BGer 6B_865/2013 | |||
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BGer 6B_865/2013 vom 11.12.2014 | |
{T 0/2}
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6B_865/2013
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Urteil vom 11. Dezember 2014 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Mathys, Präsident,
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Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
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Bundesrichter Rüedi,
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Gerichtsschreiber M. Widmer.
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Verfahrensbeteiligte | |
X.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Bauer,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Qualifizierter Raub; Strafzumessung; Willkür,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 23. Mai 2013.
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Sachverhalt: |
A. |
B. |
C. |
D. |
Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
1.1. Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer sei am Überfall vom 22. Dezember 2008 beteiligt gewesen. Er habe zusammen mit einem Mittäter das Opfer vor dessen Villa angegriffen, niedergeschlagen und mit Klebeband zu fesseln versucht, um ihm einen Diamantring, eine Armbanduhr sowie Bargeld abzunehmen.
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1.2. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Feststellung des Sachverhalts, wenn sie willkürlich ist (BGE 139 II 404 E. 10.1 mit Hinweisen; 137 IV 1 E. 4.2.3; 134 IV 36 E. 1.4.1). Dem Grundsatz in dubio pro reo kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 127 I 38 E. 2a; 124 IV 86 E. 2a; je mit Hinweisen).
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1.3. Die Einwände des Beschwerdeführers erschöpfen sich weitgehend in einer unzulässigen appellatorischen Kritik. Er beschränkt sich darauf, der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung seine eigene Sicht gegenüberzustellen, ohne jedoch aufzuzeigen, dass und inwiefern der angefochtene Entscheid geradezu willkürlich sein soll. Mit der Beweiswürdigung der Vorinstanz setzt er sich nicht hinreichend auseinander.
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1.4. Die Rüge ist unbegründet, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann.
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Erwägung 2 | |
3. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorinstanzliche Qualifikation des Überfalls als qualifizierter Raub im Sinne von Art. 140 Ziff. 4 StGB. Er habe das Opfer nicht grausam behandelt.
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Erwägung 3.1 | |
3.1.1. Den Tatbestand des Raubs im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erfüllt, wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht. Qualifizierter Raub liegt unter anderem vor, wenn der Täter das Opfer grausam behandelt (Art. 140 Ziff. 4 StGB). Der Begriff der Grausamkeit ist identisch mit demjenigen bei der qualifizierten Freiheitsberaubung, sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung (Urteile 6B_988/2013 vom 5. Mai 2014 E. 1.3.3; 6S.81/2005 vom 12. August 2005 E. 2.3; 6S.320/2004 vom 29. Oktober 2004 E. 4.2; je mit Hinweisen; NIGGLI/RIEDO, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 3. Aufl. 2013, N. 163 zu Art. 140 StGB; STRATENWERTH/JENNY/BOMMER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 7. Aufl. 2010, § 13 N. 135). Die grausame Behandlung ist ein sachliches Merkmal. Sie wird auch dem Mittäter angerechnet ( NIGGLI/RIEDO, a.a.O., N. 164 zu Art. 140 StGB).
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3.1.2. Gewalt oder Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben sind Merkmale des Grundtatbestands. Die grausame Behandlung setzt voraus, dass der Täter dem Opfer andere oder mehr Leiden zufügt, als diejenigen, welche die betreffende Person allein schon deswegen erduldet, weil sie beraubt wird. Insoweit müssen diese besonderen physischen oder psychischen Leiden, welche dem Opfer wissentlich und willentlich zugefügt werden, über das Mass hinausgehen, das schon zur Verwirklichung des Grundtatbestands gehört. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die verursachten Beeinträchtigungen weitere Straftatbestände erfüllen. Grausamkeit liegt vor, wenn der Täter dem Opfer aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung rücksichtslos besonders schwere Leiden zufügt, was sich in deren Stärke, Dauer oder Wiederholung äussern kann. Auch eine zwecklose Bosheit, die zur Verwirklichung des Plans des Täters ganz unnötig war und nur mit einem sadistischen Vergnügen oder doch mindestens der ausdrücklichen Absicht, Schmerz zuzufügen, erklärt werden kann, ist als grausam zu bezeichnen (vgl. BGE 119 IV 49 E. 3d; 106 IV 363 E. 4e; Urteile 6B_988/2013 vom 5. Mai 2014 E. 1.3.3; 6S.81/2005 vom 12. August 2005 E. 2.3 f.; 6S.320/2004 vom 29. Oktober 2004 E. 4.2; 8G.49/2003 vom 7. Mai 2003 E. 2; je mit Hinweisen; STRATENWERTH/ JENNY/BOMMER, a.a.O., § 5 N. 59).
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3.2. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer und der Mittäter hätten massive Gewalt angewendet, um dem Opfer den Ring, die Uhr und das Geld abzunehmen. Der überfallene Mann habe bei der polizeilichen Befragung angegeben, die Täter hätten ihn zu Boden geworfen und mit kurzen Totschlägern auf ihn eingeprügelt wie die Wilden. Man habe nicht gerade sehr sanft, sondern mit aller Gewalt auf ihn eingedroschen. Als er auf dem Boden gelegen habe, hätten die Täter gegen seinen Kopf getreten. Diese Angaben würden durch das Gutachten des IRM St. Gallen vom 24. Dezember 2008 gestützt. Daraus gehe hervor, dass das Opfer unmittelbar nach dem Überfall zahlreiche Rissquetschwunden und Hautabschürfungen im Gesicht und an der linken Kopfoberseite, kratzerförmige Hautabschürfungen an der Streckseite des linken Unterarms und eine Hautunterblutung mit Hautabschürfungen an der Streckseite der rechten Hand aufgewiesen habe. Das Opfer sei von einer oder mehreren Fremdpersonen misshandelt worden, wobei neben Fäusten auch ein länglicher fester Gegenstand eingesetzt worden sein könnte. Die Wucht, mit welcher die Täter zugeschlagen haben müssen, ergebe sich aus dem Fotodossier der Kantonspolizei. Der Beschwerdeführer und der Mittäter seien mit überaus brutaler Gewalt gegen das Opfer vorgegangen. Da dieses im Zeitpunkt des Überfalls schon bald 80 Jahre alt gewesen sei, hätte seine Widerstandsunfähigkeit mit weit geringerer Gewaltanwendung erreicht werden können. Hinzu komme, dass die Täter dem Opfer einen Plastiksack über den Kopf stülpten und versuchten, diesen mit Klebeband um den Hals zu befestigen. Das Opfer habe dadurch den Eindruck erhalten, man wolle es nicht bloss berauben, sondern auch ersticken. Mit diesem Vorgehen hätten die Täter das Opfer grausam behandelt.
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3.3. Der Beschwerdeführer und der Mittäter haben das Opfer äusserst brutal behandelt. Die von ihnen angewandte Gewalt ging weit über das Mass hinaus, das zur Verwirklichung des Grundtatbestands des Raubs gehört und erforderlich war, um den Widerstand des knapp 80-jährigen Opfers zu brechen. Sie schlugen zu zweit mit Totschlägern auf das Opfer ein und versetzten diesem Fusstritte gegen den Kopf, als es bereits wehrlos am Boden lag. Indem sie diesem zudem einen Plastiksack über den Kopf stülpten und mit Klebeband zu fixieren versuchten, malträtierten sie es unnötigerweise zusätzlich und in erheblicher Weise, sodass es um sein Leben fürchtete. Der Beschwerdeführer und der Mittäter fügten dem Opfer rücksichtslos und unbarmherzig besonders schwere physische und psychische Leiden zu. Es verstösst nicht gegen Bundesrecht, wenn die Vorinstanz dieses Verhalten im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens als grausam im Sinne von Art. 140 Ziff. 4 StGB qualifiziert.
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Erwägung 4 |
Erwägung 5 |
Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 11. Dezember 2014
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Mathys
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Der Gerichtsschreiber: M. Widmer
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