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Informationen zum Dokument  BGer 1C_322/2014  Materielle Begründung
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BGer 1C_322/2014 vom 22.04.2015
 
{T 0/2}
 
1C_322/2014
 
 
Urteil vom 22. April 2015
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Merkli, Karlen, Eusebio, Chaix,
 
Gerichtsschreiberin Gerber.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.________,
 
2. B.________,
 
gegen
 
1. C.________ AG,
 
2. D.________ AG,
 
Beschwerdegegnerinnen,
 
Gemeinde Arosa,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Gian Reto Zinsli.
 
Gegenstand
 
Baubewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 20. Mai 2014
 
des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden,
 
5. Kammer.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
D.
 
 
E.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
1 Bauvorhaben dürfen begonnen werden, sobald die Baubewilligung schriftlich vorliegt. Vorbehalten bleiben anderslautende Anordnungen in einem Rechtsmittelverfahren.
1
Art. 107 KRG Übergangsbestimmungen
2
1 Die bestehenden Ortsplanungen bleiben, soweit Absatz 2 nichts anderes bestimmt, bis zur Anpassung an dieses Gesetz in Kraft. [...]
3
2 Unmittelbar anwendbare Bestimmungen dieses Gesetzes gehen abwei-chenden kommunalen Vorschriften vor. Als unmittelbar anwendbar gelten:
4
- ..]
5
Ziff. 6. das formelle Baurecht (Artikel 85 - 96).
6
Wo dieses Gesetz ergänzende oder abweichende kommunale Vorschriften zulässt, findet das bestehende kommunale Recht weiterhin Anwendung. Vorbehalten bleiben ferner allgemein strengere Vorschriften der Gemeinden.
7
1 Die Lenkungsabgabe wird im Rahmen der Baubewilligung veranlagt.
8
2 Sie wird 10 Tage vor Baubeginn zur Zahlung fällig. Vor der Bezahlung der Lenkungsabgabe darf mit dem Bau nicht begonnen werden.
9
Art. 16 KontG/Arosa Zurückstellen der Baufreigabe
10
 
Erwägung 3
 
3.1. Das Verwaltungsgericht verneinte dies. Es berief sich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 139 II 263 E. 7 S. 268), wonach für die Beurteilung der Nichtigkeit respektive Anfechtbarkeit der Baubewilligung der Zeitpunkt der Bewilligungserteilung durch die Gemeinde massgeblich sei. Die fragliche Baubewilligung sei am 9./12. Juli 2012 erstinstanzlich erteilt worden und sei daher lediglich anfechtbar und nicht nichtig. Diese Auffassung vertreten auch die Beschwerdegegnerinnen und das ARE.
11
3.2. Die Beschwerdeführer wenden dagegen ein, dass die Bewilligung im Jahr 2012 nicht ausgenutzt werden durfte, weil für dieses Jahr kein Kontingent für Zweitwohnungen mehr vorhanden war. Die 2012 erteilte Baubewilligung für das Kontingent 2013, d.h. mit Baufreigabe erst ab 16. April 2013, müsse deshalb einer 2013 erteilten Baubewilligung gleichgestellt werden. Ansonsten könnten neue Bestimmungen umgangen werden, indem die Bewilligung noch kurz vor Inkrafttreten des neuen Rechts erteilt werde, obwohl von ihr erst später, unter der Geltung des neuen Rechts, Gebrauch gemacht werden dürfe.
12
3.3. Die vorliegend streitige Konstellation wurde vom Bundesgericht noch nicht beurteilt. In den Leitentscheiden BGE 139 II 243 und 263 ging es um Baubewilligungen, die nach ihrer Erteilung unmittelbar ausgenutzt werden durften (vorbehältlich der aufschiebenden Wirkung dagegen erhobener Rechtsmittel). Im Urteil 1C_584/2012 vom 4. Juli 2013 war streitig, ob die Gemeinde Silvaplana verpflichtet sei, nachträglich die Baufreigabe für ein 2010 bewilligtes Zweitwohnungsprojekt zu erteilen, obwohl keine Kontingente mehr vorhanden waren. Da die Beschwerde bereits nach kantonalem Recht abzuweisen war, liess das Bundesgericht offen, ob auch Art. 75b Abs. 1 i.V.m. Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV der Baufreigabe entgegenstand.
13
3.4. Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die zwischen dem 1. Januar des auf die Annahme von Artikel 75b folgenden Jahres und dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen erteilt werden, sind nichtig (Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV). Nach seinem Wortlaut betrifft diese Bestimmung somit nur Baubewilligungen, die ab dem 1. Januar 2013 erteilt worden sind.
14
 
Erwägung 4
 
4.1. Ziff. 4 der Baubewilligung sieht vor, dass die Baufreigabe erst nach Zahlung der Lenkungsabgabe ab 16. April 2013 erfolgen darf und das Kontingent verfällt, wenn der Baubeginn nicht vor dem 1. Oktober 2013 erfolgt.
15
4.2. Die Beschwerdeführer erachten dies als willkürlich. Art. 91 KRG sei für die Gemeinden verbindlich (Art. 107 Abs. 2 Ziff. 6 KRG). Dabei sei nicht nur die Frist vorgegeben (in Abs. 2), sondern auch der zulässige Baubeginn (in Abs. 1) geregelt: Bauvorhaben dürften begonnen werden, sobald die Baubewilligung schriftlich vorliege. Der einzige Vorbehalt betreffe anderslautende Anordnungen im Rechtsmittelverfahren. Vorliegend habe damit die Frist bereits am 9. Juli 2012 zu laufen begonnen. Die Baubewilligung sei somit infolge ungenutzten Ablaufs der Baufrist dahingefallen (Art. 91 Abs. 2 KRG).
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4.3. Gemäss Art. 107 Abs. 2 Ziff. 6 KRG sind die Bestimmungen des KRG zum formellen Bauverfahren - zu denen Art. 91 KRG gehört - unmittelbar anwendbar und gehen abweichenden kommunalen Vorschriften vor. Strengere kommunale Vorschriften bleiben zulässig, d.h. das kommunale Recht dürfte die Baubeginnfrist verkürzen, nicht aber verlängern (vgl. Departement für Volkswirtschaft und Soziales Graubünden, Arbeitshilfe zum KRG vom 1. Dezember 2010, S. 93).
17
Lief die Einjahresfrist gemäss Art. 91 Abs. 2 KRG somit erst ab 16. April 2013, erfolgte der Baubeginn am 26. September 2013 rechtzeitig. Auch die in der Baubewilligung gesetzte (kürzere und damit nach Art. 107 Abs. 2 KRG zulässige) Frist bis zum 1. Oktober 2013 wurde eingehalten.
18
 
Erwägung 5
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
 
3. Die Beschwerdeführer haben die privaten Beschwerdegegnerinnen mit Fr. 4'000.-- für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Arosa, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, und dem Bundesamt für Raumentwicklung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 22. April 2015
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Die Gerichtsschreiberin: Gerber
 
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