BGer 2C_311/2014 | |||
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BGer 2C_311/2014 vom 30.04.2015 | |
{T 0/2}
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2C_311/2014
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Urteil vom 30. April 2015 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Zünd, Präsident,
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Bundesrichter Seiler, Haag,
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Gerichtsschreiber Klopfenstein.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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Beschwerdeführer,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter J. Marti,
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gegen
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Steueramt des Kantons Solothurn,
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Kantonales Steueramt Aargau.
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Gegenstand
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Steuerdomizil für 2012,
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Beschwerde gegen das Urteil des
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Kantonalen Steuergerichts Solothurn
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vom 13. Januar 2014.
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Sachverhalt: |
A. |
B. |
C. |
D. |
E. |
F. |
Erwägungen: |
1. | |
1.1. Gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid des Steuergerichts des Kantons Solothurn betreffend die Feststellung des Steuerdomizils für das Steuerjahr 2012 ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (vgl. Art. 82 lit. a in Verbindung mit Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Der Beschwerdeführer ist gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG zur Anfechtung des vorinstanzlichen Urteils legitimiert. Auf sein frist- und formgerecht eingereichtes Rechtsmittel ist einzutreten (vgl. Art. 100 und Art. 42 BGG).
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1.2. Bei Beschwerden wegen interkantonaler Kompetenzkonflikte kann auch eine allenfalls bereits rechtskräftige Veranlagung eines anderen Kantons für dieselbe Steuerperiode mit angefochten werden (vgl. Art. 100 Abs. 5 BGG), obwohl diese in der Regel kein Urteil im Sinne von Art. 86 BGG bildet (BGE 133 I 300 E. 2.4 S. 307, 308 E. 2.4 S. 313). Im vorliegenden Fall richtet sich die Beschwerde gegen ein Urteil des Steuergerichts des Kantons Solothurn. Der Beschwerdeführer stellt zudem den Eventualantrag, es sei, für den Fall der Feststellung eines Steuerdomizils 2012 im Kanton Solothurn, die bereits rechtskräftige Veranlagung des Kantons Aargau aufzuheben. Damit gilt letztere als mit angefochten und richtet sich die vorliegende Beschwerde materiell auch gegen den Kanton Aargau, welcher aus diesem Grunde zur Vernehmlassung eingeladen wurde.
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1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Deren Sachverhaltsfeststellungen können nur berichtigt werden, sofern sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG). Dies ist dann der Fall, wenn der Sachverhalt willkürlich ermittelt worden (Art. 9 BV) oder dessen Feststellung unter Verletzung bundesrechtlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist (BGE 135 II 145 E. 8.1 S. 153). Zudem muss aufgezeigt werden, dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).
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2. | |
2.1. Eine gegen Art. 127 Abs. 3 BV verstossende Doppelbesteuerung liegt vor, wenn eine steuerpflichtige Person von zwei oder mehreren Kantonen für das gleiche Steuerobjekt und für die gleiche Zeit zu Steuern herangezogen wird (aktuelle Doppelbesteuerung) oder wenn ein Kanton in Verletzung der geltenden Kollisionsnormen seine Steuerhoheit überschreitet und eine Steuer erhebt, die einem anderen Kanton zusteht (virtuelle Doppelbesteuerung).
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2.2. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 127 Abs. 3 BV ist der steuerrechtliche Wohnsitz (Hauptsteuerdomizil) einer unselbständig erwerbenden Person derjenige Ort, wo sich die betreffende Person mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält (vgl. auch Art. 3 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]; Art. 3 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11] sowie Art. 23 Abs. 1 ZGB) bzw. wo sich faktisch der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen befindet (vgl. BGE 132 I 29 E. 4.2 S. 36 f.; 125 I 54 E. 2 S. 56; 123 I 289 E. 2a S. 293). Dieser Mittelpunkt der Lebensinteressen bestimmt sich nach der Gesamtheit der objektiven, äusseren Umstände, aus denen sich diese Interessen erkennen lassen, nicht nach den bloss erklärten Wünschen der steuerpflichtigen Person. Auf die gefühlsmässige Bevorzugung eines Ortes kommt es nicht an; der steuerrechtliche Wohnsitz ist insofern nicht frei wählbar. Dem polizeilichen Domizil, wo die Schriften hinterlegt sind oder wo die politischen Rechte ausgeübt werden, kommt dagegen keine entscheidende Bedeutung zu; das sind bloss äussere Merkmale, die ein Indiz für den steuerrechtlichen Wohnsitz bilden können, wenn auch das übrige Verhalten der Person dafür spricht (statt vieler: BGE 132 I 29 E. 4.1 S. 35 f.).
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Bei verheirateten Personen mit Beziehungen zu mehreren Orten werden die persönlichen und familiären Kontakte zum Ort, wo sich ihre Familie aufhält, als stärker erachtet als diejenigen zum Arbeitsort, wenn sie in nicht leitender Stellung unselbständig erwerbstätig sind und täglich oder an den Wochenenden regelmässig an den Familienort zurückkehren. Demnach unterstehen verheiratete Pendler oder Wochenaufenthalter grundsätzlich ausschliesslich der Steuerhoheit desjenigen Kantons, in dem sich ihre Familie aufhält (BGE 132 I 29 E. 4.2 und 4.3 S. 36 f. mit Hinweisen).
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Diese Praxis findet auch auf ledige Personen Anwendung, zählt die Rechtsprechung doch Eltern und Geschwister ebenfalls zur Familie des Steuerpflichtigen. Allerdings werden die Kriterien, nach denen das Bundesgericht entscheidet, wann anstelle des Arbeitsorts der Aufenthaltsort der Familie als Hauptsteuerdomizil anerkannt werden kann, besonders streng gehandhabt; dies folgt aus der Erfahrung, dass die Bindung zur elterlichen Familie regelmässig lockerer ist als diejenige unter Ehegatten. Bei ledigen Steuerpflichtigen ist vermehrt noch als bei verheirateten Personen zu berücksichtigen, ob weitere als nur familiäre Beziehungen zum einen oder anderen Ort ein Übergewicht begründen. Dadurch erhält der Grundsatz, wonach das Hauptsteuerdomizil von Unselbständigerwerbenden am Arbeitsort liegt, grösseres Gewicht: Selbst wenn ledige Steuerpflichtige allwöchentlich zu den Eltern oder Geschwistern zurückkehren, können die Beziehungen zum Arbeitsort überwiegen. Dies kann namentlich dann zutreffen, wenn sie sich am Arbeitsort eine Wohnung eingerichtet haben oder über einen besonderen Freundes- und Bekanntenkreis verfügen. Besonderes Gewicht haben in diesem Zusammenhang auch die Dauer des Arbeitsverhältnisses und das Alter des Steuerpflichtigen (BGE 125 I 54 E. 2b/ bb S. 57 mit Hinweisen). Die bundesgerichtliche Praxis geht dabei davon aus, dass die Beziehungen des Steuerpflichtigen zur elterlichen Familie regelmässig nicht mehr so stark sind, wenn der Steuerpflichtige das 30. Altersjahr überschritten hat, oder aber sich seit mehr als fünf Jahren ununterbrochen am selben Arbeitsort aufhält (Urteile 2C_518/2011 vom 1. Februar 2012 E. 2.1; 2C_397/2010 vom 6. Dezember 2010 E. 1.3, in: StE 2011 A 24.21 Nr. 22, mit Hinweis auf Urteil 2P.25/1993 vom 20. Januar 1994 E. 3c, in: ASA 63 S. 836, 842).
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2.3. In Bezug auf die Beweisführung sind folgende Grundsätze massgebend: Der Umstand, dass ein unverheirateter Steuerpflichtiger vom Ort aus, wo er sich während der Woche aufhält, einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht, begründet nach der Rechtsprechung eine natürliche Vermutung, dass er dort seinen Lebensmittelpunkt und - als rechtliche Folge davon - sein Hauptsteuerdomizil hat. Diese Vermutung lässt sich nur entkräften, wenn er regelmässig, mindestens ein Mal pro Woche, an den Ort zurückkehrt, wo seine Familie lebt, mit welcher er aus bestimmten Gründen besonders eng verbunden ist, und wo er andere persönliche und gesellschaftliche Beziehungen pflegt. Wenn der steuerpflichtigen Person der Nachweis solcher familiärer und gesellschaftlicher Beziehungen am Ort, wo die Familie wohnt, gelingt, obliegt es dem Kanton des Wochenaufenthalts- oder Arbeitsorts nachzuweisen, dass die Person gewichtige wirtschaftliche und allenfalls persönliche Beziehungen zu diesem Ort unterhält (Urteile 2C_397/2010 vom 6. Dezember 2010 E. 2.3; 2C_748/2008 vom 19. März 2008 E. 3.2 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 125 I 54 E. 3a S. 58). Die steuerpflichtige Person ist allerdings verpflichtet, im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht die für einen Nachweis nötigen Informationen und Aufschlüsse zu erteilen (Art. 42 StHG, Art. 126 DBG).
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3. | |
3.1. Aus diesen Grundsätzen ergibt sich vorliegend zunächst eine natürliche Vermutung, dass sich der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers in der fraglichen Steuerperiode 2012 in W.________ befand: Der damals 39-jährige Beschwerdeführer ist seit 2011 in W.________ als Wochenaufenthalter gemeldet, wo er zunächst im Personalhaus des Spitals wohnte. Auf den 1. Oktober 2012 mietete er eine 2-Zimmer-Wohnung mit Garage an der X.________gasse in W.________, welche er selbst möbliert hat. Nach Abschluss seines Studiums in V.________ hatte er an verschiedenen Stellen im In- und Ausland (2008 - 2010 in Z.________) gearbeitet. Am 1. November 2011 trat er zum Zweck der akademischen Weiterbildung eine Vollzeit-Stelle als "Oberarzt Anästhesie und Intensivmedizin" am Spital Y.________ an. Bei dieser Sachlage muss der Beschwerdeführer nachweisen, dass er regelmässig nach U.________ zurückkehrt, sowie dass er dort familiär eng verbunden ist und persönliche und gesellschaftliche Beziehungen pflegt, welche den Schluss zulassen, er habe dort seinen Lebensmittelpunkt.
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3.2. Das Steuergericht ging selber davon aus, dass der Beschwerdeführer auch im hier umstrittenen Steuerjahr 2012 in seiner Freizeit regelmässig nach U.________ zurückkehrte. Die Vorinstanz erwog, dort lebten seine Eltern, und im selben Haus habe auch er eine Wohnung. Aus der Wohnsituation könne aber nicht abgeleitet werden, dass der Beschwerdeführer eine stärkere Bindung zu U.________ als zu W.________ gehabt hätte; beide Wohnungen seien für einen längeren Aufenthalt geeignet gewesen. Hingegen habe sich der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben 5 Tage pro Woche in W.________ aufgehalten, sei von dort zur Arbeit gefahren und habe die dortige Wohnung auch für seine akademische Arbeit genutzt. Eine qualifiziert enge Verbundenheit mit dem Familienort U.________ sei nicht dargetan.
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3.3. Der Beschwerdeführer rügt namentlich eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und eine offensichtlich unrichtige, d. h. willkürliche Sachverhaltsfeststellung (Art. 9 BV). Mit beiden Rügen vermag er nicht durchzudringen:
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4. | |
4.1. Die Beschwerde erweist sich mithin gegenüber dem Kanton Solothurn als unbegründet und ist abzuweisen. Soweit sie sich gegen den Kanton Aargau richtet, ist sie demzufolge gutzuheissen; der Kanton Aargau ist anzuweisen, die Steuerveranlagung für das Steuerjahr 2012 aufzuheben und die dort bereits erhobenen Steuern dem Beschwerdeführer zurückzuerstatten.
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4.2. Bei diesem Verfahrensausgang werden die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer, der mit seinem Hauptantrag nicht durchgedrungen ist, auferlegt (Art. 65 f. BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde gegen den Kanton Solothurn wird abgewiesen.
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2. Die Beschwerde gegen den Kanton Aargau wird gutgeheissen. Der Kanton Aargau wird angewiesen, die Steuerveranlagung des Beschwerdeführers für das Steuerjahr 2012 aufzuheben und die bereits bezogenen Steuern zurückzuerstatten.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonalen Steuergericht Solothurn und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 30. April 2015
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Zünd
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Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein
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