BGer 9C_653/2014 | |||
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BGer 9C_653/2014 vom 06.03.2015 | |
9C_653/2014
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{T 0/2}
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Urteil vom 6. März 2015 |
II. sozialrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
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Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless,
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Gerichtsschreiber Furrer.
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Verfahrensbeteiligte | |
Bundesamt für Sozialversicherungen,
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Effingerstrasse 20, 3003 Bern 3,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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A.________,
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vertreten durch Advokat Guido Ehrler,
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Beschwerdegegner,
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IV-Stelle Basel-Stadt,
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Lange Gasse 7, 4052 Basel.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 18. Juni 2014.
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Sachverhalt: | |
A. Der 1964 geborene A.________ meldete sich am 4. Juni 1998 bei der Invalidenversicherung (IV) zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Basel Stadt (nachfolgend: IV-Stelle) führte erwerbliche und medizinische Abklärungen durch und verneinte mit Verfügung vom 16. Juni 2000 einen Rentenanspruch. Auf Beschwerde hin hob die (damalige) kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen und die IV-Stellen die Verfügung auf und wies die Sache zur Vornahme weiterer Abklärungen an die IV-Stelle zurück (Entscheid vom 6. April 2001). In der Folge veranlasste die IV-Stelle ein bidisziplinäres Gutachten (Expertisen des Dr. med. B.________, Facharzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation sowie Rheumatologie FMH, und des PD Dr. med. C.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 4. und 9. Juli 2002) und sprach A.________ eine ganze Invalidenrente mit Wirkung ab 1. Dezember 1998 zu (Invaliditätsgrad von 100 %; Verfügungen vom 6. Januar und 18. Februar 2003). Der Anspruch auf ein ganze Invalidenrente wurde am 27. April 2007 revisionsweise bestätigt.
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Im Rahmen einer Überprüfung des Rentenanspruchs gestützt auf die per 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen der Änderung des IVG vom 18. März 2011 (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket [AS 2011 5659]; nachfolgend: SchlB IVG) gab die IV-Stelle erneut eine bidisziplinäre Expertise in Auftrag (Gutachten der Dres. med. D.________, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Rheumatologie FMH, und E.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 23. April 2013; ergänzende Stellungnahme des Dr. med. D.________ vom 30. Juli 2013). Nach einem persönlichen Gespräch mit A.________ und Durchführung des Vorbescheidverfahrens hob die IV-Stelle mit Verfügung vom 22. Januar 2014 den Rentenanspruch per 28. Februar 2014 hin auf (Invaliditätsgrad von 36 %).
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B. In teilweiser Gutheissung der von A.________ erhobenen Beschwerde hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt die angefochtene Verfügung auf und reduzierte die ganze Invalidenrente mit Wirkung ab 1. März 2014 auf eine Dreiviertelsrente.
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C. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es sei der kantonale Entscheid aufzuheben und die Verfügung vom 22. Januar 2014 zu bestätigen.
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Während die IV-Stelle auf Gutheissung der Beschwerde schliesst, trägt der Beschwerdegegner auf Abweisung der Beschwerde an. Gleichzeitig ersucht er um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung.
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Mit Eingabe vom 3. November 2014 liess sich der Beschwerdegegner erneut vernehmen.
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Erwägungen: | |
1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2. Die Vorinstanz erwog, eine Rentenrevision gestützt auf die SchlB IVG falle gemäss BGE 139 V 547 E. 10.1 S. 568 f. nicht in Betracht. Zwar sei die Rentenzusprache vorwiegend aufgrund der psychiatrischen Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10: F45.4) erfolgt, daneben hätten aber auch somatischen Beschwerden mit Einschränkung auf die Arbeitsfähigkeit (u.a. eine chronische Arthritis beider Sakroiliakalgelenke) bestanden. Jedoch sei zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Revision gemäss Art. 17 ATSG erfüllt seien. In somatischer Hinsicht sei mit Blick auf das Gutachten des Dr. med. D.________, wonach weitestgehend unveränderte klinische Befunde im Vergleich zum Vorgutachten des Rheumatologen Dr. med. B.________ festgestellt worden seien, von einem im Wesentlichen unverändert gebliebenen Sachverhalt auszugehen. Hingegen bestünden in psychischer Hinsicht gemäss Dr. med. E.________ keine Hinweise für eine depressive Störung (Anpassungsstörung) mehr, womit es seit der letzten Begutachtung überwiegend wahrscheinlich zu einer Remission dieser Beschwerden gekommen sei. Ferner diagnostiziere Dr. med. E.________ eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41), welcher er keine Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit beimesse. Mithin bestehe aus psychiatrischer Sicht ab Datum der Untersuchung keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit mehr. Zusammenfassend habe sich der Gesundheitszustand insoweit deutlich verbessert, als adaptierte Tätigkeiten ab April 2013 wieder vollumfänglich zumutbar seien. Rein somatisch sei weiterhin von einer 50 %igen Arbeitsunfähigkeit in Verweistätigkeiten auszugehen. Damit resultiere gestützt auf die von der Verwaltung festgesetzten, unbestrittenen Vergleichseinkommen ein Invaliditätsgrad von 60 % bzw. - im Falle der Gewährung eines Abzugs vom Tabellenlohn von 10 % - von 64 %, womit ab 1. März 2014 noch Anspruch auf eine Dreiviertelsrente bestehe.
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Erwägung 3 | |
3.1. Der von der Vorinstanz zitierte BGE 139 V 547, welcher einer Rentenrevision gestützt auf die SchlB IVG entgegenstehe, wurde mit BGE 140 V 197 präzisiert. Nach diesem ist lit. a Abs. 1 SchlB IVG bei kombinierten Beschwerden anwendbar, wenn die unklaren und die "erklärbaren" Beschwerden - sowohl diagnostisch als auch hinsichtlich der funktionellen Folgen - auseinandergehalten werden können (E. 6.2.3). Ein organisch begründeter Teil der Arbeitsfähigkeit kann bei Anwendbarkeit der SchlB IVG nur neu beurteilt werden, sofern eine Veränderung im Sinne von Art. 17 ATSG eingetreten ist. Insoweit wird im Anwendungsbereich der SchlB IVG vom Grundsatz abgewichen, dass die Verwaltung im Rahmen einer materiellen Revision den Rentenanspruch in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend prüft (Urteil 9C_121/2014 vom 3. September 2014 E. 2.4.2 mit Hinweisen, publ. in: SVR 2014 IV Nr. 39 S. 137).
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3.2. Im vorliegenden Fall basierte die Rentenzusprache auf dem interdisziplinären Gutachten vom 4. bzw. 9. Juli 2002, in welchem aus somatischer Sicht eine 50 %ige Arbeitsfähigkeit in einer leichten bis mittelschweren Tätigkeit für gegeben erachtet wurde. Aus psychiatrischer Sicht wurde eine vollständige Arbeitsunfähigkeit auch für leichte Tätigkeiten attestiert, wofür allein die anhaltende somatoforme Schmerzstörung ausschlaggebend war (das ebenfalls diagnostizierte "depressive Syndrom" [Anpassungsstörung; F43.21] war lediglich reaktiver Natur und nicht invalidisierend). Mithin lassen sich die unklaren und die "erklärbaren" Beschwerden sowohl diagnostisch als auch hinsichtlich der funktionellen Folgen auseinanderhalten. Daher hat die Verwaltung die SchlB IVG - entgegen der Vorinstanz - zu Recht angewendet.
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Die in den Expertisen vom 4. Juli 2002 und 23. April 2013 gestellte Diagnose anhaltende somatoforme Schmerzstörung zählt zu den unklaren Beschwerden. Damit stellt sich im Lichte von lit. a Abs. 1 SchlB IVG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 ATSG und der zugrunde liegenden Rechtsprechung die Frage, ob sich daraus eine Arbeitsunfähigkeit ableiten lässt. Die IV-Stelle hat dies in der Verfügung vom 22. Januar 2014 verneint. Sie stützt sich dabei auf das bidisziplinäre Gutachten der Dres. med. D.________ und E.________ vom 23. April 2013. Das ist nicht zu beanstanden: Weder liegt eine erhebliche Komorbidität vor, noch sind die übrigen in Betracht kommenden Gesichtspunkte in einer Weise erfüllt, welche es der betroffenen Person verunmöglichen würde, trotz der Schmerzstörung zu arbeiten (vgl. BGE 130 V 352 E. 2.2.3 S. 354 f.). Dementsprechend hat auch der psychiatrische Experte überzeugend dargelegt, dass sich aus der auf seinem Fachgebiet gestellten Diagnose keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit ergibt. Als invalidisierend ist daher nur die rheumatologisch bedingte Beeinträchtigung anzusehen. Zu dieser hat die Vorinstanz nicht offensichtlich unrichtig und daher für das Bundesgericht verbindlich (E. 1 hievor) festgestellt, dass sich keine Änderung ergeben hat. Unter diesen Umständen ist eine Neubeurteilung der somatischen Beschwerden, wie sie die Verwaltung vorgenommen hat, nicht zulässig (E. 3.1 hievor). Für eine Neubeurteilung unter dem Titel von Art. 17 ATSG besteht - mangels einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen (der Wegfall der Anpassungsstörung stellt vorliegend keine solche dar) - ebenfalls keine Handhabe (Urteil 8C_237/2014 vom 21. Januar 2015 E. 2.3 und 5.2, zur Publikation bestimmt). Somit bleibt es bei der gutachterlich attestierten Arbeits (un) fähigkeit von 50 % in einer leichten bis mittelschweren Tätigkeit, wovon - im Ergebnis - auch das kantonale Gericht ausgegangen ist. Nach dem Gesagten erübrigt es sich, auf die Rügen des Beschwerdeführers einzugehen, wonach die Vorinstanz Art. 17 ATSG falsch angewendet habe.
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4. Der Einkommensvergleich des kantonalen Gerichts wird nicht beanstandet und gibt keinen Anlass zu Weiterungen. Damit hat es im Ergebnis beim vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden.
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5. Vom BSV als unterliegende Partei sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat der Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Damit ist dessen Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3. Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.- zu entschädigen.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, der IV-Stelle Basel-Stadt und dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 6. März 2015
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Glanzmann
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Der Gerichtsschreiber: Furrer
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