BGer 6B_760/2015 | |||
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BGer 6B_760/2015 vom 08.10.2015 | |
{T 0/2}
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6B_760/2015
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Urteil vom 8. Oktober 2015 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichterinnen Jacquemoud-Rossari, Jametti,
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Gerichtsschreiber Näf.
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Verfahrensbeteiligte | |
X.________,
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vertreten durch Advokat Dr. Thomas Christen,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Erste Staatsanwältin,
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Grenzacherstrasse 8, 4132 Muttenz,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Stationäre Massnahmen; Gutachten; Willkür,
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Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 28. April 2015.
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Sachverhalt: |
A. |
B. |
Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
1.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz lasse völlig ausser Acht, dass der psychiatrische Gutachter ihn lediglich während insgesamt einer Stunde und 45 Minuten persönlich untersucht habe. Das Gutachten vom 30. September 2013, auf welches sich die Vorinstanz stütze, beruhe zum grössten Teil nicht auf eigenen Untersuchungen durch den Experten, sondern zum Hauptteil auf den vorhandenen Akten. Es bestünden keine fundierten Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit. Gleichwohl komme der Gutachter zum Ergebnis, dass es zumindest Hinweise auf eine erhebliche Gewöhnung an Alkohol gebe. Der Beschwerdeführer beanstandet, dass bezüglich seiner Alkoholkonsumgewohnheiten ein Gutachten aus dem Jahr 1989 beigezogen worden sei, worin aber ebenfalls nicht von einer Akoholabhängigkeit die Rede sei. Er macht geltend, es liege keine aktuelle ausreichende Begutachtung vor. Das Gutachten vom 30. September 2013 sei nicht nachvollziehbar. Daher sei die stationäre Massnahme zu Unrecht gestützt auf das Gutachten angeordnet worden.
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1.2. Die Vorinstanz hat in Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheids
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1.3. Der leitende Arzt Forensik der Psychiatrie Baselland, Dr. med. A.________, erstellte im Auftrag der Staatsanwaltschaft ein forensisch-psychiatrisches Gutachten betreffend den Beschwerdeführer, das vom 30. September 2013 datiert (kant. Akten p. 155 ff.). Der Experte nahm nach eigenen Angaben am 4. Juni 2013 im Gefängnis eine erste psychiatrische Untersuchung des Beschwerdeführers vor, die eine Stunde und 30 Minuten dauerte. Eine zweite psychiatrische Untersuchung vom 6. September 2013 wurde vom Beschwerdeführer nach 15 Minuten abrupt abgebrochen.
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1.4. Der Gutachter diagnostizierte beim Beschwerdeführer eine schwere kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, narzisstischen, emotional instabilen und dissozialen Zügen (ICD-10 F61.0; Gutachten S. 50, 53, 55, kant. Akten p. 253, 259, 263).
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1.5. Die erste Instanz kam nach ausführlicher Wiedergabe des Gutachtens (erstinstanzlicher Entscheid S. 46 ff., 56 f.) zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer zweifellos eine kombinierte Behandlung benötige, da das Zusammenwirken der Persönlichkeitsstörung mit dem Alkoholkonsum zu Situationen führe, in welchen er höchst gefährlich werde. Für die Sicherheit der Allgemeinheit sei es wesentlich, dass die beiden Problemkreise (Persönlichkeitsstörung und Alkohol) behandelt würden. Es sei auch im Interesse des Beschwerdeführers selbst, dass er nicht mehr in eine solche Situation komme. Angesichts der nach wie vor bestehenden hohen Rückfallgefahr und der eindeutigen Massnahmenbedürftigkeit ordnete die erste Instanz gemäss Art. 19 Abs. 3, Art. 59 und Art. 60 StGB eine stationäre Psychotherapie und eine stationäre alkoholspezifische Behandlung an (erstinstanzliches Urteil S. 58).
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1.6. Die Anordnung einer Massnahme zur Suchtbehandlung setzt nach Art. 60 Abs. 1 StGB voraus, dass der Täter von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig ist. Eine Abhängigkeit des Beschwerdeführers von Alkohol lässt sich indessen gemäss den Ausführungen des Gutachters auf der Grundlage der vorhandenen Daten nicht diagnostizieren. Diagnostiziert werden lediglich ein schädlicher Gebrauch von Alkohol unterhalb einer Abhängigkeitsstörung sowie eine Toleranzentwicklung.
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Erwägung 2 | |
2.1. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass er gemäss dem forensisch-toxikologischen Gutachten vom 15. Mai 2013 zur Zeit der Tat eine Blutalkoholkonzentration zwischen 2,4 und 3,2 o/oo aufgewiesen habe. Er macht geltend, grundsätzlich gelte im Strafrecht, dass bei einer Blutalkoholkonzentration von bis zu 2 o/oo in der Regel von Schuldfähigkeit auszugehen sei, bei einer Blutalkoholkonzentration zwischen 2 und 3 o/oo eine Einschränkung der Schuldfähigkeit und bei einer Blutalkoholkonzentration von über 3 o/oo sogar Schuldunfähigkeit anzunehmen sei. Gestützt darauf und die vorhandenen Fakten, welche eine Gewöhnung an Alkohol im Gegensatz zur Annahme des Gutachters eher als unwahrscheinlich erscheinen liessen, sei nicht nachvollziehbar, wie der Gutachter zum Schluss gelangen könne, der Beschwerdeführer sei zur Zeit der Tat nur leicht vermindert schuldfähig gewesen. Ganz im Gegenteil habe im Zeitpunkt der Tat aufgrund der Alkoholeinwirkung im vorliegenden Masse eben keine Schuldfähigkeit vorgelegen.
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2.2. Der Beschwerdeführer beantragt in seiner Beschwerde einzig, dass "von der angeordneten stationären Massnahme abzusehen" (Beschwerde S. 2) beziehungsweise dass das Urteil der Vorinstanz in diesem Punkt aufzuheben sei (Beschwerde S. 6). Der Beschwerdeführer stellt nicht den Antrag, dass er wegen Schuldunfähigkeit freizusprechen sei. Er beantragt auch nicht, dass die Vorinstanz die Strafe herabzusetzen habe, da entgegen der Einschätzung des Gutachters, welcher sie folgt, nicht nur von einer Verminderung der Schuldfähigkeit in leichtem Grade, sondern von einer Verminderung der Schuldfähigkeit in schwerem Grade auszugehen sei. Die knappen Ausführungen in der Beschwerdeschrift zur Schuldfähigkeit haben somit dem Anschein nach allein den Zweck, die Behauptung der Mangelhaftigkeit des Gutachtens zu untermauern. Der Beschwerdeführer will zum Ausdruck bringen, das psychiatrische Gutachten sei auch deshalb mangelhaft, weil es bei einer festgestellten Blutalkoholkonzentration zwischen 2,4 und 3,2 o/oo entgegen den nach der Praxis geltenden Vermutungen lediglich eine leichte Verminderung der Steuerungsfähigkeit annehme. Die Frage, welchen Einfluss die Blutalkoholkonzentration zwischen 2,4 und 3,2 o/oo auf die Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf die inkriminierte Tat hatte, ist indessen für die einzig strittige Frage, ob die Vorinstanz zu Recht eine stationäre Massnahme im Sinne von Art. 60 StGB angeordnet habe, ohne Bedeutung. Eine solche Massnahme könnte auch angeordnet werden, wenn der Beschwerdeführer, wie er behauptet, zur Zeit der Tat schuldunfähig gewesen wäre (siehe Art. 19 Abs. 3 StGB). Die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Schuldfähigkeit gehen daher an der Sache vorbei.
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3.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 28. April 2015 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird, soweit nicht gegenstandslos geworden, gutgeheissen.
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3. Es werden keine Kosten erhoben.
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4. Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Advokat Thomas Christen, wird eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.
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5. Der Kanton Basel-Landschaft hat dem Vertreter des Beschwerdeführers, Advokat Thomas Christen, eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- zu zahlen.
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6. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 8. Oktober 2015
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Der Gerichtsschreiber: Näf
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