BGer 1B_86/2015 | |||
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BGer 1B_86/2015 vom 21.07.2015 | |
{T 0/2}
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1B_86/2015
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1B_105/2015
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Urteil vom 21. Juli 2015 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Merkli, präsidierendes Mitglied,
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Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
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Gerichtsschreiber Stohner.
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Verfahrensbeteiligte | |
1B_86/2015
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A.________,
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Beschwerdeführer 1,
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1B_105/2015
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B.________,
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Beschwerdeführer 2,
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gegen
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Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach 1348, 4001 Basel.
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Gegenstand
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Strafverfahren; Berufungsverfahren,
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Beschwerden gegen die Verfügung vom 25. Februar 2015 des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Appellationsgerichtspräsidentin.
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Sachverhalt: | |
A. Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt erklärte mit Urteil vom 1. September 2014 A.________ und B.________ insbesondere der mehrfachen ungetreuen Geschäftsbesorgung (Bereicherungsabsicht), der mehrfachen Urkundenfälschung, des mehrfachen Vergehens gegen das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer und des mehrfachen Vergehens gegen das Gesetz über die direkten Steuern des Kantons Basel-Stadt für schuldig. In mehreren Anklagepunkten sprach es die beiden frei. Mit demselben Urteil erklärte das Strafgericht auch C.________ der ungetreuen Geschäftsbesorgung (Bereicherungsabsicht) für schuldig. Das schriftlich begründete Urteil wurde am 8. Januar 2015 versandt.
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B. Am 25. Februar 2015 verfügte die Präsidentin des Appellationsgerichts, Marie-Louise Stamm, gegenüber A.________ und B.________, das Verfahren gegen C.________ werde wegen Befangenheit der Präsidentin vom vorliegenden Verfahren abgetrennt und vom Appellationsgerichtspräsidenten Christian Hoenen geführt. Das Verfahren gegen A.________ und B.________ werde von ihr geführt.
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Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
1.1. Das Bundesgericht vereinigt mehrere Verfahren, wenn diese in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen, namentlich wenn sie die gleichen Parteien sowie ähnliche oder gleiche Rechtsfragen betreffen. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Es rechtfertigt sich daher, die beiden Beschwerden gestützt auf Art. 71 BGG in sinngemässer Anwendung von Art. 24 Abs. 2 lit. b BZP (SR 273) zu vereinigen und in einem einzigen Entscheid zu beurteilen.
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1.2. Bei der angefochtenen Verfügung handelt es sich um einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG, welcher das Verfahren nicht abschliesst. Gegen einen solchen Zwischenentscheid ist die Beschwerde nur zulässig, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder - was hier ausser Betracht fällt - die Gutheissung der Beschwerden sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beschwerdeverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Die selbständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden bildet aus prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 138 III 94 E. 2.1 S. 94; 135 I 261 E. 1.2 S. 263; je mit Hinweisen).
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Erwägung 1.3 | |
1.3.1. Der Beschwerdeführer 1 bringt vor, die drei Beschuldigten (er selbst, der Beschwerdeführer 2 und C.________) seien als Mittäter zu qualifizieren. Mittäter hätten das Recht, an allen Beweiserhebungen und Verfahrenshandlungen der anderen Mittäter teilzunehmen. Diese Teilnahmerechte wie auch sein Recht auf Einsicht in die Akten des Verfahrens gegen C.________ fielen mit der Verfahrenstrennung weg. Durch eine zeitlich divergierende Beurteilung des Falls würden seine Verfahrensrechte unwiederbringlich verletzt, was einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bedeute.
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1.3.2. In BGE 140 IV 172 vom 1. September 2014 hat die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts entschieden, dass in getrennt geführten Verfahren den Beschuldigten im jeweils anderen Verfahren keine Parteistellung zukommt. Es besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Teilnahme an den Beweiserhebungen und an den Einvernahmen der anderen beschuldigten Person im eigenständigen Untersuchungs- oder Hauptverfahren (Art. 147 Abs. 1 StPO e contrario). Die Einschränkung der Teilnahmerechte von Beschuldigten in getrennten Verfahren im Vergleich zu Mitbeschuldigten im gleichen Verfahren ist vom Gesetzgeber implizit vorgesehen und hinzunehmen (BGE 140 IV 172 E. 1.2.3 S. 176). Durch eine Verfahrenstrennung geht so der beschuldigten Person bezogen auf Beweiserhebungen des anderen Verfahrens das Verwertungsverbot des Art. 147 Abs. 4 StPO verloren, weil sie insoweit keine Verletzung ihres Teilnahmerechts geltend machen kann (vgl. hierzu Gunhild Godenzi, Teilnahmeberechtigte "Parteien" bei getrennt geführten Strafverfahren, in: forumpoenale 2/2015 S. 112).
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1.3.3. Aus den bisherigen Ausführungen folgt, dass den beiden Beschwerdeführern durch die Verfahrenstrennung ein rechtlicher Nachteil droht, da ihre Teilnahmerechte an Beweiserhebungen im gegen C.________ geführten Verfahren beschränkt werden. Gerade wenn dieses abgetrennte Verfahren im Zeitpunkt des Endentscheids gegen die beiden Beschwerdeführer bereits abgeschlossen sein sollte, liegt es auf der Hand, dass der Nachteil nicht mehr behoben werden könnte, da diesfalls eine (erneute) Verfahrensvereinigung nicht mehr in Betracht käme. Die Verfahrenstrennung muss mithin sofort und nicht erst mit Beschwerde gegen den Endentscheid angefochten werden können. Die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG sind erfüllt. Auf die Beschwerden ist einzutreten.
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Erwägung 2 | |
2.1. Nach Art. 30 StPO können die Staatsanwaltschaft und die Gerichte Strafverfahren aus sachlichen Gründen trennen oder vereinen.
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2.2. In ihrer an die beiden Beschwerdeführer gerichteten und vorliegend angefochtenen Verfügung vom 25. Februar 2015 begründete die Appellationsgerichtspräsidentin, Marie-Louise Stamm, die Verfahrenstrennung folgendermassen: "Das Verfahren C.________ wird vom vorliegenden Verfahren abgetrennt (Befangenheit der Verfahrensleiterin). Diesbezüglicher Verfahrensleiter ist Appellationgsgerichtspräsident lic. iur. Christian Hoenen. Die Verfahren A.________ und B.________ werden von der Unterzeichneten geführt (Befangenheit von Appellationsgerichtspräsident Hoenen). Ein Anspruch darauf, dass die Verfahren A.________ und B.________ vor zweiter Instanz aufgetrennt werden, besteht nicht. Ein sachlicher Grund hierfür ist nicht ersichtlich. Vielmehr sprechen alle sachlichen Gründe dafür, das bisher von der Staatsanwaltschaft und vor erster Instanz geführte gemeinsame Verfahren auch vor zweiter Instanz entsprechend weiterzuführen."
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2.3. Die Appellationsgerichtspräsidentin räumt damit ausdrücklich ein, dass alle sachlichen Gründe dafür sprechen, das bisher von der Staatsanwaltschaft und vor erster Instanz gemeinsam geführte Verfahren auch vor zweiter Instanz entsprechend weiterzuführen. Dies gilt indes nicht nur für die beiden Beschwerdeführer, sondern für alle drei mutmasslichen Mittäter. Eine bereits vorbestehende und sich nicht erst im Laufe des Berufungsverfahrens ergebende Befangenheit der Appellationsgerichtspräsidentin gegenüber einem der drei Beschuldigten stellt keinen sachlichen Grund für eine Verfahrenstrennung dar. Solchen Aspekten auf Seiten der Strafbehörde ist nicht mit einer Verfahrenstrennung nach Art. 30 StPO, sondern dadurch zu begegnen, dass ein unbefangener Verfahrensleiter eingesetzt wird, der das Verfahren gegen alle drei Beschuldigten führt.
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3. Die Beschwerden sind gutzuheissen. Die Verfügung der Präsidentin des Appellationsgerichts vom 25. Februar 2015 ist betreffend die Verfahrenstrennung aufzuheben. Das Appellationsgericht ist anzuweisen, einen unbefangenen Verfahrensleiter einzusetzen, der das Verfahren gegen die drei Beschuldigten führt.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Verfahren 1B_86/2015 und 1B_105/2015 werden vereinigt.
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2. Die Beschwerden werden gutgeheissen. Die Verfügung der Präsidentin des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 25. Februar 2015 wird betreffend die Verfahrenstrennung aufgehoben. Das Appellationsgericht wird angewiesen, einen unbefangenen Verfahrensleiter einzusetzen, der das Verfahren gegen die drei Beschuldigten führt.
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3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigungen zugesprochen.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Appellationsgerichtspräsidentin, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 21. Juli 2015
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied: Merkli
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Der Gerichtsschreiber: Stohner
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