 4. September 2012 erfolgte. Diesem wurde das rechtliche Gehör zur geplanten Wegweisung vor der Heirat, am 4. Dezember 2012, gewährt. Der Ehegattin musste - wie dies die Minderheit der Kammer korrekt anführt - schon nach einer 45-tägigen Untersuchungshaft und der Verurteilung im September 2012 bewusst sein, dass sie die Beziehung angesichts der erheblichen Straffälligkeit ihres Gatten im Betäubungsmittelbereich allenfalls inskünftig nicht zusammen mit ihm in der Schweiz würde leben können (BGE 139 I 145 E. 2.4 S. 149). Insgesamt können die privaten Interessen des Beschwerdegegners an einem weiteren Verbleib in der Schweiz nicht als derart gewichtig angesehen werden, dass sie die - von der Vorinstanz unvollständig angeführten - öffentlichen Interessen an der Beendigung seines Aufenthalts zu überwiegen vermöchten.
10
 
Erwägung 4
 
 
Erwägung 5
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
Lausanne, 27. November 2014
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Die Gerichtsschreiberin: Hänni
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).