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Informationen zum Dokument  BGer 1C_306/2015  Materielle Begründung
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BGer 1C_306/2015 vom 14.10.2015
 
{T 0/2}
 
1C_306/2015
 
 
Urteil vom 14. Oktober 2015
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Karlen, Kneubühler,
 
Gerichtsschreiber Störi.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
B.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Yves Blöchlinger,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
1. C.________,
 
Beschwerdegegner 1,
 
2. D.________,
 
Beschwerdegegner 2,
 
3. E.________,
 
Beschwerdegegner 3,
 
4. F.________,
 
Beschwerdegegner 4,
 
5. G.________,
 
Beschwerdegegnerin 5,
 
Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis,
 
Postfach, 8953 Dietikon,
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich.
 
Gegenstand
 
Ermächtigung zur Eröffnung einer Strafuntersuchung,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 30. April 2015.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
2.1. Gemäss Art. 117 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht. Fahrlässig handelt, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB). Sorgfaltswidrig ist die Handlungsweise, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Tat die damit bewirkte Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können und müssen und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat. Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften (126 IV 13 E. 7a/bb mit Hinweisen).
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2.2. Für die Vorhersehbarkeit des Erfolges gilt der Massstab der Adäquanz. Danach muss das Verhalten des Täters geeignet sein, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen. Mitwirkendes Verschulden von Beteiligten sowie andere Mitursachen bleiben grundsätzlich ausser Betracht. Die Adäquanz ist nur zu verneinen, wenn ganz aussergewöhnliche Umstände als Mitursachen hinzutreten, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegen, dass sie als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolges erscheinen und so alle anderen mitverursachenden Faktoren - namentlich das Verhalten des Angeschuldigten - in den Hintergrund drängen (BGE 134 IV 193 E. 7.2; 128 IV 49 nicht publizierte E. 2b; 126 IV 13 E. 7a/bb je mit weiteren Hinweisen).
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2.3. Ein fahrlässiges Erfolgsdelikt kann auch durch pflichtwidriges Unterlassen (Art. 11 StGB) verübt werden. Voraussetzung ist eine Rechtspflicht zur Vornahme der unterlassenen Handlung (Garantenstellung) sowie die Möglichkeit, diese Handlung vorzunehmen. Ein sog. unechtes Unterlassungsdelikt liegt vor, wenn im Gesetz wenigstens die Herbeiführung des Erfolgs durch Tun ausdrücklich mit Strafe bedroht wird, der Beschuldigte durch sein Tun den Erfolg tatsächlich hätte abwenden können und infolge seiner Garantenstellung dazu auch verpflichtet war, so dass die Unterlassung der Erfolgsherbeiführung durch aktives Tun als gleichwertig erscheint. Für die Annahme einer Garantenstellung genügt nicht jede, sondern nur eine qualifizierte Rechtspflicht (BGE 134 IV 255 E. 4.2.1; 120 IV 98 E. 2c; je mit Hinweisen). Rechtsprechung und Lehre unterscheiden zwischen Obhutspflichten, d.h. Garantenstellungen zum Schutz eines bestimmten Rechtsgutes gegen alle ihm drohenden Gefahren, und Überwachungspflichten, d.h. Garantenstellungen zur Überwachung bestimmter Gefahrenquellen zum Schutze unbestimmt vieler Rechtsgüter (Urteil 6S.391/2002 vom 23. Dezember 2002 E. 3, nicht publ. in: BGE 129 IV 119; 113 IV 68 E. 5b; je mit Hinweisen). Eine Garantenstellung kann sich aus Gesetz, Vertrag, einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft oder aus der Schaffung einer Gefahr ergeben (Art. 11 Abs. 2 lit. a - d StGB; zur Publikation bestimmtes Urteil 6B_1122/2014 vom 29. Juni 2015 E. 1.1).
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2.4. Im Bereich der Strafverfolgung ergeben sich aus Art. 10 BV und Art. 2 und 3 EMRK bestimmte Gewährleistungspflichten, um den Schutz des Lebens und der Gesundheit der von der Strafverfolgung betroffenen Personen sicherzustellen. Einsätze und Handlungen der Strafverfolgungs- und -vollzugsorgane müssen soweit möglich auf eine Weise geregelt, geplant und organisiert werden, die jede Gefahr für das Leben der Beteiligten vermeidet. Dazu zählt auch eine geeignete Suizidprävention. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ergibt sich die staatliche Pflicht, Todesfälle im Rahmen von Einsätzen der Vollzugsorgane einer ordnungsgemässen, von Amtes wegen eingeleiteten, zügigen, unvoreingenommenen und hinreichend unabhängigen Untersuchung zu unterziehen (Urteil 1C_633/2013 vom 23. April 2014 E. 4.1 mit Hinweisen).
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Erwägung 3
 
3.1. Die Beschwerdeführerin kritisiert zu Recht nicht, dass die Beschwerdegegner 2 und 4 A.________ nach dem Unfall in Gewahrsam nahmen und ihn ins Spital Limmattal zwecks Abnahme einer Blut- und einer Urinprobe und anschliessend auf den Verkehrsstützpunkt Urdorf überführten. Sie macht indessen geltend, sie hätten weitere medizinische Abklärungen veranlassen sollen, wozu sie auch der Arzt im Spital Limmattal aufgefordert habe. Ob die Beschwerdegegner 2 und 4 dies hätten tun sollen bzw. müssen, nachdem A.________ nicht geltend gemacht hatte, er sei beim Unfall verletzt worden, und sie auch keine entsprechenden Feststellungen machten, kann dahingestellt bleiben. Es bestehen weder Hinweise dafür, dass er sich nennenswert verletzte, noch dass unfallbedingte Verletzungen in irgendeiner Weise ursächlich für den späteren Suizid gewesen sein könnten. Im Übrigen ging nach den vorinstanzlichen Feststellungen auch der der Arzt im Spital Limmattal nicht von einer akuten Suizidalität aus.
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3.2. Die Rolle der Beschwerdegegner 1 und 5 beschränkte sich auf die Unterstützung ihrer für den Fall zuständigen Kameraden - der Beschwerdegegner 2 und 4 - bzw. nach dem Eintreffen auf dem Verkehrsstützpunkt ihres Vorgesetzten, des Beschwerdegegners 3. Effektiv zum Einsatz kamen sie einzig bei der Überwältigung von A.________, als sich dieser seiner Einschliessung widersetzte. Es ist schlechterdings nicht ersichtlich, inwiefern sie für dessen Tod in irgendeiner Weise strafrechtlich mitverantwortlich sein sollten. Entsprechende, durch eine Strafuntersuchung zu klärende Verdachtsmomente fehlen gänzlich.
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3.3. Der Beschwerdegegner 3 war als ranghöchster der mit dem Fall befassten Polizisten ab dem Eintreffen von A.________ auf dem Verkehrsstützpunkt verantwortlich für dessen weitere Behandlung. Der Entscheid, ihn einzuschliessen, war jedenfalls vertretbar und damit von der Amtspflicht abgedeckt, nachdem er sich aggressiv und renitent verhielt und nicht damit gerechnet werden konnte, er würde freiwillig das Eintreffen des Notarztes abwarten. Der Beschwerdegegner 3 hatte keine Hinweise dafür, dass A.________ nicht bloss latent, sondern akut selbstmordgefährdet war. Weder der Arzt des Spitals Limmattal, dem er vorgeführt worden war, noch die mit seinen psychischen Problemen vertraute Mutter hegten die Befürchtung, er könnte bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit Hand an sich legen. Darin liegt der wesentliche Unterschied zum im Urteil 1C_633/2013 vom 23. April 2014 beurteilten Fall. Dabei ging es um die Selbsttötung eines nach den Feststellungen des Amtsarztes durch ein strenges Haftregime gesundheitlich angeschlagenen Gefangenen in seiner Zelle. Er hatte vier Tage vor dem Suizid eine Rissquetschwunde am Hinterkopf erlitten, die er mit einem Sturz erklärte, und zwei Tage später wurde unter seiner Matratze eine Schlinge sichergestellt. Mit deren Fund wussten die für die Unterbringung des Gefangenen Verantwortlichen jedenfalls, dass sich dieser ein für einen Suizid gängiges Instrument beschafft hatte; sie hätten unter diesen Umständen möglicherweise auch Grund zur Annahme gehabt, dass sich der Gefangene die mysteriöse Kopfwunde (die sich bei der Obduktion als Schädelbruch herausstellte) bei einem gescheiterten Suizidversuch zugezogen haben könnte. Es bestand daher ein Anfangsverdacht, dass sie sich einer strafrechtlichen relevanten Sorgfaltspflichtverletzung schuldig gemacht haben könnten, indem sie trotz für sie erkennbarer Anhaltspunkte für eine akute Suizidalität keine bzw. keine geeigneten Präventionsmassnahmen ergriffen. Solche Hinweise gab es im vorliegenden Fall für den Beschwerdegegner 3 nicht, weshalb ihm nicht als Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden, dass er A.________ unter den üblichen Vorsichtsmassnahmen, d.h. nach Abnahme von Gurt und Schuhen und unter zeitlich engmaschigen Kontrollen - er war maximal ca. 40 Minuten unbeaufsichtigt in der Zelle - bis zum baldigen Eintreffen des Notarztes einsperren liess. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens musste der Beschwerdegegner 3 weder damit rechnen, dass A.________ in dieser kurzen Zeit überhaupt einen Selbstmordversuch unternehmen würde, noch dass er dies mit Aussicht auf Erfolg tun könnte, nachdem er in der Zelle über keine Gegenstände oder Instrumente (Gürtel, Schnürsenkel, Messer, Behälter aus Glas, Schlafmittel, etc.) verfügte, die für ein solches Unterfangen üblicherweise eingesetzt werden. Dass es A.________ gelingen könnte, die Hosenstösse seiner Jeans derart an einem dafür wenig geeigneten Lüftungsgitter zu fixieren, dass er sich daran erhängen konnte, war für ihn schlechterdings nicht vorauszusehen. Die Einschätzung des Obergerichts trifft zu.
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3.4. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis und damit eine von der Polizei hinreichend unabhängige Behörde die Umstände des Todes von A.________ im Polizeigewahrsam von Amtes wegen, zügig und ausreichend abklärte und dabei zum plausiblen Schluss kam, es lägen gegen keinen der fünf an jenem Abend mit A.________ befassten Polizeibeamten relevante Verdachtsmomente auf ein strafbares Verhalten vor. Diese Einschätzung trifft nach den vorstehenden Erwägungen zu, das Obergericht hat kein Bundesrecht verletzt, indem es die Ermächtigung zur Eröffnung eines Strafverfahrens wegen fahrlässiger Tötung gegen die fünf angezeigten Beamten verweigerte.
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Erwägung 4
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
Lausanne, 14. Oktober 2015
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Störi
 
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