BGer 2C_256/2015 | |||
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BGer 2C_256/2015 vom 20.08.2015 | |
{T 0/2}
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2C_256/2015
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Urteil vom 20. August 2015 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Zünd, Präsident,
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Bundesrichter Seiler,
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Bundesrichterin Aubry Girardin,
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Gerichtsschreiber Errass.
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Verfahrensbeteiligte | |
X.________ AG, Baumaschinen und Bausysteme,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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Bundesamt für Verkehr (BAV),
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Rechtsverweigerung/Marktüberwachung; Konformität von Grosspackmitteln (IBC) zur Beförderung gefährlicher Güter (Gefahrgutumschliessungen),
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Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 18. Februar 2015.
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Sachverhalt: | |
A. Die X.________ AG Baumaschinen und Transportsysteme bezweckt gemäss Handelsregistereintrag die Herstellung und den Vertrieb von Baumaschinen und Transportsystemen sowie den Handel mit Zubehör- und Ersatzteilen für Maschinen und Fahrzeuge des Bau- und Transportgewerbes. Dazu gehört namentlich auch die Herstellung von Grosspackmitteln (Intermediate Bulk Container, IBC), welche Gefahrgutumschliessungen (GGU) im Sinne der Verordnung vom 31. Oktober 2012 über das Inverkehrbringen und die Marktüberwachung von Gefahrgutumschliessungen (Gefahrgutumschliessungsverordnung, GGUV, SR 930.111.4) sind (Art. 2 lit. a GGUV). Mit Erstaudit vom 13. Januar 2011 (Auditbericht Nr. 5'295'416 vom 27. Januar 2011) wurde der X.________ AG vom damaligen Eidgenössischen Gefahrgutinspektorat (EGI) bescheinigt, über ein anerkanntes Qualitätssicherungsprogramm (QSP) nach der Norm EN ISO 16106:2006 gemäss Ziff. 6.5.4.1 der Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (RID, Anhang C zum Übereinkommen vom 9. Mai 1980 über den internationalen Eisenbahnverkehr [COTIF, SR 0.742.403.1]) bzw. der Anlage A des Europäischen Übereinkommens vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (ADR, SR 0.741.621) zu verfügen. Ein Wiederholungsaudit wurde für Januar 2014 vorgesehen.
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B. Mit E-Mail vom 14. Februar 2014 teilte die Z.________ AG (im Folgenden: Z.________), eine Konformitätsbewertungsstelle (KBS) gemäss Art. 12 ff. GGUV, der X.________ AG mit, dass die Anerkennung von deren QSP gemäss Ziff. 6.5.4.1 RID/ADR am 12. Januar 2014 abgelaufen sei; sie ersuchte um Vereinbarung eines Termins für eine Überwachungsprüfung zur Verlängerung der Anerkennung. Mit Schreiben vom 30. Juli 2014 machte das Bundesamt für Verkehr (BAV) die X.________ AG darauf aufmerksam, dass die Anerkennung des QSP gemäss Ziff. 6.5.4.1 RID/ADR am 12. Januar 2014 abgelaufen sei, womit die Befugnis, Gefahrgutumschliessungen bzw. IBC im Sinne des RID/ADR herzustellen, erloschen sei. Der X.________ AG wurde eine Frist angesetzt, um dem BAV mitzuteilen, bis wann welche Massnahmen zur Legalisierung der Situation getroffen würden. Die X.________ AG erwiderte mit E-Mail vom 6. August 2014, sie produziere ihre IBC seit 2011 unter einem QSP nach EN ISO 16106:2006. Die Y.________ AG, bei welcher es sich ebenfalls um eine KBS handle, übernehme für sie die Baumusterzulassung, die Überwachung der Herstellung und die erstmalige Prüfung. Die X.________ AG sei deshalb der Ansicht, sie bedürfe aufgrund der geltenden gesetzlichen Regelung keiner zusätzlichen Überprüfung durch eine Drittstelle.
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C. Mit Eingabe vom 5. September 2014 erhob die X.________ AG Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (Verfahren A-4979/2014) und beantragte:
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"1. Es sei festzustellen, dass die seit dem 12. Januar 2014 durch die Firma X.________ AG hergestellten und durch die Firma Y.________ AG (Konformitätsbewertungsstelle Typ A nach GGUV) erstmalig geprüften Grosspackmittel grundsätzlich rechtsgültig in Verkehr gebracht wurden.
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2. Das BAV sei zu verpflichten, die Forderung der "Erneuerung" der "Anerkennung des Qualitätssicherungsprogrammes gemäss 6.5.4.1 RID/ADR durch die nach BAV-Homepage alleinige dafür zuständige Firma "Z.________" per Verfügung zu erlassen oder aufzuheben.
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3. Das BAV sei superprovisorisch, d.h. ohne vorgängige Anhörung, anzuweisen die Aussagen, Feststellungen und Androhungen in den Briefen vom 30.7. und 12.8. unverzüglich zu wi[e]derrufen oder per Verfügung zu bestätigen."
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D. Am 27. Oktober 2014 erliess das BAV an die Adresse der X.________ AG eine Verfügung mit folgendem Dispositiv:
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"1. Es wird festgestellt, dass die durch die X.________ AG nach dem 12. Januar 2014 hergestellten IBC der Vorschrift im Unterabschnitt 6.5.4.1 RID/ADR betreffend das Qualitätssicherungsprogramm nicht entsprechen.
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2. Die durch die X.________ AG nach dem 12. Januar 2014 hergestellten IBC dürfen nach Art. 5 GGUV nicht in Verkehr gebracht werden.
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3. Um die nach dem 12. Januar 2014 hergestellten IBC auf dem Markt zu belassen resp. auf den Markt bringen zu dürfen, hat die X.________ AG bis am 15. Dezember 2014 dem BAV einen begründeten Antrag um eine Ausnahmebewilligung zu stellen.
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4. Für die Behandlung des Antrages unter Ziffer 3 sowie um die Herstellung von rechtskonformen IBC wieder aufzunehmen, hat die X.________ AG ihr Qualitätssicherungsprogramm durch eine für diese Tätigkeit bezeichnete KBS prüfen und anerkennen zu lassen.
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5. Wird bis am 15. Dezember 2014 kein begründeter Antrag nach Ziffer 3 durch die X.________ AG eingereicht, wird das BAV den Rückruf der durch die X.________ AG nach dem 12. Januar 2014 hergestellten IBC anordnen.
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6. Die X.________ AG hat eine Gebühr von CHF 1500.-- zu bezahlen. Dieser Betrag wird nach Rechtskraft dieser Verfügung durch das BAV in Rechnung gestellt, welches zum Inkasso ermächtigt ist."
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E. Am 20. November 2014 erhob die X.________ AG gegen die Verfügung des BAV vom 27. Oktober 2014 ebenfalls Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (Verfahren A-6829/2014) mit folgenden Anträgen:
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"1. Es sei festzustellen, ob die unter Absatz III, Punkt 1 gemachte Feststellung, dass die seit dem 12. Januar 2014 durch die Firma X.________ AG hergestellten IBC der Vorschrift im Unterabschnitt 6.5.4.1 RID/ADR betreffend des nicht entsprechenden Qualitätssicherungsprogrammes (im folgendem "QSP") gesetzlich begründet oder unbegründet ist.
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2. Die unter Absatz III, Punkte 2, 3 und 5 verfügten Auflagen und Forderungen sind auf Rechtsstaatlichkeit und Angemessenheit zu beurteilen.
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3. Die Folgen der unter Absatz III, Punkt 4 erwähnten Punkte (Herstellungsstillstand und externes Audit) sind durch Übernahme der effektiven Kosten dem BAV aufzuerlegen, sofern nicht bereits unter der Beschwerde A 4979/2014 eine Entschädigung in dieser Angelegenheit erfolgt."
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F. Das BAV teilte mit Eingabe vom 28. Januar 2015 dem Gericht mit, die X.________ AG habe die bis 15. Dezember 2014 angesetzte Frist zur Beantragung einer Ausnahmebewilligung ungenutzt verstreichen lassen. Es habe aber Kenntnis davon erhalten, dass die X.________ AG die Anerkennung des QSP mit Audit vom 27. Oktober 2014 erneuert habe, weshalb ab diesem Datum die Voraussetzungen für die Durchführung erstmaliger Prüfungen von IBC wieder erfüllt seien und jene der Y.________ AG wieder aufgenommen worden seien.
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G. Die X.________ AG erhebt mit Eingabe vom 20. März 2015 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass die Abweisung des Antrags 1 der Beschwerde vom 5. September 2014 gegen Bundesrecht verstosse und es sei festzustellen, dass die Abweisung des Antrags 1 der Beschwerde vom 20. November 2011 durch offensichtlich unrichtige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts erfolgt sei.
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Erwägungen: | |
1. Die Beschwerde ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a und Art. 90 BGG), da kein Unzulässigkeitsgrund (Art. 83 ff. BGG) vorliegt: Namentlich geht es weder um eine Typengenehmigung für Fahrzeuge auf dem Gebiet des Strassenverkehrs (Art. 83 lit. o BGG), noch um das Ergebnis einer Prüfung oder eine andere Fähigkeitsbewertung (Art. 83 lit. t BGG), sondern um die Frage, ob die Vorinstanzen mit Recht eine (neue bzw. zusätzliche) Prüfung und Anerkennung des Qualitätssicherungsprogramms der Beschwerdeführerin verlangen. Sodann besteht nach wie vor ein aktuelles praktisches Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin (vgl. Art. 89 BGG), obwohl diese seit dem 27. Oktober 2014 wieder über ein vom BAV anerkanntes Wiederholungsaudit verfügt; denn einerseits hängt von der Rechtmässigkeit des angefochtenen Entscheids ab, ob die zwischen Januar und Herbst 2014 von der Beschwerdeführerin hergestellten IBC rechtmässig hergestellt sind, und andererseits ist der Überwachungsvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und der Z.________ nur unter der Bedingung geschlossen worden, dass er aufgelöst wird, falls der angefochtene Entscheid nicht rechtmässig ist.
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2. Die Beschwerdeführerin bezieht sich in ihrer Beschwerde an das Bundesgericht nur auf die Anträge Ziff. 1 ihrer Beschwerden vom 5. September und 20. November 2014 an das Bundesverwaltungsgericht. Die Anträge 2 und 3 der Beschwerde vom 5. September 2014 sind gegenstandslos geworden (vgl. E. 5 und Dispo. Ziff. 2 des angefochtenen Entscheids). Die Anträge 2 und 3 der Beschwerde vom 20. November 2014 werden nicht mehr ausdrücklich aufgenommen; die dort beanstandeten Punkte (Ziff. 2-5 der Verfügung vom 27. Oktober 2014) hängen jedoch damit zusammen, ob die Forderung nach einer neuen bzw. zusätzlichen Anerkennung des Qualitätssicherungsprogrammes rechtmässig ist, und müssen ungeachtet der missverständlichen Formulierung in der (Laien-) Beschwerde als mitangefochten gelten.
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3. Das Bundesgericht prüft frei und von Amtes wegen die richtige Anwendung des Bundesrechts (Art. 95 lit. a BGG, Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, falls sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG). Zudem muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 17 f.), was die beschwerdeführende Partei aufzuzeigen hat. Die vorinstanzlichen Feststellungen sind "offensichtlich unrichtig", wenn sie willkürlich erhoben worden sind (Art. 9 BV; BGE 137 II 353 E. 5.1 S. 356; zur Willkür in der Beweiswürdigung BGE 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62 und 135 III 127 E. 1.5 S. 129 f.). Eine entsprechende Rüge ist rechtsgenüglich zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG).
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4. Die Beschwerdeführerin rügt offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellungen. Diese Rügen betreffen aber zum grössten Teil in Wirklichkeit Rechtsfragen, die im Folgenden als solche zu prüfen sind. Zutreffend ist die sachverhaltliche Kritik der Beschwerdeführerin, dass die Y.________ AG in ihrem Schreiben vom 8. Juli 2014 entgegen der missverständlichen Formulierung in E. 7.3 des angefochtenen Entscheids nicht geschrieben hat, dass sich die Rechtslage mit dem Inkrafttreten der GGUV geändert habe, sondern dass das BAV nach dem Inkrafttreten der neuen Richtlinie zur Umsetzung der GGUV zusätzlich eine Überwachung der QSP durch eine vom BAV mit entsprechendem Geltungsbereich bezeichnete KBS verlange. Ob dies zu Recht erfolgte, ist wiederum Rechtsfrage.
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Erwägung 5 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
5.1. Nach Art. 5 GGUV dürfen Gefahrgutumschliessungen in Verkehr gebracht werden, wenn sie für die Beförderung mit Eisenbahnen oder Seilbahnen die Vorschriften des RID oder von Anhang 2.1 Kapitel 6 der Verordnung vom 31. Oktober 2012 über die Beförderung gefährlicher Güter mit Eisenbahnen und Seilbahnen (RSD; SR 742.412) erfüllen (lit. a) bzw. für die Beförderung auf der Strasse die Vorschriften des ADR oder von Anhang 1 Kapitel 6.14 der Verordnung vom 29. November 2002 über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (SDR; SR 741.621) erfüllen (lit. b).
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5.2. Nach den nicht bestrittenen Feststellungen der Vorinstanz handelt es sich bei den betroffenen Grosspackmitteln um Intermediate Bulk Containers (IBC) im Sinne von Kapitel 6.5 RID/ADR. Ziff. 6.5.4.1 RID/ADR lautet wie folgt:
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Qualitätssicherung: Um sicherzustellen, dass jeder hergestellte, wiederaufgearbeitete oder reparierte IBC die Vorschriften dieses Kapitels erfüllt, müssen die IBC nach einem Qualitätssicherungsprogramm hergestellt, wiederaufgearbeitet oder repariert und geprüft werden, das von der zuständigen Behörde anerkannt ist.
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Bem. Die Norm ISO 16106:2006 «Verpackung - Verpackungen zur Beförderung gefährlicher Güter - Gefahrgutverpackungen, Grosspackmittel (IBC) und Grossverpackungen - Leitfaden für die Anwendung der ISO 9001» enthält zufrieden stellende Leitlinien für Verfahren, die angewendet werden dürfen.
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5.3. Nach Art. 25 Abs. 3 lit. c SDR in der ursprünglichen Fassung war grundsätzlich das Eidgenössische Gefahrgutinspektorat (EGI) zuständig für die Genehmigung von Verpackungen, Druckgefässen, Tanks und ihrer Einrichtungen. Mit der am 1. Januar 2013 in Kraft getretenen GGUV und der entsprechenden Änderung der SDR vom 31. Oktober 2012 (AS 2012 6537) wurde das System der Konformitätsbewertung eingeführt. Übergangsrechtlich blieb das EGI bis Ende 2013 zuständig für die Genehmigung von Verpackungen, Druckgefässen, Tanks und ihren Einrichtungen nach den Art. 6 und 7 GGUV (Art. 27 Abs. 3 GGUV). Seit dem 1. Januar 2014 sind private Konformitätsbewertungsstellen zugelassen. Gemäss Art. 7 GGUV gelten für Gefahrgutumschliessungen, die nicht ortsbewegliche Druckgeräte sind, für die Konformitätsbewertung, die wiederkehrenden Prüfungen, die Zwischenprüfungen und die ausserordentlichen Prüfungen die Verfahren nach Anhang 1. Nach Anhang 1 Ziff 1 GGUV gelten die Vorschriften von (u.a.) Kap. 6.5 RID/ADR als erfüllt, wenn die entsprechenden Verfahren durch die nach Tabelle 1 vorgesehenen Konformitätsbewertungsstellen durchgeführt werden.
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